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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 27.03.2013, Az.: BVerwG 6 B 50.12
Auslegung von öffentlich-rechtlichen Willenserklärungen im Hinblick auf die Erfassung des Erklärungswortlauts und der Sichtung und Aufklärung der für die Bedeutung der Erklärung erheblichen Umstände als Akt der Tatsachenfeststellung
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 27.03.2013
Referenz: JurionRS 2013, 34448
Aktenzeichen: BVerwG 6 B 50.12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VG Freiburg - 24.02.2010 - AZ: 3 K 2749/08

VGH Baden-Württemberg - 02.08.2012 - AZ: 9 S 2752/11

Rechtsgrundlagen:

§ 108 Abs. 1 VwGO

§ 108 Abs. 2 VwGO

§ 7 Abs. 1 UKG BW

Fundstellen:

NJW 2013, 10

NVwZ-RR 2013, 5

NVwZ-RR 2013, 491-494

BVerwG, 27.03.2013 - BVerwG 6 B 50.12

Amtlicher Leitsatz:

Die Auslegung von öffentlich-rechtlichen Willenserklärungen ist vor allem im Hinblick auf die Erfassung des Erklärungswortlauts und der Sichtung und Aufklärung der für die Bedeutung der Erklärung erheblichen Umstände ein Akt der Tatsachenfeststellung, dagegen ergibt sich erst aus dem materiell-rechtlichen Hintergrund einer Erklärung, welche Regelung mit ihr angestrebt wird.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. März 2013
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller und Hahn
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 2. August 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 99 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Der am 31. März 2012 in den Ruhestand getretene Kläger war Professor für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie an der Universität F. und Leiter der Abteilung Klinische Chemie des beklagten Universitätsklinikums F. Das zur Entscheidung stehende Verfahren betrifft die Wirksamkeit der von dem Beklagten unter dem 24./25. Januar 2008 ausgesprochenen außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung eines Dienstvertrags (Chefarztvertrags), den die Beteiligten am 24. Juli 2007 geschlossen hatten. Auf die von dem Kläger erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründung seiner Entscheidung angeführt, mit der Vertragskündigung sei eine Abberufung des Klägers als Abteilungsleiter verbunden gewesen, für die das nach § 7 Abs. 1 Satz 3 des baden-württembergischen Universitätsklinika-Gesetzes (UKG BW) in der hier maßgeblichen Fassung vom 15. September 2005 (GBl S. 625) erforderliche Einvernehmen der Medizinischen Fakultät der Universität nicht vorgelegen habe. Zudem habe der Beklagte den Kläger im Zusammenhang mit der Kündigung unter Überschreitung seiner Zuständigkeit von der Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung ausgeschlossen. Der Beklagte erstrebt mit seiner Beschwerde die Zulassung der Revision.

II

2

Die auf die Revisionszulassungsgründe des Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (1.) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (2.) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

3

1. Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Mit seiner Rüge, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs sei in mehrfacher Hinsicht mit einem derartigen Mangel behaftet (a) bis d)), vermag der Beklagte nicht durchzudringen.

4

a) Der Beklagte macht geltend, dem Verwaltungsgerichtshof sei im Rahmen der Tatsachenfeststellung bei der Auslegung des Dienstvertrags vom 24. Juli 2007 (UA S. 20 ff.) ein als Verfahrensfehler in Gestalt einer Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen richterlichen Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu rügender Verstoß gegen die Denkgesetze unterlaufen. Das Berufungsgericht habe § 1 Abs. 1 des Vertrags, in dem die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie des Beklagten bestätigt werde, entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung nicht als lediglich deklaratorische, sondern als konstitutive Regelung verstanden. In diesem Zusammenhang habe der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht angenommen, er, der Beklagte, habe mit der in Rede stehenden Vertragsklausel zum Ausdruck gebracht, dass er an der bereits im Zusammenhang mit der Vorgängervereinbarung vom 9. Dezember 1998 vorgenommenen Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter festhalte. Denn diese frühere Vereinbarung sei gleichzeitig mit dem Inkrafttreten des Vertrags vom 24. Juli 2007 außer Kraft getreten. Die Bestätigung könne sich deshalb nur darauf beziehen, dass das Landesministerium für Wissenschaft und Kunst dem Kläger die entsprechende Funktion durch Erlass vom 9. Juli 1990 übertragen habe. Spätere Erklärungen von ihm, dem Beklagten, seien entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs für die Auslegung des Vertrags vom 24. Juli 2007 nicht von Bedeutung.

