Restschuldbefreiung
BT-Drs. 19/21981 (zu den am 01.10.2020 in Kraft getretenen Änderungen)
1 Allgemein
Die Restschuldbefreiung ist der Erlass von nicht erfüllten Verbindlichkeiten des Schuldners nach Durchführung des Insolvenzverfahrens.
Sie ist als Ziel des Insolvenzverfahrens in § 1 S. 2 InsO niedergelegt. Sie kann sowohl im Regelinsolvenzverfahren als auch im Verbraucherinsolvenzverfahren erreicht werden, ist aber auf natürliche Personen beschränkt.
Zeitlich beginnt das Restschuldverfahren mit dem Abschluss des Insolvenzverfahrens. Eine Zustimmung der betroffenen Gläubiger ist nicht erforderlich.
Zum 01.10.2020 wurde die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von sechs auf drei Jahre reduziert. Auf die Erfüllung besonderer Voraussetzungen wie die Deckung der Verfahrenskosten oder die Erfüllung von Mindestbefriedigungsanforderungen wurde verzichtet. Diese Erleichterungen wurden nicht nur für unternehmerisch tätige, sondern alle natürlichen Personen geschaffen. Insbesondere erhalten damit auch Verbraucher die realistische Möglichkeit, eine Restschuldbefreiung binnen drei Jahren zu erlangen.
2 Verfahren
Das Verfahren der Restschuldbefreiung verläuft in folgenden Abschnitten:
- a)
Antrag des Schuldners auf Durchführung der Restschuldbefreiung gemeinsam mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
- b)
Durchführung des Insolvenzverfahrens.
- c)
Entscheidung über die Zulassung zur Restschuldbefreiung im Schlusstermin des Insolvenzverfahrens (Ankündigung der Restschuldbefreiung) durch Beschluss.
- d)
Aufhebung des Insolvenzverfahrens.
- e)
Durchführung der Restschuldbefreiung: Wohlverhalten des Schuldners gemäß der gesetzlichen Vorgaben sowie Verwaltung und Verteilung seiner Einkünfte durch einen Treuhänder.
- f)
Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Gewährung der Restschuldbefreiung.
- g)
ggf. Widerruf der Restschuldbefreiung.
3 Voraussetzungen
Voraussetzungen der Restschuldbefreiung sind:
Das Insolvenzverfahren wurde eröffnet.
Sofern die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Insolvenzverfahrens auszugleichen und das Insolvenzverfahren insofern mangels Masse abzulehnen wäre, können gemäß §§ 4a - 4d InsO die Kosten des Insolvenzverfahrens dem Schuldner gestundet werden. Von der Stundungsmöglichkeit ist auch die Vergütung des Treuhänders erfasst.
Es liegt ein Antrag des Schuldners auf Durchführung der Restschuldbefreiung vor.
Der Antrag ist innerhalb der folgenden Fristen zu stellen:
Grundsätzlich soll gemäß § 287 Abs. 1 S. 1 InsO der Antrag mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt werden.
Ist dies nicht der Fall, so ist der Antrag innerhalb von zwei Wochen zu stellen, nachdem der Schuldner von dem Insolvenzgericht auf die Möglichkeit der Restschuldbefreiung hingewiesen wurde (§ 287 Abs. 1 S. 2 InsO, § 305 Abs. 1 Nr. 2 InsO, § 306 Abs. 3 InsO).
Wird die einzuhaltende Frist versäumt, so hat der Schuldner gemäß § 13 Abs. 2 InsO die Möglichkeit, seinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückzunehmen und einen neuen Antrag zu stellen, der dann auch den Antrag auf Durchführung der Restschuldbefreiung enthält!
Hinweis:
Ein zulässiger Eigenantrag ist regelmäßig auch im Regelinsolvenzverfahren Voraussetzung für die Gewährung von Restschuldbefreiung. Liegt ein Gläubigerantrag auf Insolvenzeröffnung vor, ist der Schuldner deshalb darauf hinzuweisen, dass er zur Erlangung der Restschuldbefreiung einen eigenen Antrag auf Insolvenzeröffnung stellen muss. Hierfür ist ihm eine angemessene richterliche Frist zu setzen, die in der Regel nicht mehr als vier Wochen ab Zustellung der Verfügung betragen sollte. Hat ein Gläubigerantrag zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt, kann der Schuldner auch dann keinen Eigenantrag verbunden mit dem Antrag auf Restschuldbefreiung mehr stellen, wenn der Eröffnungsbeschluss noch nicht rechtskräftig ist (BGH 04.12.2014 - IX ZB 5/14).
Wird das Insolvenzverfahren auf einen Gläubigerantrag eröffnet, kann ein während des laufenden Insolvenzverfahrens gestellter Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung nicht wegen verspäteter Antragstellung als unzulässig verworfen werden, wenn das Insolvenzgericht den Schuldner nicht rechtzeitig über die Notwendigkeit eines Eigenantrags verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung belehrt und ihm hierfür eine bestimmte richterliche Frist gesetzt hat (BGH 22.10.2015 - IX ZB 3/15).
