Das Scheidungsverfahren kennt nur den frühen ersten Termin, nicht das schriftliche Vorverfahren mit dem Sammeln der Daten für den Versorgungsausgleich

Das Scheidungsverfahren kennt nur den frühen ersten Termin, nicht das schriftliche Vorverfahren mit dem Sammeln der Daten für den Versorgungsausgleich
26.01.20075592 Mal gelesen
Wie Bequemlichkeit von Richtern sich gegen das Gesetz durchsetzt und niemand was unternimmt, weil auch die Rechtsanwälte zu bequem sind, systematisch zu denken.

Auch im Scheidungsverfahren hat das Gericht unverzüglich Verhandlungstermin zu bestimmen (§§ 624 III, 216 II ZPO):

"Die Vorschriften über das Verfahren vor den Landgerichten gelten entsprechend, soweit in diesem Titel nichts Besonderes bestimmt ist (§ 624 III ZPO).

 

Die Termine werden von Amts wegen bestimmt, wenn Anträge oder Erklärungen eingereicht werden, über die nur nach mündlicher Verhandlung entschieden werden kann, oder über die mündliche Verhandlung vom Gericht angeordnet ist.

 

Der Vorsitzende hat die Termine unverzüglich zu bestimmen." (§216 I u. II ZPO)

Das Scheidungsverfahren kennt kein schriftliches Vorverfahren; dies ist ausdrücklich ausgeschlossen (§ 611 II ZPO):

"Die Vorschriften des § 275 I 1, III u. IV ZPO und des § 276 ZPO sind nicht anzuwenden."

 

Da die Zivilprozessordnung aber nur zwischen dem schriftlichen Vorverfahren (für das Scheidungsverfahren verboten) und dem frühen ersten Termin differenziert, kommt für das Scheidungsverfahren nach Gesetz und Recht nur der frühe erste Termin in Betracht. Das folgt unmittelbar aus Gesetz, ist klar und eindeutig, und dennoch kümmert sich so gut wie kein Gericht darum.

Die Praxis der Mehrzahl der Gerichte, von einer "unverzüglichen Terminierung" abzusehen, zunächst die Auskünfte der Versicherungs- und sonstigen Versorgungsträger anzufordern und Termin erst zu bestimmen, wenn so Material gesammelt ist, läuft auf das schriftliche Vorverfahren (nämlich auf eben das Sammeln von Prozessstoff, Vorbereitung des Haupttermins, in dem die Sache "in einem" erledigt werden kann) hinaus, und ist daher prozessordnungs- und damit rechtswidrig, kann sich auf nichts anderes als auf Zweckmäßigkeitserwägungen stützen. Das gerne verwendete Argument für diese rechtswidrige Praxis lautet, die Verbundentscheidung auch über den Versorgungsausgleich könne erst ergehen, wenn das Material dafür beisammen sei.

Das ist zweifellos richtig, nur stützt es nicht nur nicht die rechtswidrige Praxis, sondern ist ein Argument für die Richtigkeit des Gegenteils: Im frühen ersten Termin wird das Verfahren nicht entschieden, es sei, es sei entscheidungsreif, z.B. im Falle des Versäumnisiurteils oder dann, wenn die Klage / der Antrag unschlüssig ist.

Diese prozessordnungswidrige und damit ipso jure rechtswidrige Vorgehensweise hat Folgen:

Immer häufiger wird immer früher, weit vor dem Ablauf des Mindesttrennungsjahres der §§ 1565 I, 1566 I BGB Scheidungsantrag gestellt, wissend, dass die contra legem aus Zweckmäßigkeitserwägungen (man kann es auch Bequemlichkeit nennen) verfahrenden Richter drei bis vier Monate benötigen, bis die Auskünfte der Versicherungsträger eingeholt sind, mit der Folge, dass dann im ersten Verhandlungstermin das Trennungsjahr komplettiert ist.

Dass damit der Zeitpunkt zur Berechnung des Versorgungsausgleichs ebenso rechtswidrig - als Folge der rechtswidrigen Terminierungspraxis - vorverlegt wird und der ausgleichsberechtigte Teil um bisweilen ansehnliche Rentenbeträge gebracht wird, sei nur als eine der Folgen erwähnt neben der, dass beispielsweise bei kinderloser Ehe ein Gattenunterhaltsanspruch gegeben sein kann, ein Geschiedenenunterhaltsanspruch hingegen nicht, oder dass ein verfrüht gestellter Scheidungsantrag dazu führen kann, dass ein Geschiedenenunterhaltsanspruch mit der Begründung "kurzer Ehe" abgewiesen wird.

Wesentlich, bisweilen von prozessentscheidender Bedeutung, kann dies für den Zugewinnausgleich wie für den Unterhalt sein, wenn, sagen wir, ein Architekt, der nicht der Sollversteuerung unterliegt, ein Steuerberater, ein Anwalt, ein Arzt oder Zahnarzt so

a) ab Juli eines Jahres keine Rechnungen mehr schreibt,

                 b) am 5.12. des Jahres alle mögliche Kosten schon vorweg bezahlt, die eigentlich erst
                      m Folgejahr anfallen, Versicherungsprämien, Boni für Angestellte, Tilgungsraten,

am 6.12. des Jahres Scheidungsantrag einreicht mit der Begründung einjährigen Getrenntlebens, das am 15.1. des laufenden Jahres begonnen habe, (und folglich zum Ablauf des Trennungsjahres erst am 15.1.des Folgejahres führt,), der Antrag am 11.12. des Jahres zugestellt wird und zur Fixierung des Zugewinnausgleichs führt, und der Herr Architekt alsdann ab Januar des Folgejahres munter die Rechnungen für Leistungen des Vorjahres schreibt und einzieht.  Das kann um hunderttausende von gehen, die dann

a) in der Kasse und damit im Endvermögen zum Stichtag fehlen,

b) weil fehlend den Schnitt des Einkommens der letzten Jahre drücken und sich über
    Jahre auf die Unterhaltshöhe auswirken.

 

Das Oberlandesgericht Dresden hat am 06.12.2001 (20 WF 794/01), abgedruckt in FamRZ 2002, 890 f., für das Prozesskostenhilfeverfahren klar, präzise und nachvollziehbar dargestellt, dass ein vor Ablauf des Trennungsjahres gestellter Scheidungsantrag unschlüssig sei und dementsprechend ein Prozesskostenhilfegesuch mangels Erfolgsaussicht abzulehnen sei.

Für die Entscheidung des Gerichts sei der letzte Erkenntnisstand des Gerichts, also der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung maßgeblich. Das gelte auch für die Erfolgsprognose im Sinne von § 114 ZPO.

Ist also ein verfrühter Prozesskostenhilfeantrag für die Durchführung eines Scheidungsverfahrens zurückzuweisen, und zwar jetzt und nun, nicht erst nach vier Monaten, wenn die Auskünfte der versicherungsträger vorliegen, kann es auch unter diesem Aspekt nicht zulässig sein, dass eine selbstbezahlte Scheidung zur Rechtshängigkeit und zur Einleitung des gesetzwidrigen schriftlichen Vorverfahrens in Form des Einsammelns der Auskünfte der Versicherungsträger führt. Die Zulässigkeitsprüfung darf in Prozesskostenhilfe-Fällen nicht härter sein als in selbstbezahlten Fällen.

Konsequenzen:

1.) Unmittelbar die Konsequenz aus dem Beschluss des OLG Dresden (a. a. O.):

Ein verfrühter Prozesskostenhilfeantrag für einen verfrühten Scheidungsantrag ist als Ergebnis der Erfolgsprognose zurückzuweisen. Man darf ihn auch nicht liegenlassen, bis er "gar" geworden ist.

