Arbeitnehmeranteil der Sozialversicherungsbeiträge bei Insolvenzreife

Abgabe der Sozialversicherungsbeiträge bei drohender Insolvenz - 2023
28.04.2023207 Mal gelesen
Insolvenzreife & Sozialversicherungsbeiträge: Haftung vermeiden, Arbeitgeber-Tipps & Rechtsprechung: Sozialversicherungsbeiträge bei Insolvenzreife: Update 2023

Wie können Arbeitgeber in der Insolvenzreife vermeiden, wegen § 266a Abs. 1 StGB strafbar zu werden?

In Krisenzeiten müssen Unternehmen oft entscheiden, ob sie die Sozialversicherungsbeiträge ihrer Mitarbeiter oder andere Verbindlichkeiten priorisieren sollen. Die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge ist gesetzlich vorgeschrieben, und ein Verstoß kann mit einer Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet werden. Gleichzeitig müssen Unternehmen im Insolvenzverfahren die Gläubiger gleich behandeln und die Insolvenzmasse sichern. Dies stellt Arbeitgeber vor ein Dilemma, da sie sich einerseits strafbar und andererseits schadensersatzpflichtig machen.

 

Strafbarkeit oder Schadensersatz - Welche Zahlungen sind prioritär?

Unternehmen in der Krise fragen sich oft, ob sie die Sozialversicherungsbeiträge ihrer Mitarbeiter oder andere Verbindlichkeiten priorisieren sollen. Ein Verstoß gegen die gesetzliche Verpflichtung, die Sozialversicherungsbeiträge abzuführen, kann nach § 266a Abs. 1 StGB mit einer Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet werden. Gleichzeitig müssen Unternehmen im Insolvenzverfahren die Gläubiger gleich behandeln und die Insolvenzmasse sichern. Dies stellt Arbeitgeber vor ein Dilemma, da sie sich einerseits strafbar und andererseits schadensersatzpflichtig machen.

 

Bisherige Rechtsprechung und Einführung des § 15b InsO

Für einen bestimmten Zeitraum hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in der Insolvenz als verantwortungsvolle und umsichtige Geschäftsführung gilt. Dies bedeutet, dass keine Ausgleichspflicht nach § 64 I Abs. 2 GmbHG a.F. besteht (BGH, NJW 2007, 2118). Nach dieser Rechtsprechung hätte die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen bis zum Ablauf der Insolvenzantragsfrist von drei bzw. sechs Wochen Vorrang vor der Massesicherung. Ein Geschäftsführer, der solche Zahlungen leistet, kann daher nicht wegen Verletzung der Massesicherungspflicht in Anspruch genommen werden.



Neue Rechtslage: Keine Regelung hinsichtlich der Sozialversicherungsbeitragspflicht?
 

Durch das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz wurden die Haftungsbestimmungen für Geschäftsführer vereinheitlicht, die zuvor in verschiedenen Gesetzen für unterschiedliche Rechtsformen geregelt waren. Obwohl § 15b Abs. 8 InsO ausdrücklich nur die Haftung für steuerrechtliche Zahlungspflichten zwischen Antragstellung und Verfahrenseröffnung regelt, muss der Geschäftsführer nach der Antragstellung seine Handlungen auf die Erfüllung der Massesicherungspflicht ausrichten. Wenn der Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt wird, haftet der Geschäftsführer nicht persönlich gegenüber dem Finanzamt, wenn er seine Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht erfüllen kann. Allerdings kann er nach der Antragstellung keine Haftungsprivilegierung mehr beanspruchen.

 

Es existiert kein expliziter Passus im aktuellen Gesetz, der die Handhabung von Pflichtenkollisionen im Zusammenhang mit der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen regelt. Es blieb zunächst unklar, ob dies im Gesetzgebungsverfahren versehentlich unterblieb oder bewusst vom Gesetzgeber so entschieden wurde. Eine mögliche Lösung wäre eine analoge Anwendung von § 15b InsO auf die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen, da dies zum Zeitpunkt der Insolvenzreife eine ähnliche Problematik aufwirft. Durch diese Regelung würde die persönliche Haftung gegenüber der Krankenkasse entfallen, wenn rechtzeitig Insolvenz angemeldet wird und die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht gezahlt werden. Demnach hätte die Massesicherung in der neuen Rechtslage Vorrang vor der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen.

 

 

Was bedeutet die Gesetzesänderung für Arbeitgeber in der Insolvenzkrise?

Da die Rechtslage in Bezug auf die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in insolvenzrechtlichen Krisen noch nicht eindeutig geklärt ist, bleibt die zukünftige Rechtsprechung abzuwarten. Arbeitgeber sollten jedoch darauf achten, den Insolvenzantrag rechtzeitig zu stellen, um Haftungen gegenüber dem Insolvenzverwalter zu vermeiden. Wenn Zahlungen hinsichtlich der Krankenversicherung getätigt werden, sollte darauf geachtet werden, den Verwendungszweck entsprechend zu kennzeichnen. Im Zweifel sollte ein fachkundiger Anwalt konsultiert werden, um eventuelle Strafbarkeiten nach § 266a StGB zu vermeiden.

 

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Dieser Artikel ist stark vereinfacht und dient lediglich zu Informationszwecken. Eine individuelle Beratung durch einen Rechtsanwalt ist zu empfehlen!

 

Quellen

Schnell schnappt die Haftungsfalle zu (ihk-nuernberg.de)

Die Haftung des Geschäftsführers für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeträge (anwalt.de)

Insolvenz(reife) der GmbH: Haftung des Geschäftsführers für Sozialversicherungsbeiträge oder für Kapitalerhalt? (dittmann-hartmann.de)
Fehlende Sozialversicherungsbeiträge als Risiko einer Insolvenzverschleppung - Rechtsanwälte für Wirtschaftsstrafrecht (ecovis.com)

 

Originalartikel:

https://rechtsanwaltkaufmann.de/arbeitsrecht/arbeitgeber-sozialversicherungsbeitraege-insolvenzverfahren

 

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