BGH bestätigt Recht auf Anonymität im Netz – Gegen Bewertungsportale besteht kein direkter Auskunftsanspruch

Internet, IT und Telekommunikation
01.07.2014328 Mal gelesen
Der BGH hat heute entschieden, dass Bewertungsportale nicht verpflichtet sind, über die Löschung der rechtswidrigen Kommentare hinaus, die Identität des Verfassers preiszugeben. Damit stärkt der BGH das Recht auf Anonymität im Netz. Das bedeutet, dass Betroffene künftig weiterhin ausschließlich den Umweg über das Strafrecht wählen müssen, um herauszufinden, wer unwahre Tatsachen oder Beleidigungen verbreitet.

Das unerwartete Urteil

Die Entscheidung ist überraschend, denn der BGH hat damit den Urteilen der Vorinstanzen widersprochen, die jeweils einen Auskunftsanspruch des Arztes bejaht hatten, der von dem Bewertungsportal Sanego erfahren wollte, wer hinter den rechtswidrigen zu löschenden Kommentare steckte. Als Grund für seine Entscheidung gab der BGH das Fehlen einer Rechtsgrundlage an. § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG besagt, dass ein Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Eine Herausgabe der Daten darf zudem laut § 12 Abs. 2 TMG grundsätzlich nicht ohne Einwilligung des Nutzers oder einer speziellen gesetzlichen Grundlage, die sich auf Telemedien bezieht, erfolgen. Da eine solche gesetzliche Grundlage fehle, könne kein Auskunftsanspruch bejaht werden, so die Richter.

Konsequenz der BGH Entscheidung

Der Kölner IT Anwalt Christian Solmecke erklärt: "Für Betroffene rechtswidriger Äußerungen im Netz bleibt es nach dieser Entscheidung schwierig denjenigen ausfindig zu machen, der etwas anonym veröffentlicht hat. Die Möglichkeit zivilrechtlich die Verfasser rechtswidriger Bewertungen in Anspruch zu nehmen bleibt ihnen verwehrt. Die Entscheidung ist jedoch kein Freibrief für das Verfassen beleidigender Kommentare im Netz. Die Betroffenen haben immer noch die Möglichkeit im Wege eine Strafanzeige an die Identität des Verfassers zu kommen". Der BGH stellt ebenfalls klar, dass Betroffene einen Unterlassungsanspruch gegen den Dienstanbieter haben. "Problematisch ist hierbei allerdings, dass im Falle wiederholter rechtswidriger Äußerungen der Aufwand immer wieder einen Unterlassungsanspruch zu beantragen sehr hoch ist. Schließlich begründet auch nicht jede unwahre Tatsachenbehauptung eine Straftat, sodass den Betroffenen ohne weitergehenden zivilrechtlichen Anspruch die Hände gebunden bleiben", stellt RA Christian Solmecke fest.

Für Bewertungsportale bedeutet die Entscheidung des BGH eine Erleichterung. Der Mehraufwand wäre für sie erheblich geworden. Für die Betroffenen ist die Verteidigung gegen diffamierende Äußerungen weiterhin langwierig und beschwerlich. Der einzige Weg die Identität des Verfassers der Bewertung zu erfahren ist eine Strafanzeige zu stellen und später Akteneinsicht zu beantragen. RA Christian Solmecke bewertet das Urteil als "ein Schlag ins Gesicht für alle Mobbing Opfer". Diese hätten es jetzt erheblich schwerer, gegen die Verursacher vorzugehen. Solange keine Straftat gegeben ist, bleibt ihnen nur die Möglichkeit persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte einzeln löschen zu lassen. Eine frustrierende Sisyphusarbeit für die Betroffenen. Erst wenn die Grenze zur Strafbarkeit überschritten ist, können die Staatsanwälte eingeschaltet werden.

Fazit

Durch die Entscheidung des BGH wurde das Recht auf Anonymität im Netz weiter verfestigt. Die Richter mussten hier abwägen zwischen den gesetzlichen Normen, die eine anonyme Bewertung im Netz ausdrücklich erlauben und den Persönlichkeitsrechten des Betroffenen. Die Abwägung ist aufgrund der eindeutigen Gesetzeslage zugunsten der Betreiber von Bewertungsportalen ausgefallen. "Ausschließlich der Gesetzgeber kann hier Abhilfe schaffen indem es neue Gesetze beschließt", erklärt Solmecke.

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