Gerichtsstand
1 Die verschiedenen Gerichtsstände
Örtlich zuständiges Gericht des Rechtsstreits in der ersten Instanz.
Es ist zwischen folgenden Arten von Gerichtsständen zu unterscheiden:
- a)
Allgemeiner Gerichtsstand: §§ 12 - 19a ZPO: Der allgemeine Gerichtsstand ist das Gericht des Wohnsitzes des Beklagten bzw. das Gericht des Sitzes der beklagten Gesellschaft oder Behörde.
- b)
Besondere Gerichtsstände: Vom Gesetz für bestimmte, zumeist vermögensrechtliche Ansprüche vorgesehene Gerichtsstände, die im Gesetz als besondere Gerichtsstände bezeichnet sind:
Aufenthaltsort (§ 20 ZPO)
Niederlassung (§ 21 ZPO)
Mitgliedschaft (§ 22 ZPO)
Vermögen oder Gegenstand (§ 23 ZPO)
Sachzusammenhang mit dem ausschließlichen dinglichem Gerichtsstand des § 24 ZPO (§ 25 f. ZPO)
Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (=Leistungsort) erfasst alle Ansprüche aus bzw. aufgrund eines Verpflichtungsvertrages.
Beispiel:
Gewährleistungsansprüche, Streitigkeiten über das Bestehen des Vertrages, Schadensersatzansprüche, Zahlung des Kaufpreises etc.
Erfüllungsort bei der Klage auf Zahlung des Kaufpreises ist der Wohnort / Geschäftssitz des Käufers; Erfüllungsort bei der Rückzahlung des Kaufpreises z.B. wegen Rücktritt vom Kaufvertrag ist der Wohnort / Geschäftssitz des Verkäufers.
Der BGH (BGH 11.09.2018 - X ZR 80/15) hat den Erfüllungsort einer Flugreise wie folgt festgelegt:
"Bei der einheitlichen Buchung mehrerer Flüge ohne nennenswerten Aufenthalt nach einer der Teilstrecken ist der Gerichtsstand des Erfüllungsortes für einen Ausgleichsanspruch wegen Annullierung, großer Verspätung oder Beförderungsverweigerung sowohl nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b Brüssel-I-VO als auch nach § 29 ZPO gleichermaßen am Abflugort des ersten Fluges wie am Ankunftsort des letzten Fluges begründet."
Arbeitsort (§ 48 Abs. 1a ArbGG): Zuständig ist dabei das Arbeitsgericht, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet bzw. verrichtet hat, siehe dazu auch den Beitrag " Arbeitsgerichtlicher Rechtsstreit".
Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge (§ 29c ZPO)
Vereinbarungen, in denen für Klagen eines Verbrauchers aus außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ein von § 29c Abs. 1 ZPO abweichender Gerichtsstand bestimmt wird, sind unzulässig (BGH 30.10.2014 - III ZR 474/13).
Vermögensverwaltung (§ 31 ZPO)
Unerlaubte Handlung (§ 32 ZPO):
Hierbei besteht der Gerichtsstand bei jedem Amts- und Landgericht, in dessen Gerichtsbezirk der Erfolg eingetreten ist.
Rechtsanwaltsvergütung etc. (§ 34 ZPO)
- c)
Ausschließliche Gerichtsstände: Sie sind zwingend und gehen allen anderen Gerichtsständen vor. Auch sie sind im Gesetz als solche bezeichnet:
dingliche Ansprüche (§ 24 ZPO)
Miet- und Pachtverhältnisse (§ 29a ZPO)
Umwelteinwirkungen (§ 32a ZPO)
Falsche, irreführende oder unterlassene öffentliche Kapitalmarktinformationen (§ 32b ZPO)
Ehesachen (§ 121 FamFG)
Klagen im Rahmen der Zwangsvollstreckung (§ 802 ZPO)
Klagen auf Anfechtung von Beschlüssen der Generalversammlung einer Genossenschaft (§ 51 Abs. 3 GenG)
Auflösungsklage gegen eine GmbH (§ 61 Abs. 3 GmbHG)
- d)
Zwischen den Parteien vereinbarter Gerichtsstand (siehe dazu den Beitrag "Gerichtsstandsvereinbarung")
- e)
Fliegender Gerichtsstand (abgeleitet aus § 32 ZPO):
Für die Geltendmachung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in Presseerzeugnissen und Fernsehsendungen, der überall dort besteht, wo die Druckschrift verbreitet bzw. die Sendung ausgestrahlt wird (BGH 08.03.2012 - I ZR 75/10).
Zudem auch anerkannt:
"Für Unterlassungsansprüche aufgrund Persönlichkeitsverletzungen im Internet sind sämtliche Amts- oder Landgerichte der Bundesrepublik Deutschland örtlich zuständig, sofern ein regionaler Bezug nicht erkennbar und daher eine bestimmungsgemäße Kenntnisnahme an jedem Ort in Deutschland gleichermaßen wahrscheinlich ist" (OLG Brandenburg 28.11.2016 - 1 U 6/16).
2 Bestimmung des Gerichtsstandes
Der Kläger hat die Auswahl des örtlich zuständigen Gerichts wie folgt zu prüfen:
- a)
Besteht ein ausschließlicher Gerichtsstand?
- b)
Haben die Parteien einen Gerichtsstand vereinbart oder liegt ein besonderer Gerichtsstand vor, der für den Kläger günstiger wäre?
- c)
Wo ist der allgemeine Gerichtsstand?
Die örtliche Zuständigkeit wird von dem angerufenen Gericht von Amts wegen überprüft. Hat das Gericht Bedenken, so ist es gemäß § 139 ZPO verpflichtet, den Kläger auf diese Bedenken aufmerksam zu machen. Der Kläger kann in diesen Fällen die Verweisung an das zuständige Gericht beantragen oder die Zuständigkeit beweisen. Andernfalls wird die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen.