Scheinselbstständigkeit - Aushilfsfahrer einer Spedition – Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen Verdacht auf Vorenthalten von Arbeitsentgelt

Soziales und Sozialversicherung
13.05.2012714 Mal gelesen
Das Tranportgewerbe ist anfällig für Scheinselbstständigkeit. Aushilfsfahrer als Subunternehmer ohne eigenes Fahrzeug werden oft als Angestellte angesehen. Der Auftraggeber riskiert Nachforderungen bei Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer. U.U. droht sogar ein Strafverfahren (§ 266a StGB).

Gefährlich kann es für Auftraggeber werden, wenn die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren losgelöst von den Verfahren der Sozialversicherungsträger und der Sozialgerichte betrieben werden und ein Eigenleben entwickeln. Im Extremfall drohen einander widersprechende Ergebnisse, d.h. der Arbeitgeber kann für das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen bestraft werden, die Sozialbehörden oder Sozialgerichte stellen aber später fest, dass eine beitragspflichtige Beschäftigung gar nicht vorlag.Zwar gibt es rechtskräftige Entscheidungen einiger Landessozialgerichte, in denen Aushilfsfahrer ohne eigenes Fahrzeug als abhängig Beschäftigte angesehen wurden. Diese Entscheidungen lassen sich jedoch nicht ohne weiteres verallgemeinern. Denn die Sozialgerichte gehen grundsätzlich davon aus, dass Aushilfsfahrten in beiden Formen, also sowohl selbstständig als auch abhängig beschäftigt durchgeführt werden können. Entscheidend ist immer eine Gesamtwürdigung des EInzelfalles.

Das Hauptziel der Verteidigung in solchen Strafverfahren muss deshalb sein, die Staatsanwaltschaft bzw. den Strafrichter zu einer Einstellung des Verfahrens oder zumindest zu einer Aussetzung der Ermittlungen zu bewegen, damit die Fachbehörden eine verbindliche Klärung vornehmen können.  

Als Beispiel einer erfolgreichen Verteidigung kann der folgende Fall dienen, in dem die Staatsanwaltschaft Göttingen mit Bescheid vom 26.04.2012 ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Geschäftsführerin eines Transportunternehmens eingestellt hat:

Das Transportunternehmen, welches mehrere Dutzend Fahrzeuge unterhält und grundsätzlich nur mit festangestellten Fahrern arbeitet, hatte zwischen 2007 und 2011 wiederholt einen Aushilfsfahrer beauftragt, der auf eigenen Wunsch selbständig tätig sein wollte. Dieser Fahrer hatte eine versicherungspflichtige Hauptbeschäftigung. Im Rahmen einer Nebentätigkeit führte er für diverse Speditionen Aushilfsfahrten durch. Ferner betrieb er noch einen Service für Hausmeisterdienste und Grundstückspflege. Hierfür hatte er ein eigenes Gewerbe angemeldet.

Im Zuge eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen eine andere Spedition wurde er als Zeuge vernommen. Dabei wies er auch auf die weiteren Aushilfsfahrten hin. Das Hauptzollamt (Finanzkontrolle Schwarzarbeit, FKS) leitete daraufhin ein neues Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Scheinselbständigkeit ein und gab den Vorgang an die Staatsanwaltschaft weiter. Obwohl das Begleitschreiben keinerlei Hinweise darauf enthielt, dass noch weitere Fahrer als Scheinselbstständige beschäftigt wurden, beantragte die Staatsanwaltschaft, ohne allerdings den Verdacht auf konkrete Anhaltspunkte stützen zu können, eine Durchsuchung der Geschäftsräume der Spedition sowie der Wohnräume der Geschäftsführerin, um Informationen über weitere Scheinselbständige zu gewinnen. Die Durchsuchung blieb jedoch ergebnislos. Im Rahmen der Verteidigung wurde argumentiert, dass die sozialversicherungsrechtliche Bewertung der Aushilfsfahrten rechtlich schwierig sei und vieles für eine Selbstständigkeit des Aushilfsfahrers spreche. Deshalb müsse zunächst eine Entscheidung der Sozialgerichte abgewartet werden. Vorsorglich wurde ein Antrag auf Aussetzung des Ermittlungsverfahrens gestellt, um die vorrangig gebotene Klärung durch die Sozialgerichte herbeiführen zu können.

Die Staatsanwaltschaft stellte daraufhin das Verfahren ein.

Schriftsatz an die StA Göttingen

Einstellungsmitteilung vom 26.04.2012

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