BGH: Provider darf nicht ohne Weiteres die IP-Adresse seiner Kunden speichern

Internet, IT und Telekommunikation
10.02.2011986 Mal gelesen
Der Bundesgerichtshof hat in einem Grundsatzurteil entschieden, dass ein Provider nicht nach eigenem Gutdünken die dynamischen IP-Adressen seiner Kunden speichern darf. Vielmehr ist das nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Dieses Urteil ist auch für Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen von großer Bedeutung.

Im zugrundeliegenden Fall hatte ein Kunde bei seinem Provider einen DSL-Anschluss zu einem Flat-Tarif vereinbart. Er zahlte eine Vergütung, die hinsichtlich der Einwahl ins Internet unabhängig von der Zeitdauer und von der Datenmenge berechnet wurde. Allerdings konnte er auch einige zusätzliche Dienstleistungen nutzen, für die ein zusätzliches Entgelt berechnet wurde. Für die Einwahl ins Internet wurde dem Kunden für die Dauer der Verbindung eine dynamische IP-Adresse zugewiesen. Diese wurde über einen Zeitraum von 80 Tagen gespeichert.

Hiermit war der Kunde jedoch nicht einverstanden. Er verlangte von seinem Provider, dass er die IP-Adresse nach dem Ende der jeweiligen Sitzung sofort löscht. Dieser weigerte sich jedoch. Er vertrat den Standpunkt, dass er die IP-Adresse des Anschlussinhabers vorübergehend speichern dürfe. 

Hierzu entschied das Landgericht Darmstadt, dass der Provider die IP-Adresse des Kunden nach sieben Tagen löschen muss. Dies reichte dem Kunden aber nicht. Er verfolgte sein Begehren weiter und legte Berufung beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main ein. Hiermit hatte er erst einmal keinen Erfolg. Die Richter stützten sich in ihrer Begründung vor allem darauf, dass die IP-Adresse angeblich so lange zur Erstellung der Abrechnung benötigt werde. Wenn dem Kunden das missfalle müsse er nachweisen, dass dies schneller möglich sei. Darüber hinaus sei eine Speicherung auch möglich, soweit dies zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von Störungen oder Fehlern der TK-Anlage erforderlich sei. Nach dem derzeitigen Stand der Technik könnte der Provider diesen Aufgaben bei einer sofortigen Löschung der IP-Adresse nicht nachkommen.

Hiermit gab der Kunde sich nicht zufrieden und legte Revision beim Bundesgerichtshof ein. 

Die Richter des Bundesgerichtshofes waren von der Begründung der Vorinstanz nicht überzeugt und hoben die Entscheidung mit Urteil vom 13.01.2011 auf (Az. III ZR 146/10). Hierzu stellen sie klar, dass der Provider nicht ohne Weiteres zu einer Speicherung der IP-Adresse nach der Beendigung der Internetverbindung berechtigt ist. Diese kommt nach dem Telekommunikationsgesetz nur infrage, wenn die Speicherung nach § 100 Abs. 1 TKG zur Beseitigung einer Störung oder eines Fehlers an einer Telekommunikationsanlage erforderlich ist oder nach § 97 Abs. 1 TKG zur Erstellung der Abrechnung benötigt wird. Hierbei darf sich das Gericht nicht auf die Einschätzung des Providers verlassen sondern muss selbst nachprüfen, ob die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

Sicherheitstechnische Gesichtspunkte wie Spam-Mails und Spionageprogramme können zwar eine Speicherung der IP-Adresse von sieben Tagen rechtfertigen, wenn noch keine konkreten Anzeichen für eine Störung vorliegen. Es muss jedoch vom Provider aufgezeigt werden, dass die Speicherung geeignet, erforderlich und im engeren Sinn verhältnismäßig ist, um abstrakten Gefahren für die Funktionstüchtigkeit des Telekommunikationsbetriebs entgegenzuwirken. Aus dem vorliegenden Sachverständigengutachten ergibt sich jedoch nur, dass eine Speicherung zu diesem Zweck geeignet gewesen ist. Die Erforderlichkeit ist nicht festgestellt worden. 

Ebenso wenig ist der Nachweis erbracht worden, dass die Speicherung der Daten wirklich zum Erstellen der Abrechnung benötigt werden. Diesbezüglich stellen die Richter fest, dass die Vorinstanz nicht ohne Anhörung eines Sachverständigen von der Erforderlichkeit ausgehen durfte. Denn hier handelt es sich um sehr komplexe technische Fragestellungen.

Der Bundesgerichtshof hat die Sache an die Vorinstanz zurück verwiesen, damit diese die versäumten Feststellungen nachholt. 

Dieses Urteil ist zu begrüßen, weil die Provider sich hier für die Speicherung der IP-Adresse rechtfertigen müssen und dabei der Kontrolle durch unabhängige Gerichte unterliegen. Die Speicherung der IP-Adresse eröffnet zahlreiche Missbrauchsmöglichkeiten. Diese Entscheidung ist auch für Filesharing-Fälle bedeutsam, in denen der Rechtsinhaber die IP-Adresse des Anschlussinhabers wegen einer Urheberrechtsverletzung in einer Tauschbörse ermittelt hat. Die Provider dürfen hier nicht damit argumentieren, dass sie die IP-Adresse wegen dem Auskunftsanspruch der Musikindustrie längere Zeit speichern dürfen.

Der vollständige Text dieser Entscheidung kann hier abgerufen werden.