Abmahnwahn-Dreipage im Interview mit RA Gulden, Fachanwalt f. Urheber-und Medienrecht zur Digiprotect Niederlage vor dem AG Frankfurt

Medien- und Presserecht
08.10.20091504 Mal gelesen


Abmahnwahn-Dreipage im Interview mit RA Gulden, Fachanwalt f. Urheber-und Medienrecht zur Digiprotect Niederlage vor dem AG Frankfurt

Immer wieder rücken, wenn es im Abmahnwesen zu Ungunsten der Abgemahnten läuft, die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in den Mittelpunkt, der meist unbegründeten Kritik. Wir mussten auch verstärkt immer wieder von Vergleichen oder Urteilen berichten, wo meist zwar für den Beklagten eine kostengünstige und risikominimierte Lösung herauskommt, aber eben echte positive Urteile für eine Motivation fehlen. Neben den jüngsten Erfolgen der Kanzlei Wilde-Beuger machte diese Woche eine Schlagzeile die Runde:

DigiProtect GmbH verliert Filesharing Prozess vor dem AG Frankfurt! Die Initiative Abmahnwahn-Dreipage ist der Meinung, dass man positive Urteile nicht so einfach als Kurzmeldung nur zur Kenntnis nehmen sollte. Dafür gibt es leider zu wenige. Auch wenn viele dabei vergessen, wer bewusst herunterlädt (§ 53 UrhG)/uploadet (§ 19a UrhG) macht sich strafbar und viele Gerichtsstände stellen strenge Anforderungen gemäß den Prüf- und Aufsichtspflichten eines Anschlussinhaber bzgl. der so genannten Störer-haftung. Zu diesem Zweck haben wir uns mit RA Gulden, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht von der Kanzlei GGR Rechtsanwälte - Gulden & Röttger GbR verabredet.

SH: Herr RA Gulden. Wir beglückwünschen Sie zu dem positiven Urteil, und das vor dem AG Frankfurt. Können Sie, natürlich das Einverständnis Ihrer Mandantin vorausgesetzt, zum Anfang den Sachverhalt von der Abmahnung bis zum Verhandlungstermin stich-punktartig darlegen?

RA Gulden: Unser Mandant wurde im Jahre 2007 wegen des unterstellten illegalen Up-loads eines pornografischen Films von DigiProtect über die Kanzlei Kornmeier und Partner abgemahnt. Er ließ sich davon nicht beeindrucken und verwies die Gegenseite darauf, dass der Film von seiner 13-jährigen Schwester heruntergeladen worden sei, und verweigerte jegliche Zahlung. Daraufhin beantragte die Gegenseite einen Mahnbescheid und ließ einen Vollstreckungsbescheid folgen, durch den der Beklagte dazu verurteilt wurde, 926,80 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Dagegen legte der damalige Rechtsanwalt des Beklagten Einspruch ein und bat unsere Kanzlei mit der Übernahme des Mandats und der gerichtlichen Vertretung.

SH: Handelte es sich im vorliegenden Fall um eine Klage aus einem vorangegangenen Mahnbescheid oder um eine reine Leistungsklage, in der die anwaltlichen Aufwendungen und der vermeintliche Schadensersatz eingefordert werden?

RA Gulden: Die Gegenseite machte im Rahmen des Vollstreckungsbescheids einen Schadensersatz in Höhe von 275,00 Euro geltend sowie die Bezahlung der ihr angeblich entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 651,80 Euro. Nachdem Einspruch eingelegt wurde, kam das amtsgerichtliche Verfahren ins Rollen.

SH: "Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden dürfe. Daher setze die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Das Gericht legte dar, dass grundsätzlich der Anschein dafür spreche, dass der Anschlussinhaber die über seinen Anschluss begangene Rechtsverletzung selbst vollzogen habe, dass dies jedoch widerlegt werden könne, was vorliegend dem Beklagten gelungen sei." Ein juristischer Laie kann sich hier nicht viel vorstellen. Können Sie näher auf Ihrer Verteidigungsstrategie eingehen. Warum war Ihr Mandant kein Störer, obwohl er dem Anscheinbeweis nach infrage für den Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz kommen könnte?

