Drastische Veränderungen beim Ehegattenunterhalt durch die Unterhaltsrechtsreform?

Familie und Ehescheidung
13.11.20071510 Mal gelesen


Die zum 01.01.2008 in Kraft tretende Reform des Unterhaltsrechts hat für viele Betroffene Unsicherheit hervor gerufen: In welchen Fällen wird sich etwas ändern, welche Verträge müssen angepasst werden?

Im Gesetzestext des Entwurfs überwiegend eindeutig geregelt sind die Veränderungen in sog. Mangelfällen, also in den Fällen, in denen derzeit Kindesunterhalt von unter 100 % des Regelbetrages der Düsseldorfer Tabelle neben dem Ehegattenunterhalt gezahlt wird. Hier wird sich der getrennt lebende oder geschiedene Ehegatte darauf einstellen müssen, dass sein Unterhaltsanspruch zugunsten der Kinder entfällt oder zumindest verringert wird.

Völlig unklar ist jedoch derzeit noch die Veränderung des Ehegattenunterhalts in den anderen Fällen. Der Entwurf sieht einen Unterhalt für die Betreuung gemeinsamer Kinder von mindestens drei Jahren vor. Allerdings soll sich die Dauer verlängern, "solange und soweit dies der Billigkeit entspricht", wobei "die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung" zu berücksichtigen sind. Auch soll über den Mindestzeitraum hinaus Unterhalt gezahlt werden, wenn dies "unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht".

Diese Formulierungen werfen zahlreiche offene Fragen auf: In der Regel ist die Fremdbetreuung durch Kita oder Kindergarten ab dem 4. Geburtstag des Kindes gesichert, so dass der betreuende Elternteil in Teilzeit wieder erwerbstätig werden kann. Hat er jedoch im Einvernehmen mit dem Ehepartner seine Erwerbstätigkeit zugunsten der "Familienarbeit" aufgegeben oder eingeschränkt, erfolgt eine Entscheidung nach Billigkeitskriterien, was bedeutet, dass die Gerichte je nach Einzelfall entscheiden werden. Ob grundsätzlich die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit erwartet werden kann und ab welchem Zeitpunkt eine Obliegenheit zur Vollzeittätigkeit besteht, ist also völlig unklar. Großes Konfliktpotential zwischen Elternteilen bietet auch die Anknüpfung an die individuellen Belange des Kindes: Unter welchen Voraussetzungen spricht das Kindeswohl gegen die Aufnahme einer Teilzeiterwerbstätigkeit?

Daneben ist nicht geklärt, wie die Fälle zu behandeln sind, in denen der kinderbetreuende oder haushaltsführende Ehegatte nach der Trennung oder Scheidungkeine Erwerbstätigkeit findet, die seiner Ausbildung oder früheren Tätigkeiten entspricht. Gehört dieses Risiko zu den ehebedingten Nachteilen, die der andere Ehegatte auszugleichen hat? Und ab welcher Ehedauer wird nicht mehr erwartet, dass der Unterhaltsberechtigte nach der Trennung für seinen eigenen Unterhalt sorgt? Der nacheheliche Unterhalt ist auf den angemessenen Lebensunterhalt herab zu setzen, wenn eine Orientierung an den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre. Es sollen nur noch berufliche Nachteile ausgeglichen werden, die durch die Haushaltsführung oder Kinderbetreuung entstanden sind; eine Teilhabe an dem ehelichen Lebensstandard als Garantie entfällt. Die Abgrenzung zwischen ehebedingten und solchen beruflichen Nachteilen, die durch die Arbeitsmarktlage verursacht sind, wird Schwierigkeiten bringen.

Es wird Aufgabe der Oberlandesgerichte werden, durch ihre Richtlinien zum Unterhalt die zahlreichen auslegungsbedürftigen Regelungen der Gesetzesreform zu konkretisieren. In der Vielzahl der Fälle wird es zwischen den getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten zu Unklarheiten kommen, ob und in welcher Form Verträge anzupassen oder gerichtliche Regelungen abzuändern sind; es bleibt zu hoffen, dass eine Klagewelle vermeidbar sein wird.

Verfasserin: Rechtsanwältin und Mediatorin Dr. Annette Wittmütz
13.11.2007