Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19.03.2014

Arbeit Betrieb
03.07.2014275 Mal gelesen
Aktenzeichen: 4 Sa 110/13 3 Ca 1394/12

Aktenzeichen:
4 Sa 110/13
3 Ca 1394/12
ArbG Kaiserslautern
LANDESARBEITSGERICHT RHEINLAND-PFALZ
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
B., B-Straße, B-Stadt
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte/r: Rechtsanwälte C., C-Straße, B-Stadt
gegen
Firma D., D-Straße, D-Stadt
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte/r: Rechtsanwälte E., E-Straße, E-Stadt
hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 19. März 2014 durch den Vorsitzenden Richter am Landesar-beitsgericht Bernardi als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter Hackels-berger und den ehrenamtlichen Richter Heinrich als Beisitzer für Recht erkannt:
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 24.1.2013, Az.: 3 Ca 1394/12, wird kosten-pflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Verkündet am: 19.03.2014 Dünkler, Justizbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
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Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 15.04.2011 als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 28.07.2011 wur-de über das Vermögen der Beklagten die vorläufige Insolvenzverwaltung ange-ordnet. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich der Arbeitsverhält-nisse der Beklagten wurde mit Verfügung des Insolvenzgerichts vom 04.08.2011 dem vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen. Dieser kündigte das Arbeitsver-hältnis des Klägers mit Schreiben vom 08.08.2011 zum 15.09.2011. Das Insol-venzverfahren über das Vermögen der Beklagten wurde mit Beschluss des Insol-venzgerichts vom 01.09.2011 eröffnet.
Gegen die Kündigung vom 08.08.2011 richtet sich die vom Kläger am 12.08.2011 beim Arbeitsgericht eingereichte und zunächst sowohl gegen den Insolvenzver-walter als auch gegen die Beklagte selbst gerichtete Kündigungsschutzklage. In der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2013 hat der Kläger seine Klage gegen die Beklagte zurückgenommen und den Kündigungsschutzantrag nur noch ge-genüber dem Insolvenzverwalter weiterverfolgt.
Von einer weitergehenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstan-des wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 24.01.2013 (Bl. 141 bis 143 d. A.) sowie auf den Tatbestand- Berichtigungsbeschluss des Ar-beitsgerichts vom 22.03.2013 (Bl. 166 bis 169 d. A.).
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Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 08.08.2011 beendet worden ist, sondern über den 15.09.2011 hinaus fortbesteht.
Der (erstinstanzlich zuletzt ausschließlich) beklagte Insolvenzverwalter hat bean-tragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 24.01.2013 abgewiesen. Zur Dar-stellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 bis 7 dieses Urteils (= Bl. 144 bis 146 d. A.) verwiesen.
Gegen das ihm am 13.02.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.03.2013 Berufung eingelegt und diese am Montag, dem 15.04.2013, begründet.
Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 01.07.2013 wurde das Insolvenzverfah-ren über das Vermögen der Beklagten gemäß § 207 InsO mangels einer die Kos-ten des Verfahrens deckenden Masse eingestellt. Auf Antrag des Prozessbevoll-mächtigten des vormalig beklagten Insolvenzverwalters wurde das Berufungsver-fahren mit Beschluss vom 16.10.2013 gemäß § 246 ZPO (analog) ausgesetzt. Auf Antrag des Klägers wurde die Beklagte sodann gemäß § 239 Abs. 2 ZPO (analog) zur Aufnahme des Verfahrens und zur mündlichen Verhandlung geladen. Die Be-klagte ist zur mündlichen Verhandlung erschienen und hat zur Sache verhandelt.
Der Kläger macht zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung das erstinstanzliche Parteivorbringen nicht zutreffend gewürdigt. Bei der Beurteilung der Frage, ob sich die streitgegen-ständliche Kündigung als willkürlich erweise bzw. gegen § 613 a Abs. 4 Satz 1
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BGB verstoße, sei das Arbeitsgericht von einem falsch erfassten Tatsachenvor-trag ausgegangen. Es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches die ernsthafte Absicht bestanden habe, den Betrieb stillzulegen, da der Insolvenzverwalter seinerzeit Verkaufsverhandlungen geführt habe und ihm bei Kündigungsausspruch auch ein entsprechendes Kaufangebot vorgelegen habe. Am 12.08.2011 habe ein Betriebsübergang auf die Fa. T. statt-gefunden, indem diese jedenfalls die Kundendatei der Beklagten erworben habe. Es habe sich daher ein Erwerber gefunden, der das Unternehmenskonzept der Beklagten - ggf. mit geringerer Personalstärke - fortgesetzt habe. Der enge zeitli-che Zusammenhang zwischen der Einstellung der Geschäfte durch die Beklagte und der Kündigung ihrer Mitarbeiter einerseits und des Verkaufs des Unterneh-mens bzw. von Unternehmensteilen andererseits sei bereits ein Indiz dafür, dass die Kündigung nicht wegen einer ernsthaften, endgültigen Stilllegungsabsicht, sondern wegen eines Betriebsübergangs erfolgt sei.
Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsver-fahren wird auf dessen Berufungsbegründungsschrift vom 15.04.2013 (Bl. 210 bis 215 d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das erstinstanzliche Urteil abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung des Insol-venzverwalters vom 08.08.2011 zum 15.09.2011 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe der Berufungs-erwiderungsschrift des vormalig beklagten Insolvenzverwalters vom 21.05.2013
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(Bl. 246 bis 248 d. A.), deren Inhalt sie sich ausdrücklich zu eigen macht und auf den gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
I.
Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und be-gründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
II.
