Wirtschaftlich erfolgloser selbständig tätiger Schuldner darf während des Insolvenzverfahrens selbständig tätig bleiben

Wirtschaftlich erfolgloser selbständig tätiger Schuldner darf während des Insolvenzverfahrens selbständig tätig bleiben
09.10.2013509 Mal gelesen
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist der eine Restschuldbefreiung anstrebende Schuldner bei mangelndem wirtschaftlichem Erfolg seiner freigegebenen selbständigen Tätigkeit vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht verpflichtet, ein abhängiges Dienstverhältnis einzugehen.

Auch Selbständige können mal gezwungen sein, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen beantragen zu müssen. Wird es eröffnet und gibt der Insolvenzverwalter oder Treuhänder die selbständige Tätigkeit frei, hat der Selbständige, wenn er Restschuldbefreiung bekommen will, nach einer Bestimmung in der Insolvenzordnung, seine Gläubiger durch Abführungen an den Treuhänder so zu stellen, als ob er ein "angemessenes Dienstverhältnis" eingegangen wäre, spiegelbildlich zur Verpflichtung der abhängig Beschäftigten, die den pfändbaren Teil ihres Einkommens an den Insolvenzverwalter abführen müssen. Nun gibt es Selbständige, denen macht ihre Arbeit Spaß, sind indes wirtschaftlich so wenig erfolgreich, dass sie beim allerbesten Willen nicht die Zahlungen erbringen können, die sie erbringen könnten, wenn sie ein "angemessenes Dienstverhältnis" eingegangen wären. Haben diese nur die Wahl: Verzicht auf die Restschuldbefreiung oder Aufgabe der selbständigen Tätigkeit?   ...

 

Über das Vermögen eines Schuldners wurde auf seinen Antrag am 13. März 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet. Während des Insolvenzverfahrens übte der Schuldner eine Beschäftigung als selbständiger Handelsvertreter aus. Mit Schreiben vom 14. April 2008 gab der Insolvenzverwalter diese Tätigkeit frei. Er unterrichtete den Schuldner, dass er verpflichtet sei, die Gläubiger durch Zahlungen an ihn so zu stellen, als ob er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Der Schuldner unterrichtete den Insolvenzverwalter darüber, dass seine Einnahmen unterhalb der Pfändungsfreigrenzen lägen. Eine angestellte Tätigkeit als Handelsvertreter habe er auch nicht finden können.

In seinem Schlussbericht vom 23. Januar 2009 führte der Verwalter aus, der Schuldner hätte im Hinblick auf seinen erlernten Beruf als Industriekaufmann ein jedenfalls im pfändbaren Bereich liegendes Nettoeinkommen in Höhe von 990 € monatlich erzielen können. Im Schlusstermin vom 31. März 2009 beantragten Gläubiger die Versagung der Restschuldbefreiung.

Das Insolvenzgericht versagte dem Schuldner die Restschuldbefreiung. Seine sofortige Beschwerde vor dem Landgericht blieb ohne Erfolg.

 

Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners hob der Bundesgerichtshof die Entscheidung auf und wies die Sache an das Landgericht zurück.

Den Schuldner treffe im laufenden Insolvenzverfahren nicht die Pflicht, ein abhängiges Dienstverhältnis einzugehen.

Der Insolvenzverwalter habe, wenn der Schuldner eine selbständige Tätigkeit ausübt, zu erklären, ob Vermögen aus dieser Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört oder nicht. Für den Gesetzgeber sei entscheidend gewesen, dass mit der Möglichkeit der Freigabe der selbständigen Tätigkeit keine Besserstellung der Selbständigen gegenüber den abhängig Beschäftigten verbunden sein sollte. Im Anschluss hieran werde die Ansicht vertreten, der Schuldner habe nach der Freigabe zum Ausgleich das fiktive pfändbare Einkommen abzuführen, welches er nach seiner beruflichen Qualifikation aufgrund seiner Ausbildung und seines beruflichen Werdegangs in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis hätte verdienen können. Nach zutreffender Ansicht müsse der Schuldner nur dann etwas abführen, wenn er tatsächlich Gewinn aus seiner selbständigen Tätigkeit erzielt hat. Die Abführungspflicht sei aber der Höhe nach beschränkt auf den Betrag, den er erwirtschaften würde, wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre.

Die Insolvenzordnung unterscheide zwischen dem Zeitraum des laufenden Insolvenzverfahrens und dem der Wohlverhaltensperiode.

Während der Wohlverhaltensperiode muss sich der Schuldner im Rahmen seiner Erwerbsobliegenheit um ein Anstellungsverhältnis bemühen, wenn der Ertrag aus seiner selbständigen Tätigkeit hinter demjenigen zurückbleibt, was dem Treuhänder bei einer angemessenen Erwerbstätigkeit zufließen würde.

Im laufenden Insolvenzverfahren gelte dies nicht. Die Arbeitskraft des Schuldners gehört nicht zur Insolvenzmasse. Der Schuldner könne zu einer Erwerbstätigkeit nicht gezwungen werde. Da vorliegend das Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen sei, hätte dem Schuldner die Restschuldbefreiung nur mit der Begründung verweigert werden dürfen, er wäre seiner Abführungspflicht nicht nachgekommen.

Da das Landgericht dazu keine ausreichenden Feststellungen getroffen habe, wurde die Sache dorthin zurückverwiesen.

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Fazit: Die feinsinnigen Unterschiede zwischen Insolvenzverfahren und Wohlverhaltensphase mit unterschiedlichen Pflichten für den Schuldner erfordern anwaltlichen Beistand, weil sie ohne einen solchen oftmals kaum zu begreifen sind.

(Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.06.2013; IX ZB 38/10

Vorinstanz: Landgericht Stade, Beschluss vom 18.02.2010; 7 T 219/09

Amtsgericht Tostedt, Beschluss vom 10.08.2009; 22 IN 45/08 )

 

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