Software-Escrow

Software-Escrow
28.03.2011524 Mal gelesen
Die Erhältlichkeit bestimmter und spezieller Software hat für viele Firmen längst existenzielle Bedeutung erlangt. In vielen Branchen ist man dabei auf das Zurverfügungstellen von Fremdsoftware angewiesen. Je spezieller und schwerer zu erhalten diese ist und je mehr das Unternehmen auf die Verfügbarkeit der Software angewiesen ist, desto größer ist das Bedürfnis, deren Erhältlichkeit abzusichern.

Selbstverständlich wäre es aus Sicht eines solchen Unternehmens die sicherste Lösung, den Quell-Code zu kaufen und sich übereignen zu lassen. Allerdings stehen hier oftmals die Interessen des Geschäftspartners entgegen. Dieser hat möglicherweise sein Geschäftsmodell auf die Lizensierung der speziellen Software abgestellt oder aus vielfachen anderen Gründen kein Interesse, den Quell-Code ohne Weiteres preiszugeben.

Das Escrow-Verfahren in all seinen Varianten dient dazu, den Interessen beider Vertragsparteien weitestgehend gerecht zu werden. Eine mögliche Konstruktion kann so aussehen, dass der Quell-Code des Softwareherstellers  dem Anwender in einem Übergabevertrag unbedingt übereignet wird. Der Code wird im Folgenden aber nicht dem Anwender, sondern einer Hinterlegungsstelle übergeben, um auch die Interessen des Softwareherstellers zu wahren. Die Hinterlegungsstelle wiederum schließt mit dem Anwender einen Hinterlegungsvertrag, in welchem exakt vereinbart wird, unter welchen Voraussetzungen die Hinterlegungsstelle den Quell-Code an diesen herausgeben darf. Bereits in dem Übergabevertrag zwischen Anwender und Softwarehersteller werden diese Bedingungen spiegelbildlich festgehalten.  Eine Verpflichtung eines solchen Vorgehens findet sich zumeist in den Rahmen-, Liefer- bzw. Supplyverträgen, welche zwischen Anwender und Softwarehersteller bestehen. Auch hier ist zu beachten, dass solche Regelungen inhaltlich der Rechtslage entsprechen.

Eine Escrow-Vereinbarung bietet dem Anwender die Sicherheit, dass er in dem Fall, dass dem Softwarehersteller z.B. - und je nach Regelung - seinen Betrieb aufgibt, den begehrten Quell-Code erhält, auf den sein Betrieb angewiesen ist. Der Softwarehersteller hingegen hat die Gewähr, dass der für ihn ebenfalls sehr wichtige Quell-Code nur in den stark eingegrenzten, zuvor festgelegten Fällen in die Hände des Anwenders gerät.

Das Hauptproblem rund um die Softwarehinterlegung spielt sich im Bereich des Insolvenzrechts ab. Escrow-Vereinbarungen können z.B. als Benachteiligung der Insolvenzgläubiger ausgelegt werden, mit der Folge ihrer Anfechtbarkeit.

  Hinsichtlich der Regelungen im Rahmenvertrag hat der BGH 2005 eine entsprechende Kündigungsregelung für auch im Insolvenzfall wirksam erachtet. Gestützt hat er sein Urteil in dem verhandeltetn Fall allerdings gerade darauf, dass mit der Angabe eines "wichtigen Grundes"  keine Gläubigerbenachteiligung bezweckt war, da eine solch allgemeine Regelung gerade auch außerhalb der Insolvenz verfange.

Allerdings ist das Kriterium eines "wichtigen Grundes" gerade wegen seiner allgemeinen Fassung denkbar ungeeignet für die Hinterlegungsvereinbarung. Der Hinterlegungsstelle wird hier kaum jemals deutlich werden, ob ein solch "wichtiger Grund" vorliegt oder nicht. Ist bereits der (wiederholte) Verzug mit Updates für das Programm seitens des Softwareherstellers ein solcher Grund, der zur Herausgabe berechtigt (und verpflichtet)? Stellen schwere persönliche Probleme der Geschäftsführer beider Unternehmen einen solchen Grund dar? Und wie wird das Vorliegen des behaupteten Grundes nachgewiesen? Hinzu käme bei einer solchen Regelung, dass es im Interesse des Anwenders liegen könnte, das Vorliegen eines solchen "wichtigen Grundes" zu provozieren und damit in den Besitz des Quell-Codes zu gelangen. Eine solche Herausgaberegelung würde aufgrund der Unbestimmtheit keinen Schutz für den Softwarehersteller darstellen, die vorzeitige Herausgabe des Quell-Codes zu verhindern.

Es bleibt daher zunächst wohl dabei, dass eine 100%ig sichere Hinterlegungsvereinbarung für den Insolvenzfall bei gleichzeitiger Beachtung der Interessen beider Parteien unter den gegenwärtigen Bedingungen zwar kaum sicher zu formulieren ist.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine solche Hinterlegungsvereinbarung sinnlos wäre, im Gegenteil. In allen Fällen bis auf den Insolvenzfall sind solche Vereinbarungen in der Lage, Sicherheit für beide Vertragspartner zu schaffen. Selbst in der Insolvenz mag dies gelingen, auch wenn der Erfolg aufgrund der Eigenheiten des deutschen Insolvenzrechts noch nicht sicher vorherzusehen ist.