Rechtswörterbuch

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Mobbing

 Normen 

§ 3 ArbSchG

§ 75 BetrVG

§ 3 AGG

 Information 

1. Begriff

Nach einer Definition des Bundesarbeitsgerichts ist Mobbing das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte.

Kein Mobbing sind Unstimmigkeiten zwischen Kollegen sowie zwischen Arbeitnehmern und Vorgesetzten, die ein typischerweise im Arbeitsleben anzutreffendes Ausmaß nicht überschreiten und von dem Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt sind.

Insbesondere im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, die sich durchaus auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, aber sozial- und rechtsadäquat sind, sind nicht geeignet sind, die Voraussetzungen zu erfüllen (LAG Hamm 19.01.2012 - 11 Sa 722/10).

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist nicht jede Auseinandersetzung, Meinungsverschiedenheit oder nicht gerechtfertigte Maßnahme des Arbeitgebers (z.B. Abmahnung, Versetzung, Kündigung) eine rechtswidrige und vorwerfbare Verletzung der Rechtsgüter des Arbeitnehmers und damit eine unerlaubte Handlung oder einen Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB.

Bei der Zusammenarbeit im Rahmen von Arbeitsverhältnissen kommt es typischerweise zu Konflikten und Meinungsverschiedenheiten, ohne dass die dabei zutage tretenden Verhaltensweisen des Arbeitgebers oder der Vorgesetzten bzw. Kollegen des Arbeitnehmers zwangsläufig zu einer widerrechtlichen Beeinträchtigung der Rechtsgüter des Arbeitnehmers führen oder einen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht bedeuten. Die Grenze zum nicht rechts- bzw. sozialadäquaten Verhalten ist allerdings dann überschritten, wenn Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es Fälle gibt, in welchen einzelne - vom Arbeitnehmer darzulegende - Handlungen oder Verhaltensweisen von Arbeitskollegen, Vorgesetzten oder des Arbeitgebers für sich allein betrachtet zwar noch keine Rechtsverletzungen darstellen, allerdings die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen zur Annahme einer Vertrags- oder Rechtsgutsverletzung führt, weil deren Zusammenfassung aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechts des Arbeitnehmers führt. Dann sind alle Handlungen bzw. Verhaltensweisen, die dem systematischen Prozess der Schaffung eines bestimmten Umfeldes zuzuordnen sind, in die Betrachtung mit einzubeziehen, einzelne zurückliegende Handlungen oder Verhaltensweisen dürfen bei der Beurteilung nicht unberücksichtigt gelassen werden (BAG 15.9.2016 - 8 AZR 351/15).

2. Rechtliche Möglichkeiten bei Vorliegen von Mobbing

Mittel zum Schutz des Gemobbten sind die Ermahnung, die Abmahnung, die Umsetzung, die Versetzung, die ordentliche Kündigung oder, in Ausnahmefällen, die außerordentliche Kündigung.

Der gemobbte Arbeitnehmer hat keinen Anspruch darauf, dass gegenüber dem die Mobbinghandlung ausführenden Arbeitnehmer die Kündigung ausgesprochen wird. Sofern der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, den Gemobbten auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz zu versetzen, so ist der Arbeitgeber ggf. hierzu verpflichtet (BAG 25.10.2007 - 8 AZR 593/06).

In Betrieben ohne Betriebsrat:

Es bestehen mehrere Anspruchsgrundlagen:

In Betrieben mit einem Betriebsrat:

In Betrieben, die dem Betriebsverfassungsgesetz unterliegen, kann sich der Gemobbte gemäß § 85 BetrVG förmlich beim Betriebsrat oder direkt gemäß § 84 BetrVG bei dem Vorgesetzten des Mobbenden beschweren oder den Arbeitgeber bzw. Betriebsrat auf die Einhaltung seiner in § 75 BetrVG niedergelegten Überwachungspflicht aufmerksam machen.

Der Betriebsrat kann gemäß § 104 BetrVG vom Arbeitgeber die Versetzung oder Kündigung des Mobbers verlangen, wenn dieser wiederholt den Betriebsfrieden gestört hat.

3. Schadensersatz / Schmerzensgeld

Die meisten der wegen Mobbing eingereichten Klagen werden als nicht substanziiert genug bzw. aufgrund einer nicht ausreichenden Beweislage abgewiesen.

Zum ersten Mal war der Schmerzensgeldanspruch eines gemobbten Arbeitnehmers 2001 gerichtlich anerkannt worden. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hatte in seinem Urteil vom 16.08.2001 - 6 SA 415/01 dem Arbeitnehmer ein Schmerzensgeld von 15.000,00 DM zuerkannt.

Mit dem Urteil BAG 25.10.2007 - 8 AZR 593/06 wurde der Schmerzensgeldanspruch eines gemobbten Oberarztes anerkannt.

Nach der Entscheidung LAG Nürnberg 05.09.2006 - 6 Sa 537/04 rechtfertigen verschiedentliche Äußerungen des Arbeitgebers, die die Arbeitsleistung kritisieren und dem Arbeitnehmer Sanktionen bei Fehlleistungen ankündigen, noch keine Schmerzensgeldansprüche wegen Persönlichkeitsverletzung oder Mobbing.