 

2.) Ein verfrühter "bezahlter" Scheidungsantrag vor Ablauf des Trennungsjahres ist unschlüssig. Weil unverzüglich zu terminieren ist, ist im frühen ersten Terminder Antrag zurückzuweisen, resp. bei verfrühtem Antrag und somit verfrühter Zustellung und damit bewirkter Rechtshängigkeit förmlich festzustellen, dass der Antrag erst ab dem "Tage X", nämlich dem Tag, an dem das Trennungsjahre des § 1566 I BGB, schlüssig und begründet war und eine frühere Rechtshängigkeit nicht zur Fixierung des Enddatums für den Versorgungsausgleich (§ 1587 II BGB) oder des Enddatums für den Zugewinnausgleich ( § 1384 BGB) führt. ( Sowohl § 1566 wie § 1384 BGB sind selbstverständlich gesetzeskonform so zu verstehen, dass unter Rechtshängigkeit kein Datum vor schlüssigem und begründetem Antrag verstanden werden kann; in jedem anderen Fall bedeutete die vom OLG Dresden zutreffend geschilderte Gesetzeslage eine Einladung an alle, zumindest die Gerichtskosten zu bezahlen, um verfrühte Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags zu bewirken, die mit einem verfrühten Prozesskostenhilfe-Gesuch nicht bewirkt werden könnte, eine Eintrittkarte zum "Beschiss" des anderen Ehegatten an die, die es sich leisten können).

 

3.) Im Falle eines nach Ablauf des Trennungsjahres gestellten Prozesskostenhilfegesuchs für den Scheidungsantrag oder eines nach Ablauf des Trennungsjahres gestellten Scheidungsantrages ist unverzüglich zu terminieren als "erstem frühen Termin".

 

Erst wenn das Gericht aufgrund mündlicher Verhandlung sich von der Schlüssigkeit und Begründetheit des Scheidungsantrages überzeugt hat (Erklärungsfristen darf das Gericht der anderen Seite ja nicht setzen, §§ 611, 276 ZPO), und wenn das Gericht entsprechend dem Untersuchungsgrundsatz des § 616 ZPOnach Durchführung der ersten mündlichen Verhandlung und Anhörung der Parteien (§ 613 ZPO) sich vom Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen überzeugt hat, ist mit dem Einsammeln der Auskünfte der Versicherungs- oder Versorgungsträger zu beginnen. Das hat was mit Grundzügen der Logik zu tun; niemand baut den Dachstuhl, bevor er nicht weiß, dass das Fundament steht.

 

So sieht es das Amtsgericht Emmerich am Rhein, und (nur) so ist die Handhabung gesetzeskonform.

Zusammenfassung:

·    Verfügungen des Gerichts, die dahin gehen, nichtoder weiträumig mit Vorlauf von sechs Monaten zu terminieren,
      sondern (aber)mit dem Einsammeln der Auskünfte der Versicherungsträger zu beginnen, werdenwir unbeachtet       
      lassen.   Diese Verfügungen verstoßen gegen das Verbot desschriftlichen Vorverfahrens im Eheverfahren (s.o.)

·    Unsere Mandanten werden angewiesen, dieFormulare zum Versorgungsausgleich zwar auszufüllen und uns zu                     übergeben.

·     Wir werden die Formulare aber erst dann überreichen, wenn wir über eine Terminsladung des Gerichtes verfügen.

·    Gegen jede Festlegung des Stichtags auf denletzten Tag des Rechtshängigkeitsmonats (§ 1587 II BGB) werden wir in          Fällen eines verfrühten Scheidungsantrags Beschwerde einlegen, weil dies zuverfälschten Ergebnissen führt.

Völlig losgelöst von der eindeutigen Gesetzeslage entspricht diese Vorgehensweise auch den Erwartungen der Rechtssuchenden.

Sie rufen nämlich ein Gericht an, und wollen vom Gericht gehört werden (hier wird der Anspruch auf "rechtliches Gehör" buchstäblich). Die Rechtsuchenden erfahren, dass etwas geschieht, wenn sie die Gerichte anrufen, dass sich die Gerichte ihrer annehmen.

