Rechtswörterbuch

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Berufung

 Normen 

§§ 124 - 130b VwGO

§ 312 StPO

§ 143 SGG

§ 64 ArbGG

 Information 

1. Im Strafprozess

1.1 Allgemein

Die Berufung ist statthaft gegen Urteile des Strafrichters und des Schöffengerichts, das Berufungsgericht ist die kleine / große Strafkammer des Landgerichts. Erstinstanzliche Urteile des Landgerichts sind nicht mit der Berufung anfechtbar.

Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt eine Woche, beginnend mit der Verkündung des Urteils, wenn der Angeklagte anwesend ist, ansonsten mit der Zustellung. Die Begründung ist binnen einer weiteren Woche einzureichen, die mit dem Ende der Berufungsfrist beginnt.

Abweichend vom Zivilprozess ist die Berufung bei dem Gericht des ersten Rechtszuges einzureichen.

1.2 Fehlen des Angeklagten in der Berufungsverhandlung

Der § 329 StPO wurde zum 25.07.2015 neu gefasst: Danach kann eine Berufung des Angeklagten nicht mehr verworfen werden, wenn zu Beginn der Berufungshauptverhandlung ein vom Angeklagten mit schriftlicher Vertretungsvollmacht versehener Strafverteidiger für diesen erscheint.

Erscheint weder der Angeklagte noch ein Strafverteidiger mit schriftlicher Vertretungsvollmacht, ist das Gericht verpflichtet, eine Berufung des Angeklagten ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil zu verwerfen, wenn das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt ist.

Um der Verwerfungsfolge zu entgehen, muss sich ein ausgebliebener Angeklagter, der nicht persönlich erscheinen will, durch einen Strafverteidiger vertreten lassen. Vertreter des ausgebliebenen Angeklagten kann nicht jeder Dritte sein, auch nicht ein als Beistand in der Berufungshauptverhandlung zugelassener Ehegatte, Lebenspartner oder gesetzliche Vertreter eines Angeklagten oder ein durch das Gericht bestellter Beistand für einen jugendlichen Angeklagten.

Erscheint umgekehrt der Angeklagte, nicht aber der Pflichtverteidiger, gilt § 145 StPO, wonach der Vorsitzende dem Angeklagten sogleich einen anderen Verteidiger zu bestellen hat oder das Gericht eine Aussetzung der Verhandlung beschließen kann. Ein Verteidiger ohne eine Vertretungsvollmacht könnte zwar auch an der Berufungshauptverhandlung mitwirken, in der der Angeklagte nicht anwesend ist. Auf sein Erscheinen abzustellen, wäre jedoch nicht sinnvoll, weil er weder zum Verfahren gehörende Erklärungen mit bindender Wirkung für den Angeklagten abgeben noch entgegen nehmen könnte.

Die Vollmacht bedarf eines Nachweises gegenüber dem Gericht. Der neu gewählte Begriff des "Verteidigers mit schriftlicher Vertretungsvollmacht" ist dabei inhaltlich gleichbedeutend mit der bisherigen Wendung "mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidigers" in den vorgenannten Vorschriften. Die schriftliche Vollmacht kann nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/3562) in derselben Urkunde wie die Verteidigungsvollmacht enthalten sein. Sie kann durch den Angeklagten auch zu Protokoll erklärt oder sich aus einer schriftlichen Erklärungen des Angeklagten gegenüber dem Gericht ergeben. Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn die Vollmacht aufgrund einer mündlichen Ermächtigung durch den Angeklagten von dem zu bevollmächtigten Verteidiger selbst unterzeichnet wird.

2. Im Verwaltungsprozess

2.1 Allgemein

Die Berufung im Verwaltungsrecht ist gemäß § 124 VwGO zulässig gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 VwGO und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109, 111 VwGO des Verwaltungsgerichts.

Voraussetzung ist, dass sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird (sogenannte Zulassungsberufung).

2.2 Zulassung der Berufung

Gemäß § 124a VwGO bestehen zwei Möglichkeiten zur Zulassung der Berufung:

  1. a)

    Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung zu bei Vorliegen der in § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO aufgeführten Gründe.

  2. b)

    In den anderen Fällen ist die Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 4 VwGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht zu beantragen.

    Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt.

    Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe darzulegen, aufgrund derer die Berufung zuzulassen ist. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils. Wird die Berufung vom OVG abgelehnt, wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

    Legt eine rechtsanwaltlich vertretene Partei gegen das Urteil eines Verwaltungsgerichts Berufung ein, so kann diese Prozesserklärung in einen Antrag auf Zulassung der Berufung umzudeuten sein, wenn der Antrag noch innerhalb der Frist gestellt worden ist (BVerwG 27.08.2008 - 6 C 32/07).

2.3 Begründung der Berufung

Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung ist die Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden.

Die Begründung der Berufung muss gemäß § 124a Abs. 6 VwGO in einem gesonderten Schriftsatz eingereicht werden und darf nicht bereits in dem Berufungsantrag enthalten sein (BVerwG 07.01.2008 - 1 C 27/06).

Der Rechtsmittelführer darf dabei nicht darauf vertrauen, dass seinem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründung stattgegeben wird (BVerwG 25.07.2008 - 3 B 69/08).

Hinweis:

Nach der Entscheidung des BGH (BGH 05.06.2012 - VI ZB 16/12) ist der Prozessbevollmächtigte nicht verpflichtet, sich vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist über eine Verlängerung dieser Frist durch Nachfrage bei Gericht zu vergewissern.

3. Im Arbeitsgerichtsprozess

Die arbeitsgerichtliche Berufung ist gemäß § 64 ArbGG statthaft gegen Urteile der Arbeitsgerichte, sofern nicht gemäß § 78 ArbGG das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist.

Voraussetzungen der Berufung sind:

  • Die Berufung ist in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen.

  • Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600,00 EUR.

  • Es handelt sich um eine Rechtsstreitigkeit über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder

  • es handelt sich um ein Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, sofern die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

Des Weiteren sind in § 64 Abs. 3 ArbGG die Fälle aufgeführt, in denen die Berufung immer zuzulassen ist.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats einzulegen, sie ist innerhalb von zwei Monaten zu begründen. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des Urteils. Die Berufungsbegründungsfrist kann auf Antrag verlängert werden.

4. Im Sozialgerichtprozess

Die sozialgerichtliche Berufung ist grundsätzlich statthaft gegen Urteile eines Sozialgerichts.

Die Berufung bedarf der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage auf eine Geld- oder Sachleistung 500,00 EUR nicht übersteigt oder bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 5.000,00 EUR nicht übersteigt, es sei denn die Berufung betrifft wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr.

Die Berufung ist zuzulassen, wenn die Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung hat, das Urteil von einer höherinstanzlichen Rechtsprechung abweicht oder ein Verfahrensmangel vorliegt.

 Siehe auch 

Berufung - Zivilprozess

Rechtsmittelverzicht

BVerwG 14.11.2007 - BVerwG 4 B 30/07 (Zulässigkeit der Anschlussberufung nach Ablehung des Zulassungsantrags)

BGH 03.05.1996 - LwZR 9/95

BGH 21.12.1995 - VII ZB 17/95

BGH 22.05.1984 - III ZB 9/84

BGH 18.02.1981 - IVb ZB 505/81

BGH 14.05.1981 - VI ZB 39/80

Burhoff/Kotz: Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe; 1. Auflage 2013

Gaier: Klageänderung bei Berufungseinlegung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2001, 3289

Gärditz: VwGO. Kommentar; 1. Auflage 2013

Hegmann: Zuständigkeitsänderung im strafgerichtlichen Berufungsverfahren; Neue Zeitschrift für Strafrecht - NStZ 2000, 574

Jauernig: Die "Beschwer" mit der neuen Berufung: § 511 II Nr. 1 ZPO; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2001, 3027

Kummer: Schriftsatzmuster für das verwaltungsgerichtliche Verfahren; 1. Auflage 2012

Niesler: Die Berufung im Verwaltungsprozess; Juristische Schulung - JuS 2007, 728

Rimmelspacher: Die Berufungsgründe im reformierten Zivilprozess; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2002, 1897

Stock: Berufungszulassung und Rechtsmittelbelehrung im arbeitsgerichtlichen Urteil; Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht - NZA 2001, 481