Arbeitsrecht Bonn: Bundesverfassungsgericht hebt BAG-Entscheidung auf: Kath. Krankenhaus darf Chefarzt nach dessen Wiederverheiratung kündigen

Arbeitsrecht Bonn: Bundesverfassungsgericht  hebt BAG-Entscheidung auf: Kath. Krankenhaus darf  Chefarzt nach dessen Wiederverheiratung kündigen
21.11.2014298 Mal gelesen
Das Bundesverfassungsgericht hat ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts aufgehoben, das die Kündigung eines wiederverheirateten Chefarztes in einem katholischen Krankenhaus für unwirksam erklärt hatte.

 Das BAG habe die Bedeutung und Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts verkannt. Dabei bekräftigt das BVerfG seine Rechtsprechung, dass staatliche Gerichte vertraglich vereinbarte Loyalitätsobliegenheiten in kirchlichen Arbeitsverhältnissen nur eingeschränkt überprüfen können (Beschluss vom 22.10.2014, Az.: 2 BvR 661/12).

Die Beschwerdeführerin ist kirchliche Trägerin eines katholischen Krankenhauses. Seit Anfang 2000 beschäftigt sie den Kläger des Ausgangsverfahrens als Chefarzt. Dieser war damals nach katholischem Ritus in erster Ehe verheiratet. Ende 2005 trennten sich die Ehepartner. Zwischen 2006 und 2008 lebte der Kläger mit einer neuen Lebensgefährtin zusammen. Dies war dem damaligen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin spätestens seit Herbst 2006 bekannt. Anfang 2008 wurde die erste Ehe des Klägers nach staatlichem Recht geschieden. Im August 2008 heiratete der Kläger seine Lebensgefährtin standesamtlich. In der Folgezeit fanden zwischen der Beschwerdeführerin und dem Kläger mehrere Gespräche über die Auswirkungen seiner zweiten Heirat auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses statt. Im März 2009 kündigte die Beschwerdeführerin das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.09.2014.

Das Arbeitsgericht hielt die Kündigung für unwirksam und verurteilte die Beschwerdeführerin zur Weiterbeschäftigung des Klägers. Berufung und Revision der Beschwerdeführerin blieben im Ergebnis ohne Erfolg.

Die Beschwerdeführerin erhob anschließend Verfassungsbeschwerde und rügte, die Entscheidungen verletzten sie in ihrem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht.

Das BVerfG erläutert nun, dass das BAG das kirchliches Selbstbestimmungsrecht nicht genügend beachtet hätte. Es hat das Urteil des BAG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Das Urteil verstoße gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 GG in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV, weil das BAG das kirchliche Selbstbestimmungsrecht bei der Interessenabwägung im Rahmen des § 1 Abs. 2 KSchG nicht ausreichend berücksichtigt habe. Das BVerfG bekräftigt, dass die staatlichen Gerichte bei der Prüfung, ob die Kündigung eines kirchlichen Arbeitnehmers wegen Verstoßes gegen vertraglich vereinbarte Loyalitätsobliegenheiten rechtmäßig ist, in zwei Schritten vorgehen müssen. Auf einer ersten Prüfungsstufe sei zunächst im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle auf der Grundlage des glaubensdefinierten Selbstverständnisses der verfassten Kirche zu überprüfen, ob eine Organisation oder Einrichtung an der Verwirklichung des kirchlichen Grundauftrags teilhabe, ob eine bestimmte Loyalitätsobliegenheit Ausdruck eines kirchlichen Glaubenssatzes sei und welches Gewicht dieser Loyalitätsobliegenheit und einem Verstoß hiergegen nach dem kirchlichen Selbstverständnis zukomme. Die staatlichen Gerichte dürften sich nicht über sie hinwegsetzen, solange sie nicht in Widerspruch zu grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen stünden.

Auf einer zweiten Prüfungsstufe seien dann die Grundrechte der betroffenen Arbeitnehmer und deren durch das allgemeine Arbeitsrecht geschützte Interessen mit den kirchlichen Belangen und der korporativen Religionsfreiheit im Rahmen einer Gesamtabwägung zum Ausgleich zu bringen, so das BVerfG weiter. Dabei sei dem Selbstverständnis der Kirche ein besonderes Gewicht beizumessen.


Das BVerfG moniert, dass das BAG entgegen diesen Prüfungsmaßstäben auf der ersten Stufe eine eigenständige Bewertung religiös vorgeprägter Sachverhalte vorgenommen und seine eigene Einschätzung der Bedeutung der Loyalitätsobliegenheit und des Gewichtes eines Verstoßes hiergegen an die Stelle der kirchlichen Einschätzung gesetzt habe. Dies betreffe zum einen die Wertung des BAG, dass nach der Grundordnung auch nichtkatholische Personen mit leitenden Aufgaben betraut werden könnten und die römisch-katholische Kirche es daher offenbar nicht als zwingend erforderlich erachte, Führungspositionen an das Lebenszeugnis für die katholische Sittenlehre zu knüpfen, sowie zum anderen den Schluss auf ein vermindertes Kündigungsinteresse aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit mehrfach auch Chefärzte in zweiter Ehe weiterbeschäftigt habe. Auch die Annahme des BAG, die Beschwerdeführerin habe bereits seit längerem von dem ehelosen Zusammenleben des Klägers mit seiner späteren zweiten Ehefrau gewusst, was erkennen lasse, dass sie ihre Glaubwürdigkeit nicht durch jeden Loyalitätsverstoß eines Mitarbeiters als erschüttert ansehe, setze sich über den Maßstab der verfassten Kirche hinweg. Die schärfere Sanktionierung des Lebens in kirchlich ungültiger Ehe beruhe auf dem besonderen sakramentalen Charakter der Ehe und dem für das katholische Glaubensverständnis zentralen Dogma der Unauflöslichkeit des gültig geschlossenen Ehebandes zu Lebzeiten, so das BVerfG.

Bisher habe das BAG lediglich festgestellt, dass der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG zu Gunsten des Klägers und seiner zweiten Ehefrau eröffnet sei. Es habe jedoch nicht dargelegt, weshalb diese Rechtspositionen gerade im vorliegenden Fall in einem Maße tangiert seien, das es rechtfertigen würde, den Interessen des Klägers des Ausgangsverfahrens den Vorrang vor den Interessen der Beschwerdeführerin einzuräumen. Das BAG werde daher - gegebenenfalls nach Ermöglichung ergänzender Tatsachenfeststellungen - eine eingehende Gesamtwürdigung vorzunehmen haben. Den Gedanken des Vertrauensschutzes werde es insoweit zu berücksichtigen haben, als der Arbeitsvertrag - abweichend von der Grundordnung - keine unterschiedliche Bewertung eines Verstoßes gegen das Verbot des Lebens in kirchlich ungültiger Ehe und eines Verstoßes gegen das Verbot des Lebens in nichtehelicher Gemeinschaft vorsehe und diese individualvertragliche Abrede besonderes Vertrauen des Arbeitnehmers ausgelöst haben könnte.

RA Sagsöz, Bonn 0228 9619720

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