Entscheidungsflut um Doc Morris
Doc Morris, die größte europäische Versandapotheke mit Sitz in den Niederlanden, hat Anfang des Jahres einen weiteren Vorstoß auf den deutschen Markt gewagt. Bereits im Jahr 2006 haben deutsche Kunden den überwiegenden Teil ihrer Bestellungen ausgemacht. Dabei lassen sich bei Doc Morris bei verschreibungsfreien Medikamenten bis zu 30 % des üblichen Preises und bei rezeptpflichtigen Medikamenten bis zur Hälfte der üblichen Zuzahlung einsparen.
Bereits vier Monate nach der vorläufigen Schließung der ersten Doc Morris Apotheke in Saarbrücken aufgrund eines Urteils des Verwaltungsgerichts Saarbrücken wurde mit der Eröffnung einer Franchise-Filiale am 08. Januar 2007 nun ein neues Geschäftsmodell umgesetzt. Die deutschen Apotheker haben sich bereits in der Vergangenheit unzufrieden mit der neuen Konkurrenz gezeigt. Unterschriftenaktionen und Klagen gegen die Versandapotheke scheiterten allerdings bisher vor dem europäischen Gerichtshof.
Erst im Juni 2006 hatte das saarländische Gesundheitsministerium der niederländischen Aktiengesellschaft Doc Morris eine Betriebserlaubnis erteilt, woraufhin das Unternehmen am 3. Juli eine Doc Morris Apothekenfiliale in Saarbrücken eröffnet hatte. Laut dem im deutschen Recht bestehenden Fremdbesitzverbot ist es jedoch nur approbierten Apothekern und nicht Kapitalgesellschaften erlaubt, eine Apotheke zu betreiben. Nach Ansicht des Gesundheitsministeriums war trotzdem eine Zulassung zu erteilen, da dieser Grundsatz des deutschen Rechts nicht mit Europarecht zu vereinbaren sei.
Durch einen erfolglosen Antrag einer Apothekerin im August 2006 vor dem LG Saarbrücken gegen die Betriebserlaubnis wurde dann die Entscheidungsflut im Fall Doc Morris in Gang gesetzt. Die Apothekerin scheiterte allerdings sowohl mit ihrem Antrag beim LG, wie auch in zweiter Instanz vor dem OLG.
Mehr Erfolg hatten drei Apotheker aus Saarbrücken. Durch ihren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Betriebserlaubnis vor dem VG Saarbrücken (3 F 38/06) wurde die Doc Morris Filiale vorläufig geschlossen. Die Antragsteller hatten sich darauf berufen, wegen der Veränderungen durch die Betriebserlaubnis für Doc Morris in ihrem Recht auf Chancengleichheit im beruflichen Wettbewerb verletzt zu sein. Das VG hat bei seiner Entscheidung berücksichtigt, dass sich im Eilverfahren keine endgültige Aussage über die Rechtmäßigkeit der einschlägigen deutschen apothekenrechtlichen Vorschriften mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht treffen ließe. Daher hat es unter Abwägung der widerstreitenden Interessen entschieden. Ausschlaggebend war, dass bei einer Schließung der Filiale getätigte Investitionen nicht gänzlich verloren seien und Doc Morris zudem bei seiner erstmaligen Ansiedlung eine unternehmerische Risikoentscheidung getroffen habe, wohingegen die privaten Apotheken bereits seit längerem bestanden hätten. Bei der Abwägung hat das VG zudem das öffentliche Interesse auf eine fachgerechte Versorgung mit Arzneimitteln über das wirtschaftliche Interesse von Doc Morris gesetzt. Mit der gleichen Argumentation wurde auch einem weiteren Apotheker aus Saarbrücken am 18. September 2006 gegen die Doc Morris Betriebserlaubnis vorläufiger Rechtsschutz (3 F 39/06) gewährt.
Gegen diese Entscheidungen haben das saarländischen Gesundheitsministerium und Doc Morris Beschwerde eingelegt. In zwei Zwischenentscheidungen (3 W 14/06 und 3 W 15/06) hat es das Oberverwaltungsgericht am 26. September 2006 abgelehnt bis zur endgültigen Entscheidung über die Beschwerden die Vollziehbarkeit der Schließungsverfügung auszusetzen. Am 27. September 2006 hat das Verwaltungsgericht den Eilantrag von Doc Morris gegen die vorläufige Schließung der Apothekenfiliale zurückgewiesen (3 F 40/06). Als Begründung wurde ausgeführt, die Situation seit Erlass der vorläufigen Schließungsverfügung habe sich nicht geändert.
Eine endgültige Klärung der Situation bleibt nun den offenen Verfahren vorbehalten. Da es bei allen Fragen entscheidend auf die Vereinbarkeit des deutschen Fremdbesitzverbotes mit der europäischen Niederlassungsfreiheit ankommt und diese Frage vom EuGH bisher noch nicht entschieden worden ist, wird das Verwaltungsgericht voraussichtlich in einem Vorabentscheidungsverfahren den EuGH anrufen müssen. Die entscheidende Frage wird dabei sein, ob das deutsche Apothekerleitbild ein zwingend hinnehmbares Allgemeinwohlerfordernis darstellt.
Im Ergebnis bleibt die Frage bestehen, ob der Ausgang dieser Verfahren für den Erfolg von Doc Morris in Deutschland überhaupt noch ausschlaggebend sein wird. Mit der Eröffnung der ersten Franchising-Apotheke am 08. Januar 2007 setzt Doc Morris nun auf ein neues Geschäftsmodell um den deutschen Markt zu erobern. Bei dieser Markenpartnerschaft bleibt die Apotheke im Eigentum des zugelassenen Inhabers. Dieser verkauft seine Medikamente unter dem Doc Morris Logo und bekommt zusätzlich Informationen von Doc Morris. Im Gegenzug bezahlt er dafür eine Lizenzgebühr. Doc Morris plant in den kommenden fünf Jahren 500 Apotheken zu Partnern zu machen.
Ob dieses Konzept sich juristisch und wirtschaftlich auszahlen wird, bleibt vorerst abzuwarten.
Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dipl.-Ing. Michael Horak.