Arbeitszeitbetrug unerheblichen Umfangs rechtfertigt keine außerordentliche Kündigung

Arbeitszeitbetrug unerheblichen Umfangs rechtfertigt keine außerordentliche Kündigung
12.04.20131119 Mal gelesen
Ein Arbeitszeitbetrug durch nicht registrierte Raucherpausen ist geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen; dies gilt jedoch nicht bei einem nur geringen Umfang von nicht registrierten Raucherpausen, meint das Landesarbeitsgericht Bremen.

Eine 1960 geborene Raucherin ist seit über 30 Jahren in einem Betrieb der Metallindustrie beschäftigt. Im Betrieb gibt es ein Zeiterfassungssystem. Es gilt ein absolutes Rauchverbot. In einer Betriebsvereinbarung heißt es zum Zeiterfassungssystem, dass Beginn und Ende der Rauchpausen durch Ab- und Anstempeln im Personalzeiterfassungssystem zu dokumentieren seien. Der Arbeitgeber führte im Juni 2010 Ermittlungen durch, nachdem die Personalabteilung über Vorfälle von Arbeitszeitbetrug unterrichtet wurde. Rauchende Beschäftigte würden Raucherpausen nehmen, die sie nicht durch Ab- und Anstempeln im Personal Zeiterfassungssystem dokumentierten. Das sei Arbeitszeitbetrug. Die Ermittlungen führten zum Ergebnis, dass die Raucherin im Zeitraum vom 22. bis 29.6. 2010 jeweils mindestens einmal geraucht habe, ohne das Zeiterfassungssystem zu betätigen. Nach Bewertung der Ermittlungen kam der Arbeitgeber zu dem Ergebnis, dass das Vertrauen gegenüber der Raucherin durch ihrer Arbeitszeitbetrug zerstört und eine weitere Zusammenarbeit mit ihr daher nicht mehr möglich sei.

Mit Schreiben vom 7.7. 2010 wurde ihr wegen Arbeitszeitbetrug die außerordentliche Kündigung, hilfsweise die ordentliche Kündigung ausgesprochen. Zu dieser Zeit war die Raucherin auf Urlaub in der Türkei. Dies hat der Betrieb nach Angabe der Raucherin auch gewusst.

Mit ihrer Kündigungsschutzklage vom 28.07.2010 beantragte die Raucherin die nachträgliche Zulassung derselben und legte mit Schriftsatz vom 30.07.2010 eine eidesstattliche Versicherung vor, in der sie unter anderem erklärt, sie sei erst am 23.07.2010 gegen Mitternacht wieder nach Bremen zurückgekehrt und habe daher auch erst am 23.07.2010 ein Kündigungsschreiben ihres Arbeitgebers mit dem Datum vom 07.07.2010 aufgefunden.

Der Arbeitgeber hat aus den vorgenannten Gründen am 19.8.2010 "vorsorglich" erneut die die außerordentliche Kündigung, hilfsweise die ordentliche Kündigung ausgesprochen. Hiergegen wurde sodann ebenfalls Kündigungsschutzklage erhoben. Außerdem hat der Betrieb Strafanzeige gegen die Raucherin wegen Arbeitszeitbetrug erstattet. Das Strafverfahren wurde indes in der Hauptverhandlung eingestellt. Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der eigenen notwendigen Kosten der Raucherin wurden der Staatskasse auferlegt.

Der Arbeitgeber trägt vor, als Ergebnis der Ermittlungen sei der dringende Verdacht entstanden, dass die Raucherin in dem jeweiligen Zeitraum von nur wenigen Minuten zwischen den entsprechenden "Scheinbuchungen" ihre Raucherpausen genommen habe. Dies sei Arbeitszeitbetrug. Entsprechendes Verhalten sei bis Mai  zurückzuverfolgen. Während sie überwiegend korrekt gestempelt habe, habe sie an einer Vielzahl von Tagen in 1 bis 3 Fällen pro Tag das Stempeln nur vorgetäuscht. Es liege ein Arbeitszeitbetrug von mindestens 10 Minuten an vielen Arbeitstagen über einen Zeitraum von mindestens vier Monaten vor. 10 Minuten Arbeitszeitbetrug auf einen Zeitraum von vier Monaten rechtfertigen eine außerordentliche Kündigung.

Das Arbeitsgericht gibt der Kündigungsschutzklage statt.

Es sei offensichtlich, dass  die Raucherin ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat. Diese werden unter anderem durch die normativ auf ihr Arbeitsverhältnis einwirkende Betriebsvereinbarung zum Raucherschutz bestimmt. Danach ist unzweifelhaft geregelt, dass Rauchen in den Betriebsräumen des Betriebes verboten ist und das Verlassen der Räume zum Zwecke des Rauchens in dem Zeiterfassungssystem zu vermerken ist. Damit ist klargestellt, dass Betrieb und Betriebsrat Raucherpausen anders werten, als andere Unterbrechungen der Arbeitszeit außerhalb der Pausen wie Kaffeekochen & -trinken, privates Telefonieren, Internetsurfen, nicht auf die Arbeit bezogene Kollegengespräche oder Ähnliches.

Bei Berücksichtigung aller Umstände falle allerdings eine Abwägung der Interessen der Raucherin am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und dem an dessen Beendigung zugunsten ersterer aus. Das Gericht hält so eine Abmahnung mit Kündigungsandrohung für ausreichend, um das Arbeitsverhältnis für die Zukunft auf eine solide Grundlage zu stellen. Der Betrieb  habe durchaus positive Erfahrungen mit Abmahnung unerwünschten Verhaltens bei ihr. Gleichartige Pflichtverstöße sind offenbar nach den erteilten Abmahnungen nicht mehr vorgekommen.

Nach alledem war der Kündigungsschutzklage stattzugeben.

 

(Quelle: Landesarbeitsgericht Bremen, Urteil vom 27.06.2012; 2 Sa 43/11

Vorinstanz: Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, Urteil vom 02.12.2010; 5 Ca 5220/10)

 

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