Fahrerlaubnisentzug nach Unfallflucht nicht immer gerechtfertigt

Fahrerlaubnisentzug nach Unfallflucht nicht immer gerechtfertigt
15.07.20122504 Mal gelesen
Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte fahren eine harte Linie, wenn der Tatvorwurf Unfallflucht lautet. Die Aussage, man habe den angerichteten Schaden nicht bemerkt, wird von der Justiz meist als Schutzbehauptung angesehen. Verständnis für sein Verhalten hat ein Beschuldigter nicht zu erwarten

Auf Ersttäter kommt - je nach Höhe des Schadens - eine Geldstrafe von 20 bis 40 Tagessätzen, ein Fahrverbot von bis zu drei Monaten und der Eintrag von sieben Punkten im Flensburger Verkehrszentralregister zu. Ist ein sogenannter bedeutsamer Fremd-Sachschaden entstanden oder durch den Unfall eine andere Person verletzt worden bleibt es überdies nicht bei einem Fahrverbot. In diesen Fällen wird dem Täter regelmäßig die Fahrerlaubnis entzogen und eine mehrmonatige Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis verhängt. Ab welcher Schadenshöhe die Justiz von einem sogenannten bedeutendem Fremdschaden mit Fahrerlaubnisentzug ausgeht ist je nach Landgerichtsbezirk verschieden. Die Grenze liegt zur Zeit zwischen 1.200 € bis 1.500 €. Das Strafgesetzbuch stellt hier die Regelvermutung auf, dass der Unfallbeteiligte, der sich eines derart hohen Schadens zum Trotz vom Unfallort entfernte, zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet sei.

Wer wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort mit einem derart bedeutenden Fremdschaden beschuldigt wird, muss zudem damit rechnen, dass der Führerschein entweder sofort von der Polizei beschlagnahmt wird oder er ihn kurze Zeit nach der polizeilichen Anzeige im Ermittlungsverfahren verliert. Denn sind nach Aktenlage dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die Fahrerlaubnis mit Abschluss des Hauptverfahrens endgültig entzogen wird, kann ein Richter dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis bereits vorläufig per Beschluss entziehen.

Nicht der tatsächlich entstandene Schaden ist maßgeblich

Nicht selten übersieht die Staatsanwaltschaft oder das Gericht aber, dass es bei der Beurteilung des entstandenen Fremd-Sachschadens nicht auf die tatsächliche Höhe ankommt - Eine Summe, die oft durch einen Kostenvoranaschlag oder ein Kfz-Sachverständigengutachten Eingang in die Ermittlungsakte findet. Entscheidend ist nämlich, was der Beschuldigte erkennen konnte. Nur wenn dieser wusste oder wissen konnte, dass ein bedeutender Schaden entstanden war, greift die Regelvermutung für dessen Ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Abzustellen ist auf die Schadenshöhe, wie sie sich unter Berücksichtigung gewöhnlicher Umstände, aus der Perspektive des Beschuldigten abgezeichnet hat. Nur wenn davon auszugehen ist, dass der Beschuldigte erkennen konnte, dass er an einem Unfall beteiligt gewesen war, der zu einem Fremdschaden von mindestens 1.200 € geführt hat kommt die Regelfolge Fahrerlaubnisentzug zum Tragen.

Ein Indiz für die fehlende Erkennbarkeit der Tatsache, dass ein so hoher Fremdschaden verursacht worden war, ist insbesondere zu werten, wenn die den Unfall aufnehmende Polizei die Schadenshöhe schon geringer eingeschätzt hat. Es ist nämlich nicht anzunehmen, dass der Unfallbeteiligte mit einer höheren Schadenssumme rechnen musste, als sie die erste Einschätzung der Polizei ergeben hat. Maßgeblich ist außerdem der Zeitpunkt der Tat, das heißt der Moment, als er die Unfallstelle verließ. Wenn sich nachträglich in der Werkstatt ein höherer Schaden herausstellt kann das nicht entscheidend sein.

 

Tipp für Verdächtige/Beschuldigte

Wer wegen des Verdachts der Unfallflucht in das Visier der Polizei oder Staatsanwaltschaft geraten ist, kann nur empfohlen werden, möglichst frühzeitig Kontakt mit einem im Verkehrsstrafrecht erfahrenden Rechtsanwalt aufzunehmen. Zwar kann grundsätzlich die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Rechtsmittel der Beschwerde beim Landgericht "rückgängig gemacht" und damit diese für den Beschuldigten einschneidende  Folge des laufenden Ermittlungsverfahren beseitigt werden. Doch muss die Einlegung dieses Rechtsmittels wohl überlegt und es sicher zu begründen sein; denn mit einer ablehnender Entscheidung ist schlimmstenfalls ein obergerichtliches "Präjudiz" für einen negativen Ausgang Hauptverfahrens geschaffen worden.  

Nichts ohne Akteneinsicht unternehmen

  • Ohne umfassende Akteinsicht darf daher niemals Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis eingelegt werden.
  • Das oberste Gebot für Verdächtige gilt gerade auch beim Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort: Schweigen! Machen Sie als Beschuldigter oder potentiell verdächtiger Zeuge keinerlei Angaben zur Sache. Allein die Angabe, Fahrer zur Tatzeit gewesen zu sein, kann Sie bereits den Führerschein kosten.
  • Man ist nicht verpflichtet, einer polizeilichen Vorladung zur Vernehmung Folge zu leisten.

_____

Der Autor, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Christian Demuth, ist auf die  Verteidigung von Menschen in Verkehrsstraf- und Bußgeldverfahren sowie im Fahrerlaubnisrecht spezialisiert - bundesweit. Weitere Infos: www.cd-recht.de