Der Haftpflichtversicherer ist an die Regulierungsentscheidung des Versicherungsnehmers durch Befriedigung der Haftpflichtforderung gebunden, wenn er seine Deckungsentscheidung - Gewährung von Abwehrdeckung oder Freistellung gemäß § 100 VVG - treuwidrig verweigert oder verzögert. Die Bindungswirkung folgt aus der Verletzung der Hauptpflicht zur Prüfung der Haftpflichtfrage, die der Ermessensentscheidung über die Art der gewährten Deckung (Abwehr oder Freistellung) vorausgeht und beinhaltet, sich rechtzeitig und unmissverständlich gegenüber dem Versicherungsnehmer zu erklären, ob und in welcher Weise er den Versicherungsschutz gewährt (grundlegend vgl. dazu BGH IV ZR 149/03).
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Mit überzeugender Begründung hat das KG Berlin 6 U 24/19 die Berufung eines Versicherers gegen eine vorhergehende Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 16.01.2019, Az. 23 O 200/17, wegen treuwidrigem Handeln des Versicherers zurückgewiesen (rechtskräftig).
Das KG Berlin wertete dazu:
Der Beklagte hat zahlreiche Einwendungen gegen das Bestehen der Forderung dem Grunde nach, gegen die Berechnung der Anspruchshöhe und gegen die Einordnung der Forderung als Haftpflichtforderung im Sinne der AV Haftpflicht erhoben. Es sei schon kein Vertrag zwischen den Rechtsvorgängern der Klägerin und der KfW zustandegekommen, jedenfalls sei dieser nichtig wegen Verstoßes gegen das RDG. Es handele sich um einen Eigenschaden der Klägerin, jedenfalls greife der Ausschluss nach § 2 Abs. 2 lit. b) der AV Haftpflicht, da die KfW ihr Erfüllungsinteresse geltend mache. Zudem habe die Klägerin ihre Obliegenheit zur Regresssicherung aus § 86 VVG verletzt, indem sie keine Ersatzansprüche gegen den Insolvenzverwalter durchgesetzt habe.
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Die Berufung der Versicherung hat in der Sache keinen Erfolg.
Zum einen ist der geltend gemachte Haftpflichtanspruch dem Grunde und der Höhe nach begründet (dazu unten 1.), als Haftpflichtanspruch im Sinne der AV Haftpflicht einzuordnen (dazu unten 2.) und der Beklagte nicht wegen einer Obliegenheitsverletzung leistungsfrei (dazu unten 3.). Zum anderen ist der Beklagte an die Zahlung durch die Klägerin gebunden, nachdem er die Prüfung der Haftpflichtfrage und die Deckungsentscheidung treuwidrig verzögert hat (dazu unten 4.).
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2. Die Forderung der KfW stellt auch eine Haftpflichtforderung im Sinne der AV Haftpflicht dar. Die Klägerin wird aufgrund einer gesetzlichen Haftpflichtbestimmung, nämlich § 280 Abs. 1 BGB, auf Schadensersatz in Anspruch genommen.
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4. Der beklagte Versicherer ist überdies an die Regulierungsentscheidung der der Klägerin nach § 242 BGB gebunden, nachdem er die Deckungsentscheidung treuwidrig verzögert hat. Nach der auch vom Landgericht herangezogenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 7. Februar 2007- IV ZR 149/03) ist der Versicherer, wenn er dem Versicherungsnehmer in Verletzung seiner Rechtsschutzverpflichtung nicht unverzüglich mitteilt, ob er Deckungsschutz gewährt, sondern ihn darüber unter Berufung auf möglicherweise vorliegende leistungsbefreiende Umstände im Unklaren lässt, wie im Fall einer unberechtigten Deckungsablehnung durch den Versicherer so zu behandeln, als hätte er dem Versicherungsnehmer bei der Regulierung freie Hand gelassen (BGH a.a.O Rn. 17). ... Die Bindung des Versicherers im Falle einer unberechtigten Deckungsablehnung oder eines unangemessenen Hinauszögerns seiner Deckungsentscheidung knüpft an die Verletzung seiner Hauptpflicht zur Prüfung der Haftpflichtfrage ... und zur Abwehr unberechtigter Ansprüche an. Aus der Pflicht zur Prüfung der Haftpflichtfrage folgt auch die Pflicht, dem Versicherungsnehmer rechtzeitig unmissverständlich zu erklären, ob er den bedingungsgemäß geschuldeten Rechtsschutz gewährt (Späte/Schimikowski-Harsdorf-Gebhardt a.a.O.). Der Versicherer verhält sich treuwidrig, wenn er zunächst die Deckung verweigert oder sich einer rechtzeitigen Deckungsentscheidung enthält, sich sodann aber im Deckungsprozess darauf beruft, dass der Versicherungsnehmer dafür hätte sorgen müssen, dass der gegen ihn geltend gemachte Anspruch abgewehrt wird. Die Abwehr eines unberechtigten Haftpflichtanspruchs ist nämlich gerade Aufgabe des Versicherers und nicht des Versicherungsnehmers.
Der Beklagte hat vorliegend seine Deckungsentscheidung unangemessen hinausgezögert.