Die Besonderheit des haftungspflichtigen Mobbings liegt darin, dass dessen Einzelakte für sich genommen unbedenklich, neutral oder jedenfalls nicht haftungspflichtig sein können, sich jedoch in der Gesamt- und Zusammenschau ein haftungspflichtiges Gesamtverhalten ergibt. Der Schmerzensgeldanspruch erfordert fortgesetzte, systematisch durchgeführte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen (OLG München 31.07.2012 - 1 U 889/12).

Zum Ausschluss des Schmerzensgeldanspruchs aufgrund verspäteter Geltendmachung hat das BAG wie folgt entschieden: Das bloße Zuwarten mit der Geltendmachung eines Schmerzensgeldanspruchs wegen Mobbings reicht nicht aus, um das Umstandsmoment der Verwirkung zu begründen (BAG 11.12.2014 - 8 AZR 838/13).

4. Beweislast

In der Praxis ist Mobbing nur sehr schwer beweisbar. Grund ist, dass Zeugen (meist Kollegen) aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder aus Gruppenzwang selten wahrheitsgemäß aussagen oder "mauern" oder sich nicht mehr erinnern können.

Das Landesarbeitsgericht Berlin hat in seinem Urteil vom 15.07.2004 - 16 Sa 2280/03 die Anforderungen einer Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld dargelegt: Danach müssen die beanstandeten Verhaltensweisen so konkret dargelegt und bewiesen werden, dass in jedem Einzelfall beurteilt werden kann, ob diese Verhaltensweisen rechtswidrige und schuldhafte Überschreitungen des Direktionsrechts gewesen sind und der Handelnde damit rechnen musste, dass sein Verhalten eine Erkrankung hervorruft.

In den meisten zum Mobbing ergangenen Entscheidungen wurde die Klage abgewiesen, so LAG Hamm 19.01.2012 - 11 Sa 722/10.

Sofern der Kläger die Möglichkeit des Zeugenbeweises hat, hat er von diesem Beweismittel Gebrauch zu machen. Dass der Zeuge die "Mobbing-Äußerungen" selbst getätigt haben soll, steht dem nicht entgegen. Eine Parteivernehmung ist demgegenüber subsidiär (BAG 14.11.2013 - 8 AZR 813/12).

5. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

Die ein Schutzgut des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes verletzende Mobbinghandlung ist von dem Recht der Allgemeinen Gleichbehandlung im Arbeitsrecht erfasst:

Mobbing unterfällt dem Bereich der Belästigungen, § 3 Abs. 3 AGG: Unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 AGG genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Anfeindungen, Erniedrigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Zu den einzelnen Schutzgütern des AGG siehe den Beitrag "Allgemeine Gleichbehandlung".

Zu den Rechten der Arbeitnehmer, die von einer Belästigung betroffen sind, siehe den Beitrag "Allgemeinen Gleichbehandlung - Arbeitsrecht".

Die grundsätzliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Beschäftigten ist in § 12 AGG für den Bereich des Benachteiligungsschutzes konkretisiert: Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle Maßnahmen zu ergreifen, um Benachteiligungen seiner Beschäftigten abzuwenden bzw. ihnen vorzubeugen. Dies gilt auch, wenn die Benachteiligung von anderen Beschäftigten oder Dritten (soweit der Arbeitsbereich betroffen ist) ausgeht. Er ist verpflichtet, gegenüber den Beschäftigten, von denen die Benachteiligung ausgeht, arbeitsrechtliche Sanktionen wie eine Abmahnung, eine Versetzung, eine Umsetzung oder eine Kündigung auszusprechen.

 Siehe auch 

Allgemeine Gleichbehandlung

Allgemeine Gleichbehandlung - Arbeitsrecht

Abmahnung

Ausschlussfrist - Arbeitsrecht

Mediation

Verhaltensbedingte Kündigung

BAG 14.01.2015 - 7 ABR 95/12 (Pflicht des Arbeitgebers zur Übernahme der Kosten der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einem Seminar über Mobbing)

BAG 15.01.1997 - 7 ABR 14/96 (Definition von Mobbing)

BGH 20.10.2011 - 4 StR 71/11 (Garantenpflicht des Vorgesetzten zur Verhinderung von Mobbing)

OLG Celle 17.03.2008 - 1 Ws 105/08 (Klageerzwingungsverfahren bei Mobbing)

http://www.mobbing-zentrale.de

http://www.mobbing-web.de

Diller/Grote: Arbeitshilfe: Die Mobbingklage des Arbeitnehmers; Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR 2004, 984

Diringer: Ärger im Büro. Mobbing als Rechtsproblem; Arbeit und Arbeitsrecht - AuA 2014, 342

Giebel: Zivilrechtlicher Rechtsschutz gegen Cybermobbing in sozialen Netzwerken; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2017, 977

Jansen/Hartmann: Straining und Mobbing im Lichte des Persönlichkeitsschutzes; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2012, 1540

Reiserer/Lemke: Verbesserter Rechtsschutz für Mobbingopfer - Handlungsmöglichkeiten der Betroffenen; Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR 2002, 249

Stähler: Inklusion behinderter Arbeitnehmer; 1. Auflage 2013

Stück: Mobbing: Arbeits- und schadensrechtliche Leitlinien aus der aktuellen Rechtsprechung; Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR 2013, 378

Wolmerath: Mobbing im Fokus der Rechtsprechung; Der Personalrat - PersR 2004, 327