Baurecht: Abnahme des Gemeinschaftseigentums einer WEG durch den Sachverständigen des Bauträgers unzulässig

Bauverordnung Immobilien
29.04.20095040 Mal gelesen

Die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage bilden in den meisten Fällen rechtlich eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Die einzelnen Wohnungen werden in der Regel zu verschiedenen Zeitpunkten vom sog. Bauträger verkauft. Wenn Baumängel auftreten (z.B. Risse im Putz, mangelhafter Schallschutz etc.), kommt es für die Rechte der einzelnen Käufer bzw. der WEG ganz entscheidend auf den Zeitpunkt der Abnahme an.

Zum einen gibt es hier die Abnahme der einzelnen Wohnungen (Sondereigentum), zum anderen die des sog. Gemeinschaftseigentums. Oft ist die Abgrenzung zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum schwierig. Jedenfalls die gemeinschaftlich genutzten Teile der Wohnanlage wie eine Tiefgarage, die Gehwege bzw. Laubengänge in der Wohnanlage oder die gemeinsamen Aufenthaltsräume, aber auch die Aussenfassaden des Gebäudes und die Qualität des Schallschutzes sind Teile des Gemeinschaftseigentums. Abweichungen können sich aus der sog. Teilungserklärung ergeben.

Treten am Gemeinschaftseigentum (Bau-)Mängel auf, kann entweder ein einzelnes WEG-Mitglied oder die gesamte WEG gegen den Bauträger vorgehen. Die Verjährungsfrist von in der Regel fünf Jahren beginnt dann mit der Abnahme des Gemeinschaftseigentums. Da es sehr auwendig wäre, mit jedem WEG-Mitglied eine Abnahme durchzuführen, steht in dem notariellem Kaufvertrag (im sog. Bauträgervertrag) sehr oft, dass ein Sachverständiger die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durchführt.

Diese Praxis ist jedoch nicht mehr rechtens. Das hat das OLG München entschieden (Az.: 9 U 4149/08). In dem durch das Gericht zu entscheidenden Fall stand in dem Bauträgervertrag eben eine solche Klausel, wonach ein vom Bauträger bestimmter Sachverständiger die Abnahme des Gemeinschaftseigentums im Namen der WEG erklären sollte. Dies war dann auch geschehen. Mehr als fünf Jahre später klagte die WEG wegen Baumängeln. Der Bauträger berief sich auf Verjährung. Das OLG München gab jedoch der WEG recht. Da die Klausel unwirksam sei, habe noch keine Abnahme stattgefunden. Also habe die Verjährung auch noch nicht zu laufen begonnen. Die WEG hatte damit noch einen Anspruch wegen der Baumängel.

Die Entscheidung des OLG München hat sehr große praktische Bedeutung. Denn in den meisten Wohnungskaufverträgen befinden sich die oben beschriebenen Klauseln. Es wird daher noch zu vielen Fällen kommen, in denen der Bauträger bzw. die WEG oder einzelne Mitglieder bzw. der Verwalter der WEG zu Unrecht von einer Verjährung der Gewährleistungsansprüche (Rücktritt vom Kaufvertrag/Minderung des Kaufpreises/Nachbesserung/Schadensersatz) ausgehen. Da es aber oft noch an einer Abnahme fehlen wird, bestehen auch nach vielen Jahren noch Ansprüche gegen den Bauträger, der dadurch einem sehr langem Haftungsrisiko ausgesetzt ist.

Unabhängig von der Entscheidung des OLG München kann es aber vorkommen, dass eine Abnahme zwar nicht durch den Sachverständigen wirksam bewirkt wurde. Es kann jedoch auch zu einer Abnahme durch das Verhalten der WEG (Zahlung der letzten Kaufpreisrate/Inbesitzname des Grundstücks etc.) oder des WEG-Verwalters kommen. Hier muss jeder Einzelfall gesondert geprüft werden.

Außerdem muss auch die optimale Taktik der WEG bestimmt werden. Die WEG hat oft eine sehr starke Verhandlungsposition. Denn per WEG-Beschluss kann entschieden werden, dass die WEG alle Ansprüche wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums verfolgt. Die WEG kann auch beschließen, dass daneben Ansprüche einzelner Wohnungseigentümer wegen Mängeln des "Sondereigentums" verfolgt werden. Der große Vorteil eines gemeinsamen Vorgehens der WEG ist, dass sich die WEG alle Gerichts- und Anwaltskosten durch die Anzahl der WEG-Mitglieder teilt und so ein relativ geringes Kostenrisiko hat. Gerade dann, wenn teure Sachverständigengutachten erforderlich sind, ist dies ein immenser Vorteil. 

Vorsicht ist auch dann geboten, wenn die Abnahme - zulässigerweise - durch den Verwalter der WEG durchgeführt wird. Hier muss ein juristisch einwandfreies Abnahmeprotokoll erstellt werden. Ansonsten sind Ansprüche wegen Baumängeln möglicherweise nicht mehr durchsetzbar.

Als auf Baurecht und Wohnungeigentumsrecht spezialsierter Rechtsanwalt berate ich die Käufer einer Wohnung bzw. eine WEG oder deren Verwalter zu dem richtigen Vorgehen bei der Abnahme und bei der optimalen Durchsetzung der Gewährleistungsansprüche.

MAXIMILIAN KOCH

Rechtsanwalt, MBA

LEDERER & PARTNER Rechtsanwälte