"Das machen wir doch ganz unbürokratisch!" Wollen Sie sich das antun?

Reise und Verbraucherschutz
22.10.20101168 Mal gelesen
"Ich will nicht wissen, was das Beste für Euch ist. Ich will wissen, was das Beste für mich ist." So ähnlich lautet der Slogan eines großen Versicherers in der TV-Reklame. Das Schadensmangement, bei dem der Geschädigte direkt ohne eigenen Anwalt die gegnerische Haftpflichtversicherung kontaktiert und unbürokratisch "kulant" abgefunden werden soll, ist Teil dieses kundenorientierten Selbstverständnisses der Haftpflichtversicherer. Mit Schaudern liest man immer wieder den Schriftwechsel, den Geschädigte ohne Anwalt mit den gegnerischen Haftpflichtversicherungen führen.

Eine junge Frau war verunfallt, hatte keine Rechtsschutzversicherung und versuchte wohl deshalb. ohne Anwalt zu ihrem Recht zu kommen.

Die Bearbeitung zog sich hin, denn es mußte der Abschluss der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Körperverletzung gewartet werden. Es dauerte 5 Monate, bis das Ermittlungsverfahren eingestellt wurde. Erst dann konnte die gegnerische Versicherung Akteneinsicht nehmen. Da die Geschädigte keinen Anwalt beauftragt hatte, erfolgte auf deren Seite zunächst keine Akteneinsicht.

Wie in der Mehrzahl der Verkehrsunfälle mit Personenschaden stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren ein, weil "eine  strafbare Handlung nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachzuweisen" war. Im Bescheid an die Geschädigte hieß es:" Mit einer gerichtlichen Verurteilung des Beschuldigten ist bei der gegenwärtigen Beweislage nicht zu rechnen, mag auch weiterhin ein gewisser Tatverdacht bestehen."

Strafrechtlich wurde der Fahrer also nicht der Körperverletzung angeklagt, weil ihm nicht nachgewisen werden konnte, diese verursacht zu haben.

Die Schuld am Unfall, also die Haftungsfrage, war somit überhaupt nicht untersucht.

Die Geschädigte erkannte dies und schrieb erneut an den Haftpflichtversicherer. Dieser gab vor, sich "eingehend mit der Haftungsfrage" beschäftigt zu haben. Er verwies auf Zeugen, welche die alleinige Verursachung des Unfalls durch die Geschädigte belegen könnten demgemäß habe auch die Staatsanwaltschaft in Ihrer Einstellungsverfügung ausgeführt, dass der Kunde der Versicherung "keine Möglichkeit zur Unfallabwendung hatte."

Dabei hatte die Staatsanwaltschaft dies keinesfalls so geschrieben. In der Verfügung war vielmehr beklagt worden, dass trotz eines weiterhin bestehenden gewissen Tatverdachtes die erforderlichen Belege nicht zu erlangen gewesen seien. "Mit einer gerichtlichen Verurteilung des Beschuldigten ist bei der gegenwärtigen Beweislage nicht zu rechnen."

Es handelte sich also lediglich darum, dass die Straftat nicht nachgewisen werden konnte. Ausdrücklich wurde im Schreiben der Staatsanwaltschaft darauf hingewisen, dass die zivilrechtlichen Ansprüche der Geschädigten (Schadenersatz, Schmerzensgeld, Haushaltsschaden) durch den Bescheid nicht berührt werden.

Vorab: Dieser Fall ist noch nicht abgeschlossen. Es wird sich zeigen, wie Haftungslage und Schadenersatz zu klären sind.

Aber:

Es handelt sich meiner Einschätzung um einen typischen Fall, in dem die Informationsasymmetrie zwischen verkehrsrechtlichem Laien und "Profi"-Sachbearbeiter der Haftpflichtversicherung dazu genutzt werden sollte, eine Geschädigte von der weiteren Verfolgung ihrer Ansprüche abzubringen.

Es ist fast verwunderlich, dass die 19-jährige Geschädigte nach diesem Briefwechsel doch noch den Mut fand, für ihr Recht einzutreten und sich dann einen Fachanwalt für Verkehrsrecht suchte.

Schließlich hatte der kundenorientierte "Profi" von der Versicherung alles durch vermeintliche Zeugenaussagen abgesichert und das Schreiben der Staatsanwaltschaft hinreichend uminterpretiert.

Was heißt das für Sie?

-  Nach meiner Erfahrung gibt es für Sie - wenn Sie rechtschutzversichert sind - überhaupt keinen Grund, sich dem Schadensmanagement einer Versicherung ohne Fachanwalt für Verkehrsrecht auszuliefern.

- Wenn Sie nicht rechtschutzversichert sind und kein großer Schaden entstanden ist, können Sie versuchen auf Kulanz etwas bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung herauszuholen. Die freut sich dann, dass Sie wenigstens nicht Ihren Rechtsanwalt bezahlen muss. Dieser Weg kann dann auch recht schnell zu einer kleinen Entschädigung führen.

- Wenn ein erheblicherSchaden vorliegt, hilft Ihnen die anwaltlliche Vertretung schon allein, um nicht wie im beschrieben Fall plötzlich zu "100% schuld" zu sein. Denn Akteneinsicht können Sie selbst nicht nehmen und gerade die verkehrsrechtliche Rechtsprechung zur Haftung bei Verkehrsunfällen äußerst komplex. Zudem habe ich noch nie von einer Beratung durch das Schadensmanagement  über Schmerzensgeld und Haushaltsschaden gehört.

- Die Akteneinsicht, welche in diesem Fall erst nach ca. 5 Monaten möglich war, hätte auch mit Anwalt genauso lange gedauert. Für Sie heißt das: Bei unklarer Haftung gibt es vor Einsichtnahme in die Ermittlungsakte durch die Versicherung kaum Geld, allenfalls einen Vorschuss. Nutzen Sie die Zeit, Ihre Ansprüche zu dokumentieren (Beschwerdetagebuch, Erwerbsschaden, Haushaltsführungsschaden, Belege sammeln etc.).

(Die Versicherung, deren Slogan oben zitiert wurde, ist nicht identisch mit dem hier kritisierten Versicherer)