Dem Antrag ist gemäß § 287 Abs. 2 InsO die Erklärung beigefügt, dass der Schuldner für den Zeitraum von drei Jahren (Änderung zum 01.10.2020) beginnend mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge (Arbeitslosengeld etc.) an einen vom Gericht bestimmten Treuhänder abtritt.
Hinweis:
Da die Restschuldbefreiung bereits drei Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erteilt werden soll, kann die Abtretung der Bezüge des Schuldners auf diesen Zeitraum beschränkt werden. Durch Ergänzung eines neuen Satz 2 in § 287 Abs. 2 InsO wird für ein erneutes Restschuldbefreiungsverfahren eine fünfjährige Abtretungsfrist und damit ein fünfjähriges Restschuldbefreiungsverfahren vorgesehen. Dadurch soll verhindert werden, dass die Verkürzung des regulären Restschuld-befreiungsverfahren auf drei Jahre Fehlanreize für eine leichtfertige Verschuldung setzt.
Es ist keiner der in § 290 InsO aufgelisteten Ausschlussgründe zur Versagung der Restschuldbefreiung gegeben.
Während der Abtretungsfrist hat der Schuldner die in § 295 InsO aufgeführten Obliegenheiten beachtet (Wohlverhalten).
Dazu gehört auch die Obliegenheit, keine unangemessenen (neuen) Verbindlichkeiten zu begründen. Für die Frage, ob eine unangemessene Verbindlichkeit begründet worden ist, gelten dieselben Maßstäbe wie bei § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO.
Durch die zum 01.10.2020 vorgenommenen Änderungen erstreckt sich die Herausgabeobliegenheit des Schuldners nicht nur auf Vermögen, das von Todes wegen erworben wurde, sondern auch auf Vermögen, das durch Schenkung erlangt wurde. Dieser Vermögenserwerb soll - wie bei Erbschaften - zur Hälfte herausgegeben werden.
Darüber hinaus sind nunmehr auch Gewinne aus Ausspielungen, Lotterien, Wetten und allen sonstigen Spielen mit Gewinnmöglichkeit an den Treuhänder abzuführen. Entsprechende Vermögenserwerbe sind in voller Höhe herauszugeben. Dabei soll die Herausgabeobliegenheit für den Bereich der Ausspielungen, Lotterien, Wetten und allen sonstigen Spiele mit Gewinnmöglichkeit naturgemäß nicht für Gewinne aus verbotenen Glückspielen gelten. Erfasst sind damit insbesondere Gewinne in staatlich genehmigten Lotterien und in staatlich genehmigten Spielbanken. In jedem Fall sind aber auch solche Spiele und Wetten im Sinne des § 762 BGB erfasst, die nur unvollkommene Verbindlichkeiten begründen, wenn und soweit die Schuldnerin oder Schuldner aus diesen etwas erlangt hat, war sie oder er behalten darf. Der Begriff des "anderen Spiels mit Gewinnmöglichkeit" ist § 33d GewO entlehnt und soll als Auffangtatbestand dienen.
4 Entscheidung
Zu den Ausführungen sowohl über die allgemeine als auch über die vorzeitige Restschuldbefreiung siehe den Beitrag "Restschuldbefreiung - Entscheidung".
5 Wohlverhalten des Schuldners
Zur Erlangung der Restschuldbefreiung ist der Schuldner verpflichtet, die in § 295 InsO aufgezählten Obliegenheiten zu beachten.
Dies wird als Wohlverhaltensphase bezeichnet. Juristisch beginnt die Wohlverhaltensphase mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (sechs Jahre), praktisch mit der Entscheidung über die Zulassung zur Restschuldbefreiung im Schlusstermin des Insolvenzverfahrens.
Durch Beschluss der Gläubigerversammlung kann gemäß § 292 Abs. 2 InsO der Treuhänder beauftragt werden, die Erfüllung der Obliegenheiten durch den Schuldner zu überwachen.
Die Wohlverhaltensphase endet gemäß § 299 InsO vorzeitig mit der Versagung der Restschuldschuldbefreiung, wenn die in § 296 - 298 InsO aufgeführten Beendigungsgründe vorliegen.
6 Widerruf der Restschuldbefreiung
Die Voraussetzungen für den Widerruf der Restschuldbefreiung sind in § 303 InsO geregelt:
Gemäß § 303 InsO kann die Restschuldbefreiung nur widerrufen werden, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Schuldner eine seiner Obliegenheiten vorsätzlich verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erheblich beeinträchtigt hat. Damit sind die Obliegenheiten aus § 295 InsO gemeint (BGH 08.09.2016 - IX ZB 72/15).