Unterhalt - Obliegenheiten
1 Einführung
Obliegenheiten sind Verhaltensanforderung im eigenen Interesse des Handelnden.
Im Unterhaltsrecht bestehen allgemein folgende Obliegenheiten der beteiligten Parteien:
Der Unterhaltsverpflichtete hat alles zu tun, um seine Leistungsfähigkeit höchstmöglich zu nutzen und zu erhalten.
Der Unterhaltsberechtigte hat alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Unterhaltsbedürftigkeit so gering wie möglich zu halten.
Die Obliegenheit des Unterhaltsbedürftigen ist in § 1569 BGB gesetzlich geregelt: Danach hat nach einer Scheidung jeder Ehegatte selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Nur wenn ein Ehegatte dazu außerstande ist, hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt, sofern die im Gesetz genannten Voraussetzungen des Unterhalts vorliegen (Grundsatz der Eigenverantwortung).
Die Leitlinien zur Düsseldorfer Tabelle geben dabei folgende Grundsätze vor:
»Bei Kindesbetreuung besteht bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines gemeinschaftlichen Kindes keine Erwerbsobliegenheit. Ob und in welchem Umfang anschließend die Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit neben der Betreuung minderjähriger Kinder zumutbar ist, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Bei besonderer Betreuungsbedürftigkeit des Kindes und bei fehlender oder nur unzureichender Fremdbetreuung (kindbezogene Gründe, § 1570 Abs. 1 S. 2 BGB) kommt ein Unterhaltsanspruch auch nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes in Betracht. Eine Erwerbstätigkeit des betreuenden Ehegatten kann auch aus Gründen der nachehelichen Solidarität ganz oder teilweise unbillig erscheinen.
Hierbei sind das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung sowie die Dauer der Ehe zu berücksichtigen (elternbezogene Gründe, § 1570 Abs. 2 BGB). Die Erwerbsobliegenheit beurteilt sich auch danach, ob eine Erwerbstätigkeit neben der Betreuung des Kindes zu einer überobligationsmäßigen Belastung führen würde (Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung)«.
Nach der Rechtsprechung des BGH sind die Parteien eines Unterhaltsvergleichs verpflichtet, sich gegenseitig ungefragt zu informieren, wenn ihr Verdienst das für die Bemessung des Unterhalts berücksichtigte Einkommen deutlich übersteigt (BGH 16.04.2008 – XII ZR 107/06).
2 Erwerbsobliegenheit des Unterhaltspflichtigen
2.1 Allgemein
Die Verpflichtung zur Leistung von Kindesunterhalt führt zu einer gesteigerten Unterhaltsobliegenheit, nach der der Unterhaltsschuldner auch eine unter seiner Ausbildung liegende Tätigkeit zur Erzielung von Einkünften annehmen muss.
Die Zurechnung von fiktiven Einkünften aus einer Nebentätigkeit erfordert, dass diese dem Unterhaltspflichtigen im Einzelfall zumutbar ist (BGH 03.12.2008 – XII ZR 182/06).
Ist die Erwerbsfähigkeit durch Krankheiten eingeschränkt oder durch Krankheit gänzlich unmöglich, so müssen alle Maßnahmen ergriffen werden, um die Krankheit zu beheben. Besteht eine Alkohol- oder sonstige Drogenabhängigkeit, so muss eine Entzugstherapie durchgeführt werden. Wird diese verweigert oder abgebrochen, muss sich die Person so stellen lassen, als wäre die Therapie durchgeführt und die Erwerbsfähigkeit wieder erreicht.
Dies gilt auch bei einer sonstigen Verletzung der Erwerbsobliegenheit. Der arbeitslose Erwerbsverpflichtete hat seine Bemühungen um den Erhalt eines Arbeitsplatzes konkret nachzuweisen, es sei denn, es bestehen tatsächlich keine realen Vermittlungschancen. Dies ist jedoch ebenfalls durch Auskunft der Arbeitsagentur etc. zu beweisen.
Das OLG Frankfurt (29.09.2006 – 5 UF 171/06) hat jedoch für den Fall eines ungelernten Unterhaltsschuldners entschieden, dass angesichts der geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse auch bei einer gesteigerten Erwerbsobliegenheit zu prüfen ist, ob der Unterhaltsschuldner eine realistische Chance auf dem Arbeitsmarkt hat, einen den Selbstbehalt übersteigenden Verdienst zu erzielen.
Demgegenüber urteilte der BGH: Für die Feststellung, dass für einen Unterhaltsschuldner keine reale Beschäftigungschance bestehe, sind insbesondere im Bereich der gesteigerten Unterhaltspflicht strenge Maßstäbe anzulegen. Für gesunde Arbeitnehmer im mittleren Erwerbsalter wird auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit regelmäßig kein Erfahrungssatz dahin gebildet werden können, dass sie nicht in eine vollschichtige Tätigkeit zu vermitteln seien. Dies gilt auch für ungelernte Kräfte oder für Ausländer mit eingeschränkten deutschen Sprachkenntnissen. Auch die Tätigkeit des Unterhaltsschuldners etwa im Rahmen von Zeitarbeitsverhältnissen ist noch kein hinreichendes Indiz dafür, dass es ihm nicht gelingen kann, eine besser bezahlte Stelle zu finden. Das gilt auch dann, wenn der Unterhaltspflichtige überwiegend im Rahmen von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen gearbeitet hat. Zu den zu stellenden Anforderungen gehört es schließlich auch, dass der Unterhaltspflichtige sich um eine Verbesserung seiner deutschen Sprachkenntnisse bemüht (BGH 22.01.2014 – XII ZB 185/12).
Der Erwerbsverpflichtete muss ggf. einen Orts- oder Berufswechsel in Kauf nehmen. Ein selbstständig Tätiger ist bei der fehlenden Gewinnerzielung ggf. verpflichtet, seine selbstständige Tätigkeit gegen eine Arbeitnehmertätigkeit einzutauschen oder eine Nebentätigkeit aufzunehmen.
2.2 Tätigkeit des Unterhaltspflichtigen als Hausmann/Betreuung weiterer Kinder
Die gesteigerte Erwerbsobliegenheit entfällt grundsätzlich nicht bei der Betreuung weiterer Kinder. Zur Ermöglichung einer Erwerbstätigkeit sind für die im Haushalt des Unterhaltsschuldners lebenden Kinder zumutbare Fremdbetreuungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass für die Bemessung der Höhe von fiktiven Einkünften grundsätzlich auf die Mindestlöhne (OLG Schleswig 12.01.2015 – 10 UF 171/14).
Der BGH hat mit der Entscheidung BGH 05.10.2006 – XII ZR 197/02 seine Rechtsprechung zur fiktiven Kontrollberechnung aufgegeben.
2.3 Unterhaltspflicht während der Aus- und Weiterbildung
Die Unterhaltspflicht ist nachrangig, wenn der Unterhaltspflichtige sich in einer Erstausbildung befindet. Dabei kann dies auch eine mehrstufige Ausbildung sein (Abitur – Lehre – Studium), wenn die einzelnen Ausbildungsabschnitte in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen.
Wird nach einem Realschulabschluss zunächst eine Lehre, dann die Fachoberschule und später die Fachhochschule absolviert, so handelt es sich nur dann um eine anerkannte mehrstufige Erstausbildung, wenn schon bei Beginn der praktischen Ausbildung erkennbar eine Weiterbildung einschließlich des späteren Studiums angestrebt wurde (BGH 17.05.2006 – XII ZR 54/04, OLG München 31.07.2012 – 30 UF 220/12).
2.4 Inanspruchnahme von Elternzeit
Einem zum Minderjährigenunterhalt verpflichteten Elternteil, der sich nach Geburt eines weiteren Kindes dessen Betreuung widmet, kann im Fall einer zu respektierenden Rollenwahl jedenfalls für die ersten beiden Lebensjahre des von ihm betreuten Kindes unterhaltsrechtlich nicht vorgeworfen werden, dass er von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Bezugsdauer des Elterngelds zu verdoppeln, und deswegen keine für den Kindesunterhalt ausreichenden Einkünfte hat (BGH 11.02.2015 – XII ZB 181/14).
3 Folge der Verletzung der Erwerbsobliegenheit
Folge der nicht zu rechtfertigenden Verletzung der Erwerbsobliegenheit ist eine fiktive Anrechnung von Einkünften, die der Unterhaltsverpflichtete hätte erzielen können.