5

Aus diesem Vortrag ergibt sich kein die Revisionszulassung rechtfertigender Verfahrensfehler. Zwar handelt es sich auch um die Feststellung von Tatsachen, wenn der Inhalt von materiell-rechtlich erheblichen Willenserklärungen durch Auslegung zu ermitteln ist (vgl. für Verträge: Beschluss vom 24. Januar 1991 - BVerwG 8 B 164.90 - Buchholz 316 § 54 VwVfG Nr. 6 S. 14, Urteil vom 20. März 2003 - BVerwG 2 C 23.02 - NVwZ-RR 2003, 874 f.). Jedoch ist diese Auslegung nicht ausschließlich ein Akt der Tatsachenfeststellung. Auf tatsächlichem Gebiet liegt vor allem die Erfassung des Wortlauts einer Erklärung und die Sichtung und Aufklärung der tatsächlichen Umstände, die für die gewollte Bedeutung der Erklärung erheblich sind. Dagegen ergibt sich erst aus dem materiell-rechtlichen Hintergrund der Erklärung, ob mit ihr eine rechtliche Regelung angestrebt wird und welchen Inhalt diese gegebenenfalls haben kann (Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 137 Rn. 165). Entsprechend kann ein Verstoß gegen die Denkgesetze als Verfahrensfehler nur dann geltend gemacht werden, wenn er sich auf die tatsächliche Würdigung beschränkt und die rechtliche Subsumtion nicht berührt (Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <272> = Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 225 S. 75; Beschluss vom 3. April 1996 - BVerwG 4 B 253.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 269 S. 27 f.).

6

An einem solchen Tatsachenbezug fehlt es der Rüge des Beklagten, denn sie hat nicht den klar zu Tage liegenden Wortlaut des Vertrags vom 24. Juli 2007 zum Gegenstand und bezieht sich auch nicht auf die Aufklärung der Umstände in Gestalt weiterer schriftlicher, in ihrem Inhalt als solchem nicht umstrittener Äußerungen des Beklagten, deren Heranziehung - entgegen der Rechtsansicht des Beklagten - für eine Vertragsauslegung in Betracht kommt. Der Beklagte greift vielmehr in Wahrheit die materiell-rechtliche Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs an, die Beteiligten hätten durch den in Rede stehenden Vertrag eine Abrede mit zwei in ihrem rechtlichen Schicksal voneinander abhängigen Teilen, nämlich einem verfügenden Teil - Beibehaltung der Funktion des Abteilungsleiters durch den Kläger - und einem schuldrechtlichen Teil - Regelung der gegenseitigen Rechte und Pflichten - getroffen. Mit Angriffen auf die Sachverhaltswürdigung der Tatsacheninstanz lässt sich die Zulassung der Revision indes in aller Regel und so auch hier nicht erreichen (vgl. Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 19). Jedenfalls steht hierfür die Verfahrensrüge nicht zur Verfügung (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 15).