Mit Beendigung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten hat der vormalig beklagte Insolvenzverwalter seine Prozessführungsbefugnis verloren. Zugleich hat auf Beklagtenseite ein Parteiwechsel kraft Gesetzes stattgefunden mit der Folge, dass fortan wieder die Beklagte selbst - bei fortbestehender Pro-zessvollmacht des Prozessbevollmächtigten des Insolvenzverwalters - prozess-führungsbefugt war (vgl. Stein-Jonas, ZPO, 22. Auflage, § 239, Rz. 2, 9; Beck'scher Onlinekommentar ZPO, § 239, Rz. 11 ff., m. w. N.). Der Kläger hat da-her zutreffend seine Klage gegen die nunmehrige Beklagte als vormalige Insol-venzschuldnerin und Rechtsnachfolgerin des Insolvenzverwalters weiterverfolgt. Diese hat nach Aufforderung gemäß § 239 Abs. 2 ZPO das Verfahren auch zu-mindest konkludent durch Zugestehen der Rechtsnachfolge in der Berufungsver-handlung und durch ihr Verhandeln zur Hauptsache aufgenommen (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO, 4. Auflage, § 239, Rz. 43).
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III.
Die Kündigungsschutzklage ist nicht begründet.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die streitbefangene ordentliche Kündi-gung aufgelöst worden. Das Berufungsgericht folgt insoweit den zutreffenden Aus-führungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener vollständiger Entscheidungsgründe wird daher abgesehen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers besteht lediglich Anlass zu folgendem ergän-zenden Klarstellungen:
a)
Die streitbefangene Kündigung ist nicht auf ihre soziale Rechtfertigung i.S.v. § 1 KSchG hin zu überprüfen, da das Arbeitsverhältnis des Klägers im Betrieb und Unternehmen der Beklagten bei Kündigungsausspruch noch keine sechs Monate bestanden hatte (§ 1 Abs. 1 KSchG). Es ist daher diesbezüglich ohne Belang, ob die Beklagte bzw. der Insolvenzverwalter vor Ausspruch der Kündigung bereits den ernsthaften Entschluss gefasst hatten, den Betrieb endgültig, d. h. auf Dauer stillzulegen und daher dringende betriebliche Erfordernisse i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG vorlagen.
b)
Die Kündigung verstößt auch nicht gegen das Kündigungsverbot des § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB.
Nach dieser Vorschrift ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses eines Arbeit-nehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebes oder eines Betriebsteils unwirksam. Eine Kündi-
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gung aus anderen Gründen als dem Betriebsübergang bleibt allerdings zulässig (§ 613 a Abs. 4 Satz 2 BGB).
Eine Kündigung ist daher nicht schon deshalb rechtsunwirksam, wenn der Be-triebsübergang für die Kündigung ursächlich ist, sondern nur, wenn der Beweg-grund für die Kündigung das Motiv der Kündigung, also wesentlich durch den Be-triebsinhaberwechsel bedingt war (BAG v. 27.09.1984 - 2 AZR 309/83 - NZA 1985, 493). Erfolgt eine Kündigung im Zusammenhang mit einem (behaupteten) Betriebsübergang in einem Fall, in dem der Arbeitgeber - wie vorliegend - mangels Kündigungsschutz des Arbeitnehmers keine Begründung für die Kündigung ange-ben muss, folgt aus § 613 a Abs. 4 BGB jedoch, dass er eine nachvollziehbare Begründung haben muss, um den Verdacht einer Kündigung wegen Betriebs-übergangs auszuschließen (vgl. Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 13. Auflage, § 613 a BGB, Rz. 179, m. N. a. d. R.). Diesbezüglich genügt jeder nachvollziehbare, nicht willkürlich erscheinende, sachliche Grund, der den Ver-dacht einer Umgehung von § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB auszuschließen vermag. Soweit der Arbeitgeber dabei auf sonstige tatsächliche Umstände verweist, hat der Arbeitnehmer darzulegen, diese Umstände seien tatsächlich nicht gegeben (vgl. DLW, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 10. Auflage, Kap. 4, Rz. 925).
Im Streitfall kann offen bleiben, ob im zeitlichen Zusammenhang mit der streitbe-fangenen Kündigung infolge des Verkaufs der Kundendatei oder auch sonstiger Betriebsmittel der Beklagten an die Fa. T. ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang auf die Käuferin stattgefunden hat. Die Beklagte hat nämlich durchaus nachvoll-ziehbare und keineswegs willkürlich erscheinende Gründe für die Kündigung vor-getragen, die mit einem etwaigen Betriebsübergang nichts zu tun haben. So wur-de bereits erstinstanzlich dargetan, dass die Beklagte aufgrund ihrer prekären fi-nanziellen Lage bereits seit Juni/Juli 2011 nicht mehr in der Lage war, ihren Au-ßendienstmitarbeitern wenigstens deren Treibstoffkosten zu erstatten sowie die Leasingraten für die Fahrzeuge der Außendienstmitarbeiter zu zahlen, nachdem sie in den ersten sieben Monaten des Geschäftsjahres 2011 bei Umsatzerlösen
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von ca. 85.000,00 EUR und Personalkosten in Höhe von rund 250.000,00 EUR einen Verlust in Höhe von mehr als 380.000,00 EUR erwirtschaftet hatte. Diese, zutreffend im unstreitigen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils wiedergegebe-nen Tatsachen, hat der Kläger weder in erster noch in zweiter Instanz bestritten. Es steht daher fest, dass aus Sicht des Insolvenzverwalters durchaus nachvoll-ziehbare, nicht willkürliche Gründe für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ge-geben waren, die nicht mit einem etwaigen Betriebsübergang in Zusammenhang standen. Daher war ein solcher Betriebsübergang auch nicht Beweggrund für die Kündigung.
IV.
Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO er-gebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auch die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.
Bernardi
Hackelsberger
Heinrich