Spätestens nachdem dem Beklagten das Schreiben der KfW vom 19. Dezember 2013 zugeleitet worden war, war er verpflichtet, den Haftpflichtanspruch ohne Verzögerung zu prüfen. Er war im Rahmen dessen verpflichtet, der Klägerin etwaige Hindernisse bei der Prüfung unverzüglich mitzuteilen, zumal eine Zahlungsfrist zum 31. Januar 2014 gesetzt war, die Sache also ersichtlich eilte. Falls es sich aus Sicht des Beklagten als unzumutbar darstellte, die von der O. übergebenen Unterlagen einzusehen, hätte auch dies der Klägerin unverzüglich mitgeteilt werden müssen, also ohne schuldhaftes Zögern. Das Abwarten über drei Monate trotz mehrfacher Nachfragen und Hinweise auf ablaufende Zahlungsfristen von Seiten der Klägerin stellt sich jedoch als schuldhaftes Zögern dar. Der Beklagte hat keine Umstände vorgetragen, die das Abwarten über drei Monate erklären. Zudem ist nicht nachvollziehbar, dass der Beklagte in dem Schreiben vom 11. April 2014 einen Ausschlusstatbestand des § 2 AV Haftpflicht ins Feld führt, obwohl gleichzeitig ausgeführt wird, dass zu wenige Umstände bekannt sind, um den Sachverhalt haftpflichtrechtlich zu prüfen. Auch in diesem Offenlassen der Frage, ob er sich für einstandspflichtig hält, liegt eine Verletzung der Pflicht, sich rechtzeitig und unmissverständlich hinsichtlich der Deckungsentscheidung zu erklären.
Erschwerend kommt hinzu, dass dem Beklagten bereits aufgrund des Schreibens vom 16. September 2013 jedenfalls bekannt war, dass die Klägerin infolge der Versäumung einer Frist im Insolvenzverfahren wegen einer Pflichtverletzung in Anspruch genommen wurde.... Bereits daraufhin hätte der Beklagte den Sachverhalt prüfen und konkrete Erkundigungen zu den fehlenden Sachverhaltsangaben anstellen können, anstatt - wie geschehen - mit Schreiben vom 7. und vom 29. November 2013 darauf zu verweisen, dass Ansprüche der Sparkasse gegen Dritte nicht beurteilt werden bzw. dass in dieser Angelegenheit nichts geprüft werden kann.
Anmerkung des Autors:
Der Vorgang entspricht der bei Versicherern (VR) und ihren Anwaltskanzleien teils beliebten Praxis, Schadensfälle dadurch zu erledigen, dass sie Versicherungsnehmer (VN) im Stich lassen, indem geschuldete Leistungen verweigert werden.
Im Bereich der Haftpflichtversicherung ist es u.a. Hauptleistungspflicht des Versicherers, Ansprüche abzuwehren, inklusive von unberechtigten Ansprüchen. Die Last dieser Abwehrarbeit trifft dabei allein den VR. Der VN ist lediglich zu umfassender Kooperation verpflichtet, also der Erteilung von Auskünften etc., die der VR benötigt oder zu benötigen glaubt, um den Fall bearbeiten zu können. Jedoch muss der VR innerhalb kürzester Zeit seine Bereitschaft zum Schadensmanagement anzeigen und wenn er diesen Schaden abwehren will, dem VN eine Vertretung stellen, die dessen Interessen wahrt. Der VR muss mithin dem VN einen Anwalt stellen oder die Anwaltskosten des VN tragen. Unterlässt der VR entsprechendes, handelt er treuwidrig, wie im obigen Fall des KG Berlin.
Versucht der VN den Schadensfall dann selbststätig zu regeln und erhebt dazu später Forderungen gegen den VR, ist dann schnell Einwand, dass kein Haftungsfall vorgelegen habe, der VN hier selbstverschuldet und nicht ersatzfähig eine nicht bestehende Regresspflicht anerkannt habe.
Die VN sind dabei in aller Regel mit einer strukturellen Unterlegenheit belastet, aufgrund derer sie ihre Rechte nicht erkennen. Verweigert der Versicherer zu einem gemeldeten Schadensfall jedoch seine geschuldete Unterstützung, führt das nach ständiger Rechtsprechung (BGH IV ZR 149/03) dazu, dass der VR sich das Handeln des VN zurechnen lassen muss. Nach BGH hat der VN dann "freie Hand" wie er den Schaden reguliert. Das bedeutet, dass der Versicherer auch auf Deckungsebene zu Zahlungen und Anerkenntnissen nicht mehr einwenden kann, dass eine Haftungslage nicht vorgelegen habe. Dem VR ist damit abgeschnitten, zu argumentieren, dass der VN fehlerhaft geleistet habe, was dem VN je nach Sachlage jahrelange Beweiserhebungen ersparen kann.
Diese Rechtslage ist so selbstverständlich, entspricht letztlich dem Gedanken, dass derjenige, der im Verzug ist, für Folgen daraus aufzukommen hat, dass es verwunderlich ist, dass es VR doch immer wieder versuchen, sich hierüber zu verteidigen. Die Praxis zeigt, dass dies soweit gehen kann, dass darüber Existenzen von VN gezielt zerstört werden, um darüber für den VR wirtschaftlich bessere Ergebnisse zu erzielen.
Dieses rechtswidrige Verhalten wird oft dadurch begünstigt, dass VN ihre Rechte nicht einzuschätzen wissen. Selbst Fachanwälte im Versicherungsrecht erkennen entsprechendes manchmal nicht, wenn ihnen solche Fälle zuvor noch nicht begegnet sind. Auch Richter ahnen oft nicht, in welcher Weise Versicherer dazu auch gerichtlich durch ihre hochspezialisierten Kanzleien im Rechtlichen und teils sogar Tatsächlichen deren Anwälten bewusst falsch vortragen lassen. Diese teils sogar irregulären Argumentationstechniken dienen also dazu, um die für den VN sehr günstige Rechtslage der Treuwidrigkeit zu verschleiern, sind je nach Einzelfall aber sogar ihrerseits als Betrug oder sittenwidriges Sperrverhalten im SInne des § 826 BGB zu werten.
Sollten Sie einen Anwalt suchen, der mit entsprechenden Sachlagen schon konfrontiert war, steht ihnen der Unterzeichner mit entsprechender Expertise gerne zur Verfügung.