Rechtlicher Ärger der Micaela Schäfer – Thema mangelnder Jugendschutz im Internet

Rechtlicher Ärger der Micaela Schäfer – Thema mangelnder Jugendschutz im Internet
06.03.2015241 Mal gelesen
Angeblich mangelnder Jugendschutz war bisher niemals ein Thema für Micaela Schäfer. Nun hat das Jahr 2015 für Micaela Schäfer nicht gut begonnen, es wird behauptet: es fehle am Jugendschutz auf ihrer Internetseite.

Frau Micaela Schäfer, 31, hat einen ungewöhnlichen Beruf als Nackt-Modell. Sie begleitet seit Jahren Events aller Art durch mehr oder minder originelle und frivole Auftritte.  Da gehört sie bereits zum Inventar der Stadt Berlin wie das Brandenburger Tor. Als Gesicht der jährlichen Erotik Messe "Venus", als Werbeträgerin, als DJ und als Buchautorin hat sie sich mit den deutschen Tugenden von Fleiß und Beharrlichkeit, Pünktlichkeit und Leistungswillen hochgearbeitet.  Niemand muss ihren Stil mögen, er ist dennoch nicht frivol, sondern nur gewagt. Seit der Antike sehen die Künstler den nackten menschlichen Körper als Spiegelbild göttlicher Ordnung. In der Geschichte der Aktdarstellung, die Nacktheit des puren Menschen, beschäftigt immer wieder die Frage, inwieweit der Mensch eine rückhaltlose und genaue künstlerische Selbstreflexion zulässt.  Frau Schäfer hat Nacktheit mutig zur Kunst erhoben. In Zeiten der Frauenbewegung wurde die Nacktheit sowohl als Ausdruck von Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung beurteilt, aber teils auch als verwerflich.  

Jugendschutz.net wacht amtlich über das Internet

Jugendschutz.net zuständig für Jugendschutz im Internet. Gemäß § 18 des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) ist diese durch die obersten Landesjugendbehörden eingerichtete Stelle dafür zuständig, im Internet über Jugendschutz zu wachen und über Verstöße die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zu informieren, die ihrerseits den Landesmedienanstalten berichtet, die dann im Außenverhältnis Verbote aussprechen können.

Ist Micaela Schäfers Internetauftritt pornografisch? - Was sagen deutsche Gerichte dazu?

jugendschutz.nethttp://jugendschutz.net/> meint nun, dass Frau Schäfer ein pornografischen Angebot abgibt, das Entwicklungsbeeinträchtigungen hervorrufen könne.

Oberste deutsche Gerichte haben längst bestimmt, wann die Darstellung Personen vorbehalten bleibt, die über 18 Jahre alt sind:  Pornografie ist, "wenn sie unter Hintansetzung sonstiger menschlicher Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher, anreißerischer Weise in den Vordergrund rücken und ausschließlich oder überwiegend auf die Erregung sexueller Reize abzielen" (Bundesverwaltungsgericht, NJW 2002, 2966 [2969]). Der Mensch muss also durch die Vergröberung des Sexuellen derart "auf ein physiologisches Reiz-Reaktions-Wesen reduziert" werden, dass er "zum bloßen (auswechselbaren) Objekt geschlechtlicher Begierde degradiert wird" (Oberlandesgericht Düsseldorf, NJW 1974, 1475).

Trifft diese Definition hierbei zu? Kann von so einer "eigenen Entmenschlichung" von Micaela Schäfer auf ihren eigenen Seiten überhaupt Rede sein? Oder trägt die Betroffene ihren Körper nicht eher selbstbewusst zur Schau? Die Annahme eines pornografischen Angebots rechtlich nicht gegeben und daher völlig haltlos. Somit also keine Pornografie, sondern so harmlos wie Bilder im Playboy?

Wie wäre die Rechtslage bei Pornografie?

Der Konsum von Pornografie ist in Deutschland Personen über 18 Jahren vorbehalten. Der Anbieter muss gegen Strafandrohung sicherstellen, dass ein Zugriff für Jugendliche und Kinder nicht möglich ist. An der Kinokasse oder im Zeitschriftenladen muss sich der Verkäufer daher ggf. den Ausweis zeigen lassen. Bei Angeboten im Internet verlangt die Rechtsordnung eine wirksame Zugriffschranke für die Nutzer. Eine solche Schranke ist nur gegeben, falls z.B. via Webcam das Alter des Nutzers geprüft wird. Ein anderer Weg ist das Identifikationsverfahren über eine Poststation (Post-Id-Verfahren). Nicht ausreichend sind Kreditkarten oder ein Button mit der Aufschrift "ich bin über 18 Jahre alt!"

Harte Pornografie ist immer verboten - Harte Pornografie ist in Deutschland verboten; hierzu zählen sexuelle Handlungen mit Tieren, Personen unter 18 Jahren sowie Gewaltdarstellungen.

