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Elternunterhalt

Normen

§ 1601 BGB

BT-Drs. 19/13399 (zu den am 01.01.2020 in Kraft getretenen Änderungen)

Information

1 Allgemein

Als Elternunterhalt wird der Unterhalt von Kindern oder Enkelkindern für die Eltern/Großeltern bezeichnet.

In gerader Linie miteinander verwandte Personen sind gemäß § 1601 BGB verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

Praktische Relevanz erlangt der Elternunterhalt insbesondere dann, wenn ein Elternteil in ein Pflegeheim o.Ä. einziehen muss und die Kosten nicht mehr durch das Einkommen gedeckt werden können.

2 Bedarf

Voraussetzung der Bedürftigkeit ist, dass die Eltern sich nicht selbst unterhalten können. Vor der Inanspruchnahme der Kinder sind andere Maßnahmen zur Unterhaltssicherung in Anspruch zu nehmen, z.B. die Beantragung einer Grundsicherung oder die Verwertung eigenen Vermögens.

Die Höhe des zu zahlenden Unterhalts richtet sich nach der Lebensstellung des betreffenden Elternteils. Kommt es zu nachteiligen Veränderungen der Einkommensverhältnisse, so reduziert sich nach einer Übergangsphase auch der Bedarf des Unterhaltsbedürftigen.

Der Unterhaltsverpflichtete muss eine spürbare und dauerhafte Senkung seines Lebensstandards jedenfalls insoweit nicht hinnehmen, als er nicht einen nach seinen Einkommensverhältnissen unangemessenen Aufwand betreibt.

Für den Unterhaltsbedarf bei einem Heimaufenthalt bestehen folgende Vorgaben (BGH 07.10.2015 – XII ZB 26/15):

  • Der Unterhaltsbedarf des Elternteils bestimmt sich grundsätzlich durch seine Unterbringung in einem Heim und deckt sich regelmäßig mit den dort anfallenden Kosten.

  • Hat der sozialhilfebedürftige Unterhaltsberechtigte zu den Kriterien der Heimauswahl noch keinen Vortrag gehalten, genügt der Unterhaltspflichtige seiner Obliegenheit zum substanziierten Bestreiten dadurch, dass er konkrete, kostengünstigere Heime und die dafür anfallenden Kosten benennt.

  • Grundsätzlich ist der sozialhilfebedürftige Unterhaltsberechtigte nicht darauf beschränkt, die Kosten der Heimunterbringung zum einzigen Auswahlkriterium zu erheben. Hat er die Wahl zwischen mehreren Heimen im unteren Preissegment, steht ihm insoweit ein Entscheidungsspielraum zu. Außerhalb dieses Preissegments hat der Unterhaltsberechtigte demgegenüber besondere Gründe vorzutragen, aus denen sich ergibt, dass die Wahl des Heims aus dem unteren Preissegment nicht zumutbar war.

3 Leistungspflicht

3.1 Rang der Unterhaltspflichtigen

Der Ehegattenunterhalt hat gegenüber dem von den Kindern zu leistenden Elternunterhalt Vorrang, d.h. sofern ein leistungsfähiger Ehegatte existiert, ist dieser in Anspruch zu nehmen. Dies gilt auch für den nachehelichen Unterhaltsanspruch.

Die Kinder des Unterhaltsbedürftigen haften gemäß § 1606 Abs. 2 BGB vor den Enkelkindern, ebenso haften sie vor den Eltern des Unterhaltsberechtigten, d.h. vor ihren Großeltern. Dies ergibt sich aus § 1606 Abs. 1 BGB, nach dem die Abkömmlinge vor den Verwandten in aufsteigender Linie haften.

Alle Kinder haften grundsätzlich als Gesamtschuldner anteilig für den Elternunterhalt. Hat der Sozialhilfeträger die Leistungen nur bei einem Kind eingefordert, so kann dieses grundsätzlich bei seinen Geschwistern einen Ausgleich fordern. Voraussetzung ist aber auch hier deren Leistungsfähigkeit.

Zwischen Geschwistern besteht insofern ein auf § 242 BGB gestützter Auskunftsanspruch der neben dem relevanten Einkommen alle zur Berechnung der Haftungsquote notwendigen Informationen umfasst.

Nach der Entscheidung BGH 07.05.2003 – XII ZR 229/00 besteht jedoch kein Auskunftsanspruch gegen den Ehepartner des Geschwisterteils.

3.2 Rang des Elternunterhalts bei mehreren Unterhaltsbedürftigen

Ist die grundsätzlich den Elternunterhalt leistende Person auch anderen Unterhaltsbedürftigen leistungspflichtig und reicht das verfügbare Einkommen zur Deckung der Unterhaltsansprüche aller Bedürftigen nicht aus, d.h. besteht ein Mangelfall, so richtet sich der Ausgleich der Unterhaltsansprüche nach der gesetzlich geregelten Rangfolge.

4 Leistungsfähigkeit

Grundsätzlich sind gemäß § 1601 BGB Verwandte in gerade Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Sofern eine Person nicht mehr in der Lage ist, für ihren eigenen Unterhalt bzw. die Kosten der Pflege aufzukommen, wird dies durch den Staat übernommen. Hat die leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, dann nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch, geht dieser gemäß § 94 Abs. 1 SGB XII bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über.

Aber dabei besteht in § 94 Abs. 1a SGB XII eine hohe Leistungsgrenze:

Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 SGB IV beträgt jeweils mehr als 100.000,00 EUR (Jahreseinkommensgrenze).

5 Rückgriff des Sozialhilfeträgers

Hat der Sozialhilfeträger Leistungen für eine Person erbracht, für die eine andere Person unterhaltspflichtig ist, so hat der Sozialhilfeträger grundsätzlich einen Regressanspruch gegen diese Person.

6 Ausschluss/Verwirkung

Gemäß § 1611 BGB kann der Unterhaltsanspruch herabgesetzt werden bzw. gänzlich entfallen, wenn der Unterhaltsbedürftige durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden ist, er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt hat oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht hat. Die Verletzung der Pflichten kann dabei auch einen längeren Zeitraum zurückliegen.

Bei dem Vorliegen einer schweren Verfehlung hat der BGH in der Entscheidung BGH 12.02.2014 XII ZB 607/12 wie folgt differenziert:

»Eine schwere Verfehlung kann regelmäßig nur bei einer tiefgreifenden Beeinträchtigung schutzwürdiger wirtschaftlicher Interessen oder persönlicher Belange des Pflichtigen angenommen werden.«

»Ein vom unterhaltsberechtigten Elternteil ausgehender Kontaktabbruch stellt regelmäßig eine Verfehlung dar. Sie führt indes nur ausnahmsweise bei Vorliegen weiterer Umstände (…) zur Verwirkung des Elternunterhalts.«

Nach einem Urteil des BGH vom 19.05.2004 – XII ZR 304/02 kann der Anspruch auf Elternunterhalt durch das Zurücklassen des Kindes bei den Großeltern und fehlender Kontaktpflege während dieser Zeit verwirkt werden (Treu und Glauben).

Ein auch ggf. jahrzehntelanger fehlender Kontakt zwischen dem Kind und dem Elternteil aufgrund des Fehlverhaltens des Elternteils rechtfertigt dann keinen Ausschluss des Unterhaltsrechts, wenn das Fehlverhalten auf einer als schicksalsbedingt zu qualifizierenden Krankheit der Mutter beruht (BGH 15.09.2010 – XII ZR 148/09).

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