RA Gulden: Unser Mandant war zum maßgeblichen Tatzeitpunkt nachweislich nicht zu Hause. Somit konnte er kein Täter sein. Fraglich war nun, ob er für das Tun seiner minderjährigen Schwester zur Verantwortung gezogen werden konnte. Hier haben wir argumentiert, dass die Tatsache der Anschlussinhaberschaft nicht auto-matisch dazu führen kann und darf, dass der Inhaber eines Internetanschlusses in jedem Fall haftet. Wir haben dabei klargestellt, dass eine so genannte Störerhaftung doch nur dann infrage kommen kann, wenn es bereits in der Vergangenheit konkrete Anhalts-punkte für einen entsprechenden Verstoß gegeben hätte. So war es in unserem Fall jedoch nicht. Sowohl die Eltern als auch der beklagte Bruder hatten die Schwester bzw. Tochter stets eingehend über die Gefahren des Internets belehrt. Das Gericht teilte unsere Auffassung.

SH: Herr RA Gulden. Der Amtsrichter vertrat die Auffassung, dass elementar keine grundsätzliche Pflicht bestehe, den Anschluss mit technischen Schutzvorrichtungen zu versehen, wenn von außen kein Eingriff erfolgt sei. Diese Argumentation scheint aber eine ganz neue Trendwende in der Auffassung bzgl. der Störerhaftung zu sein. Ansonsten kann ich mich erinnern, sollte man sogar als Anschlussinhaber besondere technische Mittel (Modems/Router) einsetzen. Ist und bleibt dieses Urteil eine Einzelfallentscheidung oder hat es richtungsweisenden Charakter hinsichtlich der Thematik Störerhaftung?

RA Gulden: Zunächst hoffen wir, dass es keine Einzelfallentscheidung bleibt, da das Urteil absolut sachgerecht ist. Bisher war es so, dass den Interessen der Musik-, Film- und Pornoindustrie Vorrang eingeräumt wurde, teilweise ohne jegliche einzelfallbezogene Sachverhaltswürdigung. Die neueren Urteile dürften dazu führen, dass es den Abmahn-kanzleien künftig nicht mehr so leicht gemacht wird, ihre Forderungen gerichtlich durch-zusetzen. Nach wie vor ist dazu anzuraten technische Schutzvorrichtungen einzusetzen, da diese bereits im Vorfeld Ärger verhindern können und die Gerichte nach wie vor sehr unterschiedlicher Auffassung sind. Die neueren Urteile zu Gunsten der Abgemahnten zeigen jedoch, dass auch die Abmahnindustrie ein immer höheres Prozessrisiko zu tragen hat, wie auch die Prozesse um die Ed-Hardy-Abmahnungen zeigen, in denen wir ebenfalls - jüngst vor dem LG Düsseldorf - obsiegt haben. Auch wenn es viele Gesetzeslücken gibt, so zählt das deutsche Rechtssystem zu den vor-bildlichsten weltweit, da im Gegensatz zu den USA bspw. eine Einzelfallprüfung erfolgt, die wie gesehen zum Erfolg führen kann.

SH: Welche Kosten hatte Ihre Mandantin über diesen Zeitraum, was muss die Klägerseite sowie die Beklagtenseite zahlen? Sicherlich war die Klage auf die berühmt berüchtigten EUR 801,180 aufgebaut.

RA Gulden: Unser Mandant musste lediglich einen Vorschuss für unsere Vertretung zahlen. Alles andere lassen wir uns von DigiProtect bezahlen.

SH: Welchen Eindruck hatten Sie von der Klägerseite. Schienen sie zufrieden, eher un-zufrieden oder will man gar das Urteil anfechten?

RA Gulden:
Der Ausgang dieses Verfahrens ist vordergründig schlecht für die Gegenseite. Zu überlegen wäre die Einlegung der Berufung mit der Hoffnung, dass das Urteil kassiert wird. Das Urteil könnte allerdings auch bestätigt werden, was in Frankfurt sehr wahr-scheinlich wäre, da die höheren Instanzen bereits in der Vergangenheit erkannt haben, dass die Störerhaftung nicht über Gebühr ausgedehnt werden dürfe. Dies hätte zur Folge, dass DigiProtect noch mehr zahlen müsste und die Niederlage auch in juristischer Hinsicht noch höher ausfallen würde.