Häufig hat der erste Kontakt mit der Atmosphäre des Gerichtssaals, mit dem Richter und den Anwälten in ihren schwarzen Roben, auch eine erhebliche psychologische Bedeutung, möglicherweise tatsächlich nur oder vor allem wegen der Symbolkraft dieser äußeren Zeichen des Rechts:

Den Parteien wird klar, dass es hier um Recht und Gesetz, nicht um Machtspiele geht.

Maßgeblich so mancher Mann realisiert jetzt erst, dass die Zeit vorbei ist, da er allein "bestimmt", was der Familie z. B. als Unterhalt zur Verfügung zu stehen habe, und ahnt, was auf ihn zukommt, wenn er dieses Thema weiter in erster Linie emotional und mit seinem bisher gewohnten Dominanzgebaren bestimmen will, dass es ihm nichts nutzt, "sich einen Anwalt genommen zu haben", den er als "bezahlte Keule" wuchtig auf den Schädel der Ehefrau hauen kann. (Deshalb "nimmt" man sich den Anwalt, nimmt ihn an der dünnsten Stelle, um ihn als Keule packen und verwenden zu können)

Die Erörterung des Prozessstoffs mit dem Gericht und den Anwälten in Anwesenheit der Parteien kann latente Sorgerechtsprobleme in Luft auflösen, den Zugang zu Umgangsregelungen erleichtern (ausdrücklich im übrigen im § 613 I 2 ZPO so vom Gesetzgeber gewollt, und zwar nicht für einen Zeitpunkt, da bislang die Justiz vier oder fünf Monate geschwiegen hat, sondern zum ehest möglichen Zeitpunkt).

Sind Folgesachen bereits anhängig, beispielsweise Zugewinnausgleichsansprüche, kann eine erste Erörterung schon zur Aufklärung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht beitragen, können, wenn zeitgleich auch darüber verhandelt wird, vom Gericht erste etwa notwendige Anordnungen, Hinweisbeschlüsse, Beweisbeschlüsse verkündet werden. Das Verfahren kann parallel zum Einholen der Auskünfte der Versicherungsträger laufen.

Streitige Sachen wie die Unterhaltsproblematik lassen sich lösen, weil (meist dem Manne) klar wird, dass hier die Gerichte am Zuge sind und nicht mehr länger er als der große Zampano bestimmt.

Kurz: Nicht die Bequemlichkeit des Richters, der Gesetzesinhalt muss die Terminierungspraxis bestimmen. Daran ändert sich kein Jota, nur weil die OLG die rechtswidrige Praxis absegnen.

Was ich oben ausgeführt habe, was die Gesetzeslage ist, was das OLG Dresden dargestellt hat, ist nicht nur deshalb richtig, weil es so im Gesetz nachzulesen ist, sondern ist tatsächlich auch unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit einerseits und der Akzeptanz gerichtlichen Verfahrens gegenüber den Rechtssuchenden die einzig richtige Verfahrensweise.

Ein Nebeneffekt gesetzeskonformer Terminierungspraxis wird im übrigen, wenn sich die erst herumgesprochen haben wird, sein, dass sich die Zahl der auswärtigen Kollegen, die seit Wegfall der Postulationsbeschränkung Ehesachen vor weit von ihrem Kanzleisitz entfernten Gerichten vertreten, womöglich noch zu Bedingungen von Prozesskostenhilfe, drastisch reduzieren wird: Einen (1) Termin kann man sich leisten, aber mindestens zweimal (oder noch öfter) hunderte vom Kilometern zu fahren, rechnet sich definitiv nicht mehr, selbst für den nicht, der noch auf das erste Mandat angewiesen ist. Sollen wir darüber traurig sein?   Ich ziehe in Familiensachen die Heimspielatmosphäre vor, zumal in diesen Sachen klatschendes Publikum eher selten vorkommt.

 

Eckhard Benkelberg
Rechtsanwalt , Fachanwalt für Familienrecht
Emmerich am Rhein
www.famrecht.de