Wenn die Rentenversicherung den Betriebsprüfer schickt: Wirksamer Schutz vor überhöhten Beitragsforderungen

Staat und Verwaltung
29.03.200930251 Mal gelesen
Die Betriebsprüfer der Rentenversicherung sind verpflichtet, jeden Betrieb alle vier Jahre zu prüfen.

Die Prüfer können sämtliche Beschäftigungsverhältnisse prüfen, z.B. mitarbeitende Familienangehörige (Ehegatten, Geschwister, Kinder), GmbH-Geschäftsführer, freie Mitarbeiter, Subunternehmer, Studenten, Praktikanten und Schüler. Was nach einem Routinevorgang klingt, kann auch zum Verhängnis werden. Denn die Prüfer können Beiträge nachfordern. Allein im Geschäftsjahr 2006 forderte die Deutsche Rentenversicherung aufgrund von Betriebsprüfungen Beiträge in Höhe von rund 688 Mio EUR nach. Einschließlich Säumniszuschlägen betrugen die Nachforderungen sogar rund 802 Mio Euro. Bis 30.06.2007 waren die Rentenversicherungen nur für die Beiträge zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zuständig. Ab 01.07.2007 ist die Prüfung der Künstlersozialabgabe hinzugekommen. Zum 01.01.2010 werden auch die Beiträge zu den Berufsgenossenschaften in die Prüfungen mit einbezogen. Die sozialrechtliche Betriebsprüfung gewinnt also in der Praxis beträchtlich an Bedeutung. 

Wie man sich vorbereitet

Der Prüfer kündigt sich in der Regel schriftlich an. Die Ankündigung soll möglichst einen Monat, spätestens jedoch 14 Tage vor der Betriebsprüfung erfolgen. Diese Zeit sollte man nutzen. D.h. alle Unterlagen, Bescheinigungen und Nachweise geordnet und übersichtlich bereithalten. Beschäftigungsverhältnisse kritisch überprüfen. Geprüft wird zwar grundsätzlich beim Arbeitgeber. Die Prüfung kann aber auch bei Steuerberatern erfolgen. Mit Beratern sprechen. Gibt es kritische Beschäftigungsverhältnisse? Wo lauern Fallen? Hat vor kurzem eine Steuerprüfung stattgefunden? Hat das Finanzamt Beanstandungen vorgenommen, die erneut zum Tragen kommen könnten?

Was wird geprüft? Womit muss man rechnen?

Der Prüfer durchleuchtet die Beschäftigungsverhältnisse und prüft, ob Meldepflichten eingehalten und Beiträge zutreffend abgeführt wurden. Er darf die gesamte Finanzbuchhaltung, einschließlich der Aufwandskonten einsehen. Ebenso Lohn- und Gehaltskonten aller Arbeitnehmer, Beitragsabrechnungen, Meldungen, Unterlagen über Versicherungsfreiheit von Mitarbeitern, Anstellungsverträge, Gesellschafterverträge, Dienst- und Werkverträge von selbstständig Beschäftigten, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Kassenbücher, Journale. Die Betriebsprüfung umfasst auch die Abrechnungsunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt worden sind, z.B. freie Mitarbeiter.

Nachforderungen, Verjährung, Vorsatz

Unerfreulich endet eine Prüfung immer dann, wenn der Prüfer am Ende hohe Beitragssummen nachfordert. Zwar ist die Rückforderung in der Regel nur auf den Zeitraum der letzten vier Jahre beschränkt. Denn Beitragsansprüche verjähren grundsätzlich in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Wurden die Beiträge jedoch vorsätzlich vorenthalten, tritt die Verjährung erst nach dreißig Jahren ein. Bedingter Vorsatz reicht bereits aus. Er liegt schon dann vor, wenn der Beitragsschuldner seine Beitragspflicht zwar für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat.

Sonderrisiko Säumniszuschlag

Für Beiträge, die nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt werden, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von einem Prozent des rückständigen Betrages zu zahlen. Bezieht sich die Nachforderung auf einen länger zurückliegenden Zeitraum, können die Säumniszuschläge sogar höher sein, als die eigentliche Beitragsforderung. 

Lohnsteuerhaftungsbescheide

Die sozialversicherungsrechtliche Prüfung ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zwar unabhängig von der Entscheidung der Finanzbehörden. Arbeitgeber müssen aber Lohnsteuerhaftungsbescheide und Prüfberichte der Finanzbehörden vorlegen. Der Prüfer ist sogar verpflichtet, diese Unterlagen einzusehen und auszuwerten. Hat das Finanzamt bereits einen freien Mitarbeiter steuerlich nicht als selbstständig anerkannt und für diesen die Lohnsteuer nacherhoben, erhält der Rentenversicherungsträger davon Kenntnis. Umgekehrt sind auch die Prüfer der Rentenversicherung den Finanzbehörden zur Auskunft verpflichtet. Wenn sie bei einer Betriebsprüfung Tatsachen erfahren, die den Verdacht einer Steuerstraftat begründen, müssen sie von Amts wegen, d. h. im Wege der Spontanmitteilung, die Finanzbehörden informieren. Es müssen allerdings konkrete Verdachtsmomente, nicht nur Vermutungen vorliegen

Untersuchungsgrundsatz, Beweislast

Für alle Verwaltungsverfahren, also auch für Betriebsprüfungen gilt das Prinzip der Amtsermittlung. Die Prüfer müssen die entscheidungsrelevanten Tatsachen selbst ermitteln. In Zweifelsfällen kann aber der Arbeitgeber beweispflichtig werden (z.B. wenn sich die Voraussetzungen eines Minijobs nicht aufklären lassen). Unklarheiten gehen dann zu seinen Lasten. 

Abschlussgespräch und Prüfbescheid

Die Prüfung endet mit einem Abschlussgespräch und einem Prüfbescheid. Will die Prüfstelle Beiträge nacherheben, muss sie den Betrieb vor Erlass eines förmlichen Bescheides dazu anhören. In dem Anhörungsschreiben sind die Gründe für die beabsichtigte Nachforderung darzustellen. 

Widerspruch und Klage

Gegen den Prüfbescheid ist der Widerspruch statthaft. Wird der Widerspruch zurückgewiesen, ist die Klage zum Sozialgericht zulässig. Aber Achtung: Beitragsbescheide sind sofort vollziehbar! Das bedeutet, dass Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben. Die Beiträge müssen also zunächst gezahlt werden. Stellt sich später - im Widerspruchsverfahren oder vor dem Sozialgericht - heraus, dass die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers nicht zutreffend war, werden die Beiträge zurückgezahlt. In bestimmten Fällen kann man aber in einem sog. Eilverfahren einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung beim Sozialgerichts stellen. Dies empfiehlt sich immer dann, wenn ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Beitragsforderung bestehen.