Geschwindigkeits- und Abstandsmessung: Viele Ergebnisse sind unzuverlässig

Autounfall Verkehrsunfall
21.03.20091921 Mal gelesen
Die WDR Fernseh-Sendung Markt-XL berichtete am 16.3.09 über das Ergebnis einer großangelegten Überprüfung der Messergebnisse von Anlagen, die bei der Jagd auf Verkehrssünder zum Einsatz kommen.  Die Mitarbeiter der "Verkehr-Unfall-Technik-Sachverständigengesellschaft mbh" (VUT-GmbH), die sich seit Jahren im Auftrag von Rechtsanwälten und Gerichten mit der Überprüfung von Messergebnissen aus der Verkehrsüberwachung befasst, haben im Zeitraum April 2007 bis März 2009 ganze 1.810 Messvorgänge überprüft. Es ging zumeist um Autofahrer, denen vorgeworfen wurde zu schnell gefahren sein oder den Abstand nicht eingehalten zu haben. Bei 60 dieser Bußgeldvorgänge (3,31 %) durfte aus technischer Sicht eine Messung nicht verwertet werden. In 34 Fällen (1,88 %) konnten Mängel aufgezeigt werden wonach der jeweilige  Messwert der Höhe nach als fehlerhaft einzuordnen war. Bei 536 der untersuchten Bußgeldvorgänge (29,61%) konnte festgestellt werden, dass auf der Grundlage der in der Bußgeldakte enthaltenen Informationen der Erlass eine Bußgeldbescheides aus technischer Sicht nicht gerechtfertigt war und in 587 Vorgängen (32,43 %) war  Beweisführung immerhin so mangelhaft, dass zwar von einem begründeten aber nicht zweifelsfrei sicher erwiesenen Verdacht gegen den Betroffenen gesprochen werden konnte.
 
Nur 323  (17,85 %) und 270 Fälle (14,92 %) ergaben, dass nur unbedeutende technische oder formale Mängel vorlagen bzw. die Messung einwandfrei plausibel nachvollzogen werden konnte.
 
So bemängelten die Experten der VUT-GmbH dann auch völlig zu recht, dass sich die behördliche Beweisführung zum großen Teil noch auf Verfahren stützt, bei denen keine eigentliche Dokumentation des technischen Messergebnisses zur Verfügung steht, wie z.B. bei Handlasermessgeräten. Hier kann später ein Mangel in der Dokumentation eines ordnungsgemäßen Messbetriebes nur noch durch die Aussagen der Messbeamten festgestellt werden. Eine technische Auswertung ist nicht mehr möglich. "Hier geht Behauptung vor Beweis" kritisierten die Gutachter der VUT diese rechtsstaatlich in der Tat bedenkliche Situation.
 
Doch die Sachverständigen belassen es nicht bei bloßer Kritik. Sie stellen konstruktive Forderungen für eine bessere Qualität der Verkehrsüberwachung auf, denen sich hoffentlich auch zunehmend die Richterschaft anschließen wird:
 
In technischen, standardisierten Messverfahren sollte ein nachvollziehbares Beweismittel
vorgeschrieben sein.
 
Das Beweismittel mit der einfachen Anzeige eines Messergebnisses
darf dabei nicht genügen.
 
Das Ergebnis muss vielmehr  plausibel und einfach zu prüfen sein
und es muss einem bestimmten Messobjekt definitiv zuzuordnen sein.
 
Der Messbetrieb sollte mit Beginn und Ende klar im Beweismittel definiert werden.
 
Alle Messergebnisse - auch und vor allem annullierte Messergebnisse - sollen erfasst sein,
um Störungen im Messbetrieb feststellen und Ursachen beseitigen zu können.
 
Durch eine vollständige Aktenführung sollte der jeweilige Messbetrieb mit geeichtem
Messgerät vom Aufbau, über den Betrieb bis zur Auswertung nachprüfbar sein.          
 
Es steht nur zu befürchten, dass in der Praxis aus Kostengründen auf viele dieser Erfordernisse verzichtet wird. So wäre meines Erachtens die Messung mit "Laserpistolen" ohne Bilddokumentation des Messvorgangs grundsätzlich abzuschaffen, da hier das grundlegende Recht der Betroffenen nur aufgrund ordnungsgemäß gewonnener Messdaten belangt zu werden, nicht mit der genügenden Sicherheit gewährleistet ist. Mit dem Begriff des "standardisierten Messverfahrens" hat die Rechtsprechung bereits eine bedenkliche, weil den strafprozessualen Grundsätzen widersprechende Umkehr der Beweislast eingeführt. Plötzlich wird der Betroffene (Beschuldigte) zu dem Verfahrensbeteiligten, der etwas nachweisen muss - nämlich die Fehlbarkeit des ihn belastenden Messergebnisses. Da ist es nur noch schwer erträglich, wenn z.B.  bei Handlasermessgeräten aus Kostengründen heute noch auf eine technisch durchaus mögliche Bilddokumentation verzichtet wird und  sich die Nachvollziehbarkeit auf die Behauptungen des Messpersonals stützen soll. Eine sich den rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichtete Verwaltung muss sich hier die Frage gefallen lassen, was ihr die Rechte der Autofahrer eigentlich wert sind. Schließlich gibt es keinen Erfahrungssatz, dass Polizisten immer alles richtig machen, noch nicht einmal, dass sie immer die Wahrheit sagen. Genauso wenig wie es einen Grundsatz gibt, dass die Ergebnisse eines standardisierten Messverfahrens immer auf dem ordnungsgemäßen Ablauf einer Messung beruhen.
 
Einer allzu technikgläubigen Justiz diese Schwachpunkte aufzuzeigen ist eine Aufgabe der Rechtsanwälte, die in Bußgeldsachen verteidigen. Zu einem zu unrecht verhängten Bußgeld, Punkten in Flensburg oder gar einem Fahrverbot darf es nicht kommen.  Die VUT-Sachverständigengesellschaft mbH liefert uns dabei wertvolle Unterstützung.   
 
Wenn es um die Überprüfung von Beweisunterlagen "auf Herz und Nieren" geht, arbeiten wir in vielen Fällen eng mit der VUT-Sachverständigen-GmbH zusammen. Nur der Rechtsanwalt kann entsprechend umfangreiche Akteneinsicht erhalten und die Herausgabe notwendiger Unterlagen juristisch begründen. Nur ein Gutachter kann anhand dieser Unterlagen eine korrekte Messung "gerichtsfest" bestätigen oder widerlegen. Dies macht zumeist einen wichtigen Baustein der Verteidigungsstrategie gegen einen Bußgeldbescheid aus.  
  
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Rechtsanwalt Christian Demuth ist auf die Verteidigung von Menschen gegen Vorwürfe im Straßenverkehr spezialisert. Weitere Infos:  www.cd-recht.de