Gesetzliche Unfallversicherung: Versicherungsschutz bei Sportunfall

Versicherungsrecht
01.09.20092499 Mal gelesen

Das Bundessozialgericht weist in einer Medieninformation auf den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bei Sportunfällen und insbesondere auf ein Urteil vom 30.6.2009, (B 2 U 22/08 R) hin:

Bestimmte Sportler sind für ihre Sportunfälle gesetzlich abgesichert. Berufssportler, wie zB Fußball­profis, sind als Beschäftigte ihres Vereins in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert, ferner Schüler im Rahmen des Schulsports (§ 2 Abs 1 Nr 1 und Nr 8b Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII). Auch normale Beschäftigte (= Arbeitnehmer) sind als Be­triebssportler unfallversichert, wenn sie an einem regelmäßig stattfindenden Betriebssport teilnehmen, der vor allem dem Ausgleich der beruflichen Belastungen dient und unternehmensbezogen organisiert ist (vgl zuletzt Urteil des Senats vom 13. Dezember 2005 - B 2 U 29/04 R). In einem Revisionsverfahren hat das Bundessozialgerichts am 30. Juni 2009 über die Frage entschieden, ob der Schutz der Unfallversicherung auch im Rahmen die Klägerin bei ihrem Sportunfall gesetzlich unfallver­sichert war.

Die Klägerin ist Steuerfachgehilfin. Von 1979 bis 1994 war sie Mitglied in einem Polizeisportverein, von dem sie keine finanziellen Zuwendungen erhielt und der kein Direktionsrecht ihr gegenüber ausübte. Von 1980 bis Ende 1995 war sie eine international erfolgreiche Kaderathletin des Deutschen Judobundes (DJB) und Mitglied der Nationalmannschaft. Vom 1. August 1987 bis zum 31. März 1991 war die Klägerin als Steuer- und Zollsachbearbeiterin in einem Industriekonzern beschäftigt. Sie hatte sich aufgrund einer Empfehlung des Judo-Bundestrainers dort beworben und war wegen ihrer leistungssportlichen Betätigung auf einer Planstelle der Sportförderung des Unternehmens eingestellt worden. Ihre Kaderzugehörigkeit und die Befürwortung durch den Olympiastützpunkt Hannover/Wolfsburg des DJB waren eine Einstellungsvoraussetzung gewesen. Zur Hälfte ihrer regulären Arbeitszeit von 37 Std pro Woche war sie für die Ausübung von Sport und Teilnahme am Training unter Fortzahlung des vollen Arbeitsentgeltes von ihrer Bürotätigkeit freigestellt. Sie trainierte täglich vier Stunden. Am 27. September 1990 zog sie sich beim Judotraining im Olympiastützpunkt eine Verletzung des linken Kniegelenkes zu. Seit dem 1. April 1991 ist sie in einem Steuerberatungsbüro beschäftigt, von dem sie ebenfalls zur Sportausübung freigestellt wird. Am 28. Juli 1995 erlitt sie bei einem Judotraining eine Verletzung des rechten Knies, die von der beklagten Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, dem für das Steuerberatungsbüro zuständigen Unfallversicherungsträger, als Arbeitsunfall anerkannt wurde und zur vorübergehenden Gewährung einer Verletztenrente führte. Im Rahmen dieses Verwaltungsverfahrens machte die Klägerin erstmals mit Schreiben vom 29. Oktober 1997 den früheren Sportunfall vom 27. September 1990 als weiteren Versicherungsfall geltend. Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung dieses Unfalls als Arbeitsunfall, für den sie zuständig sei, ab, weil die Klägerin in keinem Beschäftigungsverhältnis zum PSV oder dem DJB gestanden habe (Bescheid vom 9. November 2000, Widerspruchsbescheid vom 14. November 2001) .

Das Sozialgericht Braunschweig hat die Norddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft, eine Rechtsvorgängerin der VBG, als zuständigen Unfallversicherungsträger für die V AG beigeladen und diese mit Urteil vom 14. Juli 2005 verpflichtet, den Unfall am 27. September 1990 als Arbeitsunfall anzuerkennen, bestimmte Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen festzustellen sowie der Klägerin eine Verletztenrente zu gewähren, weil der Unfall sich in Ausübung ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen gegenüber der V AG ereignet habe. Das Landessozialgericht hat auf die Berufung der Beigeladenen das Urteil des SG aufgehoben und die Klage mit Urteil vom 26. November 2007abgewiesen . Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Versicherungsschutz scheide aus, weil das Judotraining, bei dem sich der Unfall ereignet habe, nicht im sachlichen Zusammenhang mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit der Klägerin als Steuer- und Zollsachbearbeiterin bei der V AG gestanden habe. Unfallversicherungsschutz unter dem Gesichtspunkt "Betriebssport" komme nicht in Betracht. Die Handlungstendenz der Klägerin zum Unfallzeitpunkt sei auf ihre persönlichen Interessen (Erzielung von Höchstleistungen im Judosport, Siege bei Wettkämpfen) und nicht auf eine ihrer Arbeitgeberin dienenden Tätigkeit gerichtet gewesen. Hieran ändere auch die Freistellung unter Fortzahlung des vollen Entgelts seitens der V AG nichts.

Das Bundessozialgericht hat das Urteil des Landessozialgerichts, in dem die Anerkennung des Sport­unfalls als Arbeitsunfall verneint worden war, aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen. Die tatsächlichen Feststellungen des Landessozialgerichts reichen für eine abschließende Entscheidung nicht aus, weil unklar geblieben ist, ob das Judotraining zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägerin gehörte. Denn auch die Ausübung von Sport kann Gegenstand von arbeitsvertraglichen Pflichten sein und aus der bloßen Verwendung des Begriffs "Freistellung" kann nichts hergeleitet werden. Entscheidend ist, ob die Sportausübung dem Direktions- und Weisungsrecht des Unternehmens untersteht und in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist.

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