SH: Es ist eine Unsitte geworden, dass nicht nur die Gegenseite, aktuelle BGH Ent-scheidungen mit aller Gewalt auf P2P-Verfahren anwenden will. Die Initiative Abmahn-wahn-Dreipage vertritt den Standpunkt, dass die so genannte Halzband-Entscheidung (NJW 2009,1960 ff) dem Wettbewerbsrecht entspringt und auch dort hingehört. Viele lesen hierzu leider nur die Leitsätze und nicht das komplette Urteil. Er wird nämlich dann feststellen, dass es sich hier um eine auf die besonderen Begebenheiten bei eBay be-zogene Entscheidung handelt. Auf Filesharing ist sie selbstredend nicht übertragbar, warum: (1) Im Gegensatz zu einem eBay-Account erfüllt ein Internetanschluss keine Legitimationsfunktion im Rechtsverkehr; hierauf hat der BGH aber entscheidend abgestellt. Der im Halzband-Fall konstruierte Zurechnungsgrund ist hier also nicht gegeben. (2) Man kann das Problem auf einen einfachen Nenner bringen: Eine Störerhaftung baut nach neuerer Rechtsprechung des 1. Zivilsenats auf ein absolutes Recht auf. Das Urheber-recht ist ein absolutes Recht, eine Störerhaftung ist hier also denkbar. Anders sieht es im Wettbewerbsrecht aus. Dort geht es nicht um die Verteidigung eines absoluten Rechts, daher keine Störerhaftung mehr, sondern anderer Zurechnungstatbestand. Herr RA Gulden. Welche Argumentation haben Sie bzw. das Amtsgericht vorgetragen?

RA Gulden: Kurz gesagt haben wir vorgetragen, dass es nicht sein kann, dass der Inhaber eines Internetanschlusses permanent mit einem Bein im Gefängnis steht, nur weil er eben Inhaber eines solchen Anschlusses ist. Wie Sie richtig erkennen, hat auch das Gericht klargestellt, dass die aus dem "Halzband-Urteil" angelegten Maßstäbe des BGH auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden seien. Im Gegensatz zu einem Internetanschluss handele es sich bei eBay um einen kleinen Ausschnitt aus dem Netz, bei welchem eine Registrierung als Mitglied allein dem Zweck diene, Verträge anzubahnen, abzuschließen und abzuwickeln. Hier bestünde ein be-rechtigtes Interesse des Verkehrs zu erfahren, wer der Vertragspartner auf der anderen Seite sei. Kommt es hier zu Nachlässigkeiten, etwa weil der Inhaber des Accounts seine Zugangsdaten offen herumliegen lässt, dann müsse er auch dafür einstehen. Dies treffe aber nicht unseren Fall. Eine Ausdehnung der Haftung würde dazu führen, dass der Inhaber eines Internetzugangs einer Gefährdungshaftung unterliege. Als Beispiel führte das Gericht an, dass dies damit vergleichbar wäre, wenn sämtliche über einen bestimmten Telefonanschluss abgeschlossenen Verträge dem Inhaber des Telefon-anschlusses zuzurechnen seien, gleichgültig, ob er telefoniert habe oder nicht.

SH: Dieses positive Urteil zeigt eigentlich nur, dass es sich lohnt zu kämpfen, aber nur mit einem Fachanwalt. Welche Empfehlung können Sie einem Neuabgemahnten sowie einen Betroffenen, der eine Klageschrift sein Eigenen nennt, mit auf den Weg geben?

RA Gulden: Die Hinzuziehung eines Fachanwaltes ist sicherlich der richtige Weg, da es einen Unterschied macht, ob man sich auf außergerichtliche Vergleichsabschlüsse beschränkt oder aber dem Gefecht vor Gericht stellt. In jedem Fall sollten die Betroffenen dem Anwalt den Sachverhalt genau schildern, da nur so die bestmögliche Vertretung gewährleistet werden kann. Keinesfalls sollte eine vorherige Kontaktaufnahme mit den Abmahnkanzleien erfolgen. Dieser Versuch geht meistens nach hinten los und erschwert eine erfolgreiche Vertretung.

SH: Herr RA Gulden. Die Initiative Abmahnwahn-Dreipage bedankt sich bei Ihnen recht herzlich für dieses informative Gespräch, wünscht Ihnen privat und beruflich sowie Ihrer Kanzlei viel Erfolg und Schaffenskraft.

RA Gulden: Ganz meinerseits! Ende

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