Persönlichkeitsrechte im laufenden Strafverfahren: Kachelmann unterliegt bild.de

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23.03.2013456 Mal gelesen
In einem aktuellen Urteil hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Zulässigkeit einer Berichterstattung über ein laufendes Strafverfahren auseinandergesetzt. Dabei unterlag der Wettermoderator Jörg Kachelmann gegen BILD digital GmbH & CO. KG.

In dem Verfahren ging es darum, inwiefern eine Berichterstattung über die intime Beziehung zwischen Täter und Opfer eines laufenden Strafprozesses zulässig ist.

Grundlage des Streits war die Berichterstattung des Internetportals "bild.de" aus Juni 2010 unter der Überschrift "Magazin "Focus" veröffentlicht intime Details - Der K. Krimi: Neue Indizien aus der Tatnacht", in dem persönliche Details aus den Ermittlungsakten zum Vergewaltigungsprozess zwischen dem mittlerweile freigesprochenem Jörg Kachelmann und seiner Ex-Freundin offengelegt wurden.

 

Dabei legte der BGH in seinem Urteil vom 19.03.2013 (Az. VI ZR 93/12) höchstrichterlich erstmals fest, "ob, und in welchem Umfang die Erörterung von privaten, das Persönlichkeitsrecht des an einem Gerichtsverfahren Beteiligten berührenden Umständen in öffentlicher Verhandlung, insbesondere in einer Strafverhandlung, eine Berichterstattung unter dem Gesichtspunkt der Presse- und Informationsfreiheit erlaubt ist."

 

Im konkreten Fall setzte sich Herr Kachelmann gegen die Online-Berichterstattung vor dem Landgericht Köln mit einem Unterlassungsantrag zur Wehr, da er sich durch diese Indiskretion in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt sah.

 

Dieser Auffassung schloss sich zunächst das Landgericht Köln an und verurteilte den Betreiber von "bild.de" zunächst, es zu unterlassen die beanstandeten Äußerungen, aus denen sich Rückschlüsse auf die sexuellen Neigungen des Klägers ergaben zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten. Auch das Oberlandesgericht Köln vertrat diese Ansicht und wies die Berufung der Beklagten zurück.

 

Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Berichterstattung aus der Intimsphäre

 

Letztlich bejahte auch der für den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in der Berichterstattung auf bild.de eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Herrn Kachelmann als gegeben. Das Gericht führte insoweit aus, dass die Veröffentlichung im Juni 2010  rechtswidrig war, da hier ein Verstoß gegen die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) folgenden und in Art. 6 Abs. 2 der europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten Unschuldsvermutung vorliege, mit der Folge einer möglichen durch die Medienberichterstattung bewirkten Stigmatisierung des Angeklagten. Der Schutz des Persönlichkeitsrechtes des Klägers vor Indiskretionen aus seinem Intimbereich sei daher höher zu bewerten als das Berichterstattungsinteresse der Beklagten, so der BGH weiter.

 

Kein Unterlassungsanspruch wegen fehlender Wiederholungsgefahr

 

Trotzdem gab der BGH der Revision statt und Herr Kachelmann unterlag mit seinem Unterlassungsbegehren.

 

Grund dafür war, dass die intimen Details, die Gegenstand der Berichterstattung auf bild.de waren und gegen deren Verbreitung sich Herr Kachelmann mit seinem Unterlassungsantrag zur Wehr setzte, im Laufe des Strafprozesses in einer öffentlichen Verhandlung mit Einverständnis von Herrn Kachelmann verlesen wurden. Sie waren in einem Aussageprotokoll enthalten.

 

Dies hat zur Folge, dass die Berichterstattung vor öffentlicher Verlesung zwar rechtswidrig war, vom Zeitpunkt der Verlesung ab, jedoch alle Medienvertreter uneingeschränkt aufgrund der Einwilligung von Herrn Kachelmann und damit einhergehenden hergestellten Öffentlichkeit im Rahmen des Strafprozesses über die vorgebrachten Details berichten durften.
Daraus folgt für den BGH, dass die für einen Unterlassungsanspruch notwendige Wiederholungsgefahr der rechtswidrigen Berichterstattung nicht mehr besteht, da eine Berichterstattung über diese verfahrensgegenständlichen intimen Details nunmehr rechtmäßig sei.

 

Der Unterlassungsanspruch von Herrn Kachelmanns sei somit nicht gegeben, die Klage unbegründet.

 

Fazit

 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Grundsatz der Öffentlichkeit im Rahmen einer strafrechtlichen Hauptverhandlung dazu führt, dass in den Medien über deren Inhalt umfassend berichtet werden kann.

 

Auch wenn die der Intimsphäre einer Person zu zuordnenden Tatsachen, wie im vorliegenden Fall die vorgelesenen intimen Details, zunächst nur von den im Gerichtssaal anwesenden Zuhörern wahrgenommen werden und damit von einem überschaubaren Personenkreis, nämlich nur der Saalöffentlichkeit, wird durch etwaige im Gerichtssaal präsente Pressevertreter, die Saalöffentlichkeit auch zur Medienöffentlichkeit.

 

Auf den Punkt gebracht: Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung im Strafprozess führt zur Berechtigung der Presse zur Berichterstattung über sämtliche Inhalte einer öffentlichen Verhandlung, einschließlich etwaiger Intimschilderungen.

 

Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass dieses Recht nicht so weit geht, dass ohne Bezug zur konkreten Tat und nur zur Befriedigung von Sensationslust und Neugierde über die die Intimsphäre eines Angeklagten berichtet werden darf.

 

Zutreffend führt der DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken dazu aus: "Das BGH-Urteil ist sehr differenziert. Es handelt sich daher keinesfalls um einen Freifahrtschein für Sensationsberichterstattung." Es stehe aber fest, dass der Inhalt einer öffentlichen Verhandlung auch von der Presse wiedergegeben werden müsse. "Das hat der BGH im Sinne der Pressefreiheit bestätigt." Gleichzeitig machte er aber auch klar, dass der "Schutz von Zeugen und Opfern Vorrang vor der Berichterstattung haben"

 

Mit der Entscheidung wird der BGH dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit gerecht, ohne dabei den grundgesetzlichen verankerten Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aufzuweichen.

 

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