Faktische Rechtlosigkeit 2015 - Der eigentliche Skandal

Vermutungen werden bestätigt, dass die Hälfte aller Internetnutzungen einen pornographischen Inhalt hat. Wie kann das sein? Hierzu werden ausländische Server und Datenleitungen genutzt. Das bedeutet in der Praxis, dass über ausländische Server und internationale Datenleitungen sich jedes deutsche Schulkind schlimmste Gewaltpornographie auf sein Mobiltelefon laden kann. In der Realität ist es für jedermann möglich die zugänglichen Erotikseiten im Internet mit deutlich härterem Material, als die Nacktheit von Frau Schäfer, anzuschauen, nachdem nur die Frage "Sind Sie schon 18 - ja oder nein?" beantwortet werden musste. Ohne jede ernsthafte  Kontrolle der Identität und des Alters.

Daher scheint es doch wohl eher grotesk, dass die zuständigen deutschen Stellen nichts Besseres zu tun haben, als über ein Scheinproblem wie die Nacktheit von Frau Schäfer zu sprechen und wirkungsvolle Zugangssperren zu verlangen. Dieses zweierlei Maß und damit die eigentlichen Gefahren für Jugendliche im Internet bestehen aktuell, können oder wollen Behörden und Politik diese nicht sehen?

Jugendschutz versagt vollkommen?

Die deutsche Behörde sieht sich nicht zuständig für ausländische Angebote und kümmert sich daher nur um deutsche Internetseiten. Reiht sich damit ein weiteres Kapitel zum Behördenirrsinn ein? Erfinderreichtum, Forschung und Technologie in vielen Bereichen bieten wirkungsvollen Schutz und sorgen für ein sicheres gesellschaftliches Leben, da wird der deutsche Erfindergeist doch auch Internet und Jugendschutz weltweit sicherer machen können.

Zu den einschlägigen Rechtsnormen

Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien
(Jugendmedienschutz-Staatsvertrag - JMStV)

10. September 2002

§ 4 Unzulässige Angebote

(2) 1Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote ferner unzulässig, wenn sie

1.in sonstiger Weise pornografisch sind,

[.]

2In Telemedien sind Angebote abweichend von Satz 1 zulässig, wenn von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden (geschlossene Benutzergruppe).

§ 5 Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote

§ 16 Zuständigkeit der KJM

1Die KJM ist zuständig für die abschließende Beurteilung von Angeboten nach diesem Staatsvertrag. 2Sie ist unbeschadet der Befugnisse von anerkannten Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle nach diesem Staatsvertrag im Rahmen des Satzes 1 insbesondere zuständig für

1.die Überwachung der Bestimmungen dieses Staatsvertrages,

[.]

8.die Entscheidung über Ordnungswidrigkeiten nach diesem Staatsvertrag.

§ 18 "jugendschutz.net"

  (1) 1Die durch die obersten Landesjugendbehörden eingerichtete gemeinsame Stelle Jugendschutz aller Länder ("jugendschutz.net") ist organisatorisch an die KJM angebunden. 2Die Stelle "jugendschutz.net" wird von den Landesmedienanstalten und den Ländern bis zum 31. Dezember 2012 gemeinsam finanziert. 3Die näheren Einzelheiten der Finanzierung dieser Stelle durch die Länder legen die für den Jugendschutz zuständigen Minister der Länder in einem Statut durch Beschluss fest. 4Das Statut regelt auch die fachliche und haushaltsmäßige Unabhängigkeit der Stelle.

  (2) "jugendschutz.net" unterstützt die KJM und die obersten Landesjugendbehörden bei deren Aufgaben.

  (3) 1"jugendschutz.net" überprüft die Angebote der Telemedien. 2Daneben nimmt "jugendschutz.net" auch Aufgaben der Beratung und Schulung bei Telemedien wahr.

  (4) Bei Verstößen gegen Bestimmungen dieses Staatsvertrages weist "jugendschutz.net" den Anbieter hierauf hin und informiert die anerkannten Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle und die KJM hierüber.

§ 24 Ordnungswidrigkeiten

  (1) Ordnungswidrig handelt, wer als Anbieter vorsätzlich oder fahrlässig

[.]

2.entgegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 Angebote verbreitet oder zugänglich macht, die in sonstiger Weise pornografisch sind,

[.]

4.entgegen § 5 Abs. 1 Angebote verbreitet oder zugänglich macht, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, ohne dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen sie üblicherweise nicht wahrnehmen,

[.]

(3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 500 000 Euro geahndet werden.

Der Verfasser ist für den Inhalt verantwortlich.


Pressekontakt/ViSdP:

Dr. Schulte und Partner Rechtsanwälte mbB
vertreten durch die Partner
Dr. Thomas Schulte, Dr. Sven Tintemann, Kim Oliver Klevenhagen
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