7

Selbst wenn man jedoch die Rüge des Beklagten dem Tatsachenbereich zuordnen wollte, ließe sich der geltend gemachte Verstoß gegen die Denkgesetze nicht bejahen. Denn ein solcher Verstoß liegt nur dann vor, wenn das Gericht einen Schluss gezogen hat, der schlechterdings nicht gezogen werden kann, nicht dagegen schon dann, wenn eine Schlussfolgerung nicht zwingend oder nicht überzeugend oder sogar unwahrscheinlich sein sollte (Beschlüsse vom 24. Mai 1996 - BVerwG 8 B 98.96 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 270 und vom 19. August 1997 a.a.O. S. 15 f.). Von einer derartig verfehlten Schlussfolgerung kann in Bezug auf die Auslegung des Vertrags vom 24. Juli 2007 durch den Verwaltungsgerichtshof nicht ansatzweise die Rede sein. Diese Interpretation ist im Gegenteil gut nachvollziehbar. Sie steht zum einen in Übereinstimmung mit den Erwägungen der Vorinstanz zu dem doppelten Dienstverhältnis bzw. dem sogenannten Kombinationsmodell im Bereich der Hochschulmedizin des Landes Baden-Württemberg (UA S. 24 f.). Sie ist zum anderen eingebettet in den Zusammenhang, der von der vorhergehenden vertraglichen Regelung vom 9. Dezember 1998 und den von dem Berufungsgericht benannten (UA S. 22) späteren Schreiben des Beklagten, insbesondere dem Kündigungsbegleitschreiben vom 25. bzw. 28. Januar 2008 gebildet wird. Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten war das Berufungsgericht nicht gehindert, bei der Vertragsauslegung auf diese außerhalb des Vertrags vom 24. Juli 2007 liegenden Umstände abzustellen (vgl. dazu allgemein: Ellenberger, in: Palandt, BGB, 70. Auflage 2011, § 133 Rn. 15, 17).

8

b) Hieraus folgt zugleich, dass auch die Verfahrensrüge erfolglos bleiben muss, die der Beklagte gegen die Erwägung des Verwaltungsgerichtshofs (UA S. 23) richtet, nach dem Empfängerhorizont des Klägers habe bei Anwendung eines objektivierten Maßstabs nicht zweifelhaft sein können, dass die Kündigung vom 24./25. Januar 2008 auch die Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung bedeutete.

9

Die Annahme des Beklagten, das Berufungsgericht habe hierdurch gegen die Denkgesetze bei der Ermittlung des Sachverhalts und damit gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen und außerdem den Streitgegenstand des zu entscheidenden Verfahrens im Sinne des § 90 VwGO verkannt, geht fehl. Sein Vortrag, der Gegenstand des Rechtsstreits in Form der Kündigung vom 24./25. Januar 2008 beziehe sich nicht auf die Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung, sondern nur auf den Vertrag vom 24. Juli 2007, durch den der Kläger nicht zum Abteilungsleiter bestellt worden sei, geht von unzutreffenden Voraussetzungen aus. Denn die Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs, dass der Vertrag unter anderem eben diese Bestellung enthielt, kann der Beklagte - wie dargelegt - nicht entkräften.

10

c) Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der Verwaltungsgerichtshof auch nicht in verfahrensfehlerhafter Weise zu der Einschätzung (UA S. 26) gelangt, es sei nicht erkennbar, dass der in § 8 des Vertrags vom 24. Juli 2007 geregelte Vergütungsanspruch dem Kläger unabhängig von seiner Bestellung zum Abteilungsleiter eingeräumt werde, weil üblicherweise nur leitenden Krankenhausärzten (Chefärzten) vom Krankenhausträger gestattet werde, Privatpatienten unter Inanspruchnahme der Sachausstattung und des Personals des Krankenhauses auf eigene Rechnung zu behandeln. Der Beklagte beruft sich zu Unrecht darauf, das Berufungsgericht habe den Grundsatz der ordnungsgemäßen richterlichen Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO und das Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil der von ihm, dem Beklagten, im Berufungsverfahren angebrachte entscheidungserhebliche Vortrag, in seinem Verantwortungsbereich seien nicht alle Abteilungsleiter Chefärzte und nicht alle Chefärzte Abteilungsleiter, in den Gründen des angefochtenen Urteils nicht erwähnt werde und dementsprechend von dem Berufungsgericht nicht in Erwägung gezogen und gewürdigt worden sei.

