Anfechtbarkeit der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung

Beamtenrecht
19.08.202380 Mal gelesen
Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 14.01.2022 klargestellt, dass gegen eine Untersuchungsanordnung wirksamer Rechtsschutz möglich ist.

Mitunter geht die Rechtsprechung hin und her. Lange war im Beamtenrecht umstritten, ob die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung bei Zweifeln an der Dienstfähigkeit eines Beamten isoliert anfechtbar ist. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt (hoffentlich) endgültig Klarheit geschaffen. Wirksamer Rechtsschutz muss sichergestellt sein.

Die Dienstfähigkeit einer Beamtin oder eines Beamten darf durch ärztliche Untersuchung überprüft werden. Die Beamtengesetze des Bundes und der Länder enthalten dafür gesetzliche Grundlagen. Eine Untersuchungsanordnung greift jedoch in die persönliche Freiheit der Beamtin oder des Beamten ein. Untersuchungsanordnungen sind auch gar nicht so selten erkennbar rechtswidrig. Die Verwaltungsgerichtemussten sich  regelmäßig mit der Frage befassen, ob gegen eine Untersuchungsanordnung Widerspruch oder Anfechtungsklage statthaft sind. Die Entscheidungen waren nicht einheitlich. Das Bundesverwaltungsgericht hatte zuletzt mit Beschluss vom 14.03.2019  diese Frage ausdrücklich verneint. Die Untersuchungsanordnung sei eine behördliche Verfahrenshandlung und kein Verwaltungsakt. Behördliche Handlungen im Verlauf des Verfahrens sind regelmäßig nicht isoliert anfechtbar. Eine entsprechende Klage wäre unzulässig.

Siehe zu dieser Entscheidung: Dienstunfähigkeit: Ist die Anordnung einer (amts-)ärztlichen Untersuchung isoliert anfechtbar?

Diese Linie hat jetzt das Bundesverfassungsgericht durchkreuzt. In einem Beschluss vom 14.01.2022 wird festgestellt, dass das Grundgesetz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) effektiven Rechtsschutz gewährleistet. Wirksamer Rechtsschutz bedeute auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit. Insbesondere soll gerichtlicher Rechtsschutz in Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung vollendeter Tatsachen zuvorkommen, die sich bei endgültiger richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweisen, dann aber nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Rechtsschutz muss eine wirksame Kontrolle ermöglichen. Die Anfechtung einer Untersuchungsanordnung sei nicht missbräuchlich. Denn bei der Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Dienstfähigkeit eines Beamten im Rahmen eines Zurruhesetzungsverfahrens handele es sich im Unterschied zur Anordnung einer ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Untersuchung im Fahrerlaubnisrecht, die nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nicht isoliert angefochten werden können, nicht um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr, deren Zweck durch ein zusätzliches gerichtliches (Eil-)Verfahren vereitelt werden könnte.

Der Dienstherr müsse im Rahmen seiner Fürsorgepflicht bei seinen Entscheidungen die wohlverstandenen Interessen des Beamten in gebührender Weise berücksichtigen. Daraus folge auch die Pflicht, den Beamten nicht rechtswidrig zu einer amtsärztlichen Untersuchung anzuhalten. Darüber würden sich Beamtinnen und Beamte, die einer Untersuchungsanordnung nicht nachkommen, der Gefahr disziplinarrechtlicher Sanktionen aussetzen. Komme der Beamte einer Weisung nicht nach und erweise diese sich als rechtmäßig, begehe er ein Dienstvergehen. Allein die Möglichkeit einer disziplinarrechtlichen Sanktion mache es unzumutbar, die Untersuchungsanordnung nicht zu befolgen. Wolle sich der Beamte demnach rechtstreu verhalten und komme der Untersuchungsanordnung nach, weil er deren Rechtswidrigkeit nicht zweifelsfrei prognostizieren könne, sei ihm nachträglicher Rechtsschutz im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens nicht mehr möglich. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne das ärztliche Gutachten, wenn sich der betroffene Beamte der angeordneten Untersuchung unterzieht, auch dann verwendet werden, wenn sich die Aufforderung als solche bei der gerichtlichen Prüfung im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens als rechtswidrig erweist; das Untersuchungsergebnis ist also unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung verwertbar. Deshalb sei es geboten, dem Beamten rechtzeitig ausreichenden Rechtsschutz zu ermöglichen.

Bundesverfassungsgericht - B.v.14.01.2022 - 2 BvR1528/21

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