Weitgehende Abschaffung des verwaltungsrechtlichen Widerspruchsverfahrens in NRW - Konsequenzen für Rechtssuchende

Staat und Verwaltung
13.11.20073527 Mal gelesen

Der Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen hat am 19.09.2007 das II. Gesetz zum Bürokratieabbau http://sgv.im.nrw.de/lmi/owa/lr_vbl_detail_text?anw_nr=6&vd_id=10427&vd_back=N beschlossen. Nach diesem am 01.11.2007 in Kraft getretenen Gesetz ist nunmehr ein Widerspruchsverfahern nur in den gesetzlich audrücklich genannten Fällen zulässig.

Sofern ein solcher Ausnahmefall nicht vorliegt, kann ein ursprünglicher Verwaltungsakt (Bspw. baurechtliche Abrißverfügung, Untersagung der Gaststättenerlaubnis) oder der ablehnende Bescheid auf Erlass eines begünstigenden Verwaltungsaktes (Bspw. Baugenehmigung, gewerberechtiche Erlaubnis etc.) nicht mehr mit dem Widerspruch angefochten werden. Vielmehr muss sich der Betroffene zur Vermeidung der Bestandskraft der Entscheidung sogleich mittels Klageantrag an das zuständige Verwaltungsgericht wenden.

Welche Konsequenzen hat dies für Rechtssuchende?

Sofern das Widerspruchsverfahren keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, etwa in Fällen in denen die Widerspruchsbehörde dem Widerspruch ohnehin nicht abgeholfen hätte, führt dies zu einer zeitlichen Verkürzung. Der Rechtssuchende kann sogleich das Verwaltungsgericht anrufen und braucht das mitunter langwierige Widerspruchsverfahren nicht abzuwarten. Soweit sich der Rechtssuchende anwaltlich vertreten lässt, spart er zudem auch die Anwaltsvergütung für die Vertretung im Widerspruchsverfahren. Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber hat die weitgehende Abschaffung insbesondere damit begründet, dass im Widerspruchsverfahren den Widersprüchen zum ganz überwiegenden Teil nicht abgeholfen wird.

Die negative Seite für den Betroffenen ist jedoch, dass der Anwalt nicht mehr auf die unmittelbare Verhandlung mit der Ausgangsbehörde und der Widerspruchsbehörde gezwungen wird. Die anwaltliche Erfahrung zeigt, dass hier oftmals entsprechende konstruktive Lösungen mit den Beteiligten erreicht werden konnten, ohne die Rechtsmittel ausschöpfen zu müssen. Zudem konnte für das Widerspruchsverfahren die Vergütungsvereinbarung frei verhandelt werden - oftmals auch im Interesse des Rechtssuchenden. Demgegenüber muss der Anwalt für das verwaltungsgerichtliche Verfahen nunmehr die nach der Rechtsanwaltsvergütungsordnugn (RVG) vorgesehenen Gebühren in Rechnung stellen.

Angesichts der begrenzten Möglichkeiten einer Berufung gegen das erstinstanzliche verwaltungsgerichtliche Urteil (die Berufung muss zugelassen werden) sollte der Rechtssuchende spätestens nach Erhalt eines entsprechenden negativen Bescheides die Beratung eines Anwalts in Anspruch nehmen. Fehler im verwaltungsgerichtichen Verfahren lassen sich mitunter nicht "reparieren". Mitunter kann es besonders sinnvoll sein, sich bereits im Verfahren auf Erteilung eines Verwaltungsaktes (also vor dem Bescheid) anwaltlich beraten und vertreten zu lassen. Angesichts der langen Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren können so schon im Verwaltungsverfahren die Rechte des Antragstellers gewahrt werden. Die hier entstehenden Anwaltsgebühren werden zum Teil auf ein folgendes gerichtiches Verfahren angerechnet.

Ob und wieweit sich die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in NRW bewähren wird, muss sich erst noch zeigen.