11

Das Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist allerdings nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht den von ihm entgegengenommenen Vortrag der Beteiligten in seine Erwägungen einbezogen hat. Nur wenn besondere Umstände den eindeutigen Schluss zulassen, dass es die Ausführungen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat, wird der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (Beschlüsse vom 5. Februar 1999 - BVerwG 9 B 797.98 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 3, vom 20. April 2009 - BVerwG 6 B 107.08 - [...] Rn. 9 und vom 15. März 2011 - BVerwG 7 B 51.10 - [...] Rn. 12). Nach dem Grundsatz der ordnungsgemäßen richterlichen Überzeugungsbildung muss das Gericht von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgehen (Urteile vom 25. März 1987 - BVerwG 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 S. 2 und vom 18. Mai 1990 - BVerwG 7 C 3.90 - BVerwGE 85, 155 <158> = Buchholz 445.4 § 31 WHG Nr. 14 S. 5; Beschluss vom 15. März 2011 a.a.O. Rn. 13). Auch hier gilt jedoch, dass es für die Annahme, das Gericht habe dieser Verpflichtung nicht genügt, über das Fehlen einer Auseinandersetzung mit einem einzelnen Vorbringen hinaus sonstiger eindeutiger Anhaltspunkte bedarf (Urteil vom 25. März 1987 a.a.O. S. 2).

12

Besondere Umstände, die wegen der Nichterwähnung des Vortrags des Beklagten über die bei ihm nicht durchweg bestehende Deckungsgleichheit von Chefarzt- und Abteilungsleiterfunktion die Annahme einer Verletzung des Gehörs- oder Überzeugungsgrundsatzes durch den Verwaltungsgerichtshof rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere war dieser Vortrag nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht entscheidungserheblich. Denn zum einen hat dieses seine Auffassung von der Abteilungsleitung als genuinem Bestandteil des Vertrags vom 24. Juli 2007 unabhängig von der von dem Beklagten in den Vordergrund gerückten Vergütungsregelung gewonnen. Zum anderen hat es seine Erwägung über die Üblichkeit der Anbindung des Privatliquidationsrechts an die Stellung als leitender Krankenhausarzt im Sinne eines Chefarztes nicht auf die konkret bei dem Beklagten bestehenden Verhältnisse, sondern auf allgemeine Aussagen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerfG, Beschluss vom 7. November 1979 - 2 BvR 513, 558/74 - BVerfGE 52, 303 [BVerfG 06.11.1979 - 1 BvR 81/76] <335>, BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2008 - BVerwG 2 C 27.06 -BVerwGE 130, 252 = Buchholz 237.7 § 72 NWLBG Nr. 6 Rn. 10) gestützt.

13

d) Schließlich liegt, anders als der Beklagte meint, dem Verständnis des Verwaltungsgerichtshofs (UA S. 35 ff.) hinsichtlich der Auswirkungen der Kündigung des Vertrags vom 24. Juli 2007 auf die Aufgaben des Klägers in der Krankenversorgung kein Verfahrensfehler zu Grunde. Der Beklagte rügt erfolglos, das Berufungsgericht habe bei der Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts durch die Annahme, dass die Vertragskündigung dem Kläger die durch § 53 Abs. 1 LHG BW gesetzlich zugewiesenen Aufgaben in der Krankenversorgung entzogen bzw. die umfassende Entbindung des Klägers von diesen Aufgaben bewirkt habe, gegen die Denkgesetze und damit gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen.

