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Selbstbehalt

Autor:
 Normen 

§ 1603 BGB

 Information 

1. Allgemein

Als Selbstbehalt wird der dem Unterhaltspflichtigen auf jeden Fall verbleibende Mindestbetrag zum eigenen Unterhalt bezeichnet. Zu unterscheiden sind folgende Arten des Selbstbehalts:

  1. a)

    Der notwendige Selbstbehalt stellt die unterste Grenze dar. Er darf niemals unterschritten werden. Er ist anwendbar gegenüber minderjährigen Kindern (Kindesunterhalt) und im Haushalt eines Elternteils lebenden volljährigen Kindern bis zum 21. Lebensjahr (Kindesunterhalt – Volljährige Kinder). Er beträgt nach der Düsseldorfer Tabelle seit dem 01.01.2024

    • 1.450,00 EUR bei Erwerbstätigkeit des Unterhaltsschuldners und

    • 1.200,00 EUR bei nicht erwerbstätigen Unterhaltsschuldnern.

  2. b)

    Der angemessene Selbstbehalt gilt gegenüber sonstigen volljährigen Kindern, Enkeln, Eltern, Großeltern

    • Er beträgt gegenüber den sonstigen volljährigen Kindern 1.750,00 EUR. Hierin sind 650,00 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung enthalten.

      Aber: Der BGH hat mit der Entscheidung BGH 18.01.2012 – XII ZR 15/10 einem Elternteil gegenüber dem Unterhaltsanspruch seines erwachsenen Kindes, das seine bereits erlangte wirtschaftliche Selbstständigkeit wieder verloren hat, einen erhöhten angemessenen Selbstbehalt zugebilligt.

    • In der Düsseldorfer Tabelle (Anmerkung D) ist für den Selbstbehalt gegenüber den Eltern und Großeltern kein fester Wert mehr festgesetzt: »Dem Unterhaltspflichtigen ist der angemessene Eigenbedarf zu belassen. Bei dessen Bemessung sind Zweck und Rechtsgedanken des Gesetzes zur Entlastungunterhaltspflichtiger Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe (Angehörigenentlastungsgesetz) vom 10.Dezember 2019 (BGBl I S. 2135) zu beachten.«

Hinweis:

Damit sind die neuen Einkommens-Grenzwerte zur Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen durch den Sozialhilfeträger im Rahmen eines Regresses gemeint.

  1. c)

    Der billige Selbstbehalt (eheangemessener Selbstbehalt) ist anzuwenden bei dem Unterhaltsanspruch des Ehegatten (Unterhalt – nachehelicher) bzw. dem Unterhaltsanspruch der nichtehelichen Mutter/des Vaters.

    Er beträgt mindestens 1.600,00 EUR (bei Erwerbstätigkeit) und 1.475,00 EUR (bei Nicht-Erwerbstätigkeit).

    Hintergrund sind die Urteile BGH 19.11.2008 – XII ZR 51/08, BGH 15.03.2006 – XII ZR 30/04, 15.12.2004 – XII ZR 26/03 und BGH 01.12.2004 – XII ZR 3/03, nach denen der Selbstbehalt in diesen Fällen nicht durch einen einheitlichen Betrag festgelegt werden kann, aber mit einem Betrag zwischen dem angemessenen und dem notwendigen Selbstbehalt zu bemessen ist.

    In den obigen Werten ist ein Wohnwert in Höhe von 580,00 EUR für den Selbstbehalt gegenüber dem getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten enthalten.

    »Die Bemessung des eheangemessenen Selbstbehalts ist Aufgabe des Tatrichters. Dabei ist es diesem nicht verwehrt, sich an Erfahrungs- und Richtwerte anzulehnen, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände eine Abweichung gebieten. Die Erfahrungs- und Richtwerte können dabei auch eine Differenzierung zwischen erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen vorsehen« (BGH 16.10.2019 – XII ZB 341/17).

2. Erwerbstätigkeit des Unterhaltsschuldners

Die Unterhaltsleitlinien der Oberlandesgerichte differenzieren zwischen dem Selbstbehalt für Nichterwerbstätige und dem Selbstbehalt für Erwerbstätige.

Beruht das unterhaltsrelevante Einkommen überwiegend nicht auf einer Erwerbstätigkeit, kann im Einzelfall in Betracht kommen, dem Unterhaltspflichtigen einen Selbstbehalt zu belassen, der sich zwischen dem ihm im Regelfall zu belassenden Selbstbehalt für Nichterwerbstätige und dem Selbstbehalt für Erwerbstätige bewegt (BGH 09.01.2008 – XII ZR 170/05).

3. Wohnkosten

In den Selbstbehaltswerten ist immer ein bestimmter Wohnanteil (Unterkunft und Heizung) enthalten. Wenn der Pflichtige einen höheren Selbstbehalt aufgrund höherer Mietzahlung geltend machen will, so muss er die Notwendigkeit und Unvermeidbarkeit höherer Wohnkosten nachweisen, z.B. aufgrund ortsbedingter höherer Mieten.

Der BGH hat jedoch der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung eine Absage erteilt, nach der der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen bei geringeren Wohnkosten herabzusetzen ist. Nach der Ansicht der Richter steht es dem Unterhaltspflichtigen frei, wie er das ihm durch den Selbstbehalt verbleibende Geld verwendet (BGH 23.08.2006 XII ZR 26/04).

Wird die Wohnung von mehreren Personen genutzt, ist der Wohnkostenanteil des Unterhaltsschuldners zu ermitteln. Bei Erwachsenen sind die tatsächlichen Kosten nach Köpfen aufzuteilen, Kinder sind vorab mit einem Anteil von 20 % ihres Anspruchs auf Barunterhalt zu berücksichtigen.

 Siehe auch 

Düsseldorfer Tabelle

Kindesunterhalt

Kindesunterhalt – Neue Bundesländer

Kindesunterhalt – Volljährige Kinder

Mangelfallberechnung

BGH 27.04.2016 – XII ZB 485/14 (Eigenbedarf/Selbstbehalt auch bei Familienunterhalt aufgrund von Pflegebedürftigkeit des Ehegatten)

BGH 04.05.2011 – XII ZR 70/09 (Selbstbehalt + finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Eltern)

BGH 23.02.2005 – XII ZR 56/02 (Berücksichtigung der Umgangsrechtskosten durch Erhöhung des Selbstbehalts)

BGH 25.10.1995 – XII ZR 247/94

BGH 26.04.1989 – IVb ZR 64/88

BGH 07.12.1988 – IVb ZR 15/88

BGH 31.05.1988 – VI ZR 116/87

OLG Nürnberg 05.12.2005 – 10 UF 826/05 (Kürzung des Selbstbehalts bei Zusammenleben mit neuen, leistungsfähigen Ehegatten)

Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein: Handbuch des Fachanwalts Familienrecht 12. Auflage 2021

Lipp: Selbstbehalt zwischen Verfassung, Gesetz, Richtlinien und Einzelfall; Zeitschrift für das gesamte Familienrecht – FamRZ 2012, 1

Schöppe-Fredenburg: Bedarf (B) und Selbstbehalt (SB) ab 01.01.2011 nach Düsseldorfer Tabelle und Süddeutschen Leitlinien; Familie und Recht – FuR 2011, 384

Schürmann: Die Wohnkosten im Selbstbehalt; Der Familien-Rechts-Berater – FamRB 2015, 26