14

Zunächst bezieht sich entsprechend den obigen Ausführungen auch diese Rüge der Sache nach nicht auf die Tatsachenfeststellung in Gestalt der Erfassung des Wortlauts des Vertrags vom 24. Juli 2007, der Kündigung vom 24./25. Januar 2008 oder der von dem Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang herangezogenen weiteren Schreiben des Beklagten, sondern auf die materiellrechtliche Beurteilung, die die Vorinstanz aus den festgestellten Tatsachen abgeleitet hat. Weiterhin spart der Inhalt des Vertrags vom 24. Juli 2007 die Aufgaben der Krankenversorgung nicht aus. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 36) - hier nun deutlich in tatsächlicher Hinsicht - festgestellt, dass der Vertrag die gesetzlich vorgesehene Aufgabe der Krankenversorgung unter Berücksichtigung der Belange von Forschung und Lehre jedenfalls näher ausgestaltet. Darüber hinaus kann nach dem oben umschriebenen engen Maßstab in der Beurteilung des Berufungsgerichts (UA S. 36 f.), der Beklagte habe im Zusammenhang mit der ausgesprochenen Kündigung des Vertrags vom 24. Juli 2007 die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung in jedweder Hinsicht unterbinden und diesem damit einen Teil seiner beamtenrechtlich amtsangemessenen Beschäftigung entziehen wollen, dies auch in tatsächlicher Hinsicht so verwirklicht und damit seine Zuständigkeit überschritten, kein Verstoß gegen die Denkgesetze gefunden werden. Entgegen der Ansicht des Beklagten konnte sich der Verwaltungsgerichtshof für diese Beurteilung der Auswirkungen der Kündigung ebenso wie für die Auslegung des Vertrags vom 24. Juli 2007 insbesondere auf das Kündigungsbegleitschreiben des Beklagten vom 25. bzw. 28. Januar 2008 stützen. Er hat sich überdies, was der Beklagte in diesem Zusammenhang in seiner Beschwerdebegründung nicht angreift, unter anderem auf das weitere, vorsorgliche Kündigungsschreiben des Beklagten vom 30. September 2009 bezogen.

15

2. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kann die Revision ebenfalls nicht zugelassen werden. Eine solche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Aus den Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen für die von ihr aufgeworfenen Fragen (a) bis c)) erfüllt sind.

16

a) Der Beklagte möchte geklärt wissen,

ob allein die Tatsache, dass ein verfahrensrechtlicher Mangel der Verantwortungssphäre einer Vertragspartei zuzurechnen ist, dazu führt, dass die Berufung auf diesen Verfahrensmangel treuwidrig und rechtsmissbräuchlich ist.

17

Der Beklagte stellt diese Frage vor dem Hintergrund, dass der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 27) seinen Einwand, der Kläger könne aus einer etwaigen Übertragung der Abteilungsleitung durch den Vertrag vom 24. Juli 2007 schon deshalb nichts zu seinen Gunsten herleiten, weil auch für diese Bestellung das erforderliche Einvernehmen der Medizinischen Fakultät der Universität gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG BW gefehlt hätte und sie deshalb unwirksam gewesen wäre, unter Verweis auf die Lokalisierung des behaupteten Mangels in der von dem Beklagten selbst zu verantwortenden Sphäre als treuwidrig und rechts-missbräuchlich zurückgewiesen hat.

18

Über diese den konkreten Fall kennzeichnenden Umstände weist die Frage des Beklagten nicht hinaus. Sie kann hier wie stets nur unter Berücksichtigung des zu entscheidenden Einzelfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben beantwortet werden. Eine grundsätzliche Bedeutung hat die Frage daher nicht.

19

b) Für grundsätzlich klärungsbedürftig hält der Beklagte die weitere Frage,

ob das Institut des Formenmissbrauchs es ermöglicht, die rechtlichen Anforderungen an die Kündigung eines Vertrages über die vertragsrechtlichen Anforderungen hinaus zu erweitern.

20

Der Verwaltungsgerichtshof hat auf das Verbot des Formenmissbrauchs in zwei Zusammenhängen abgestellt: Zum einen die Abberufung des Klägers von seiner Funktion als Abteilungsleiter (UA S. 28), zum anderen die umfassende, das Amt im abstrakt-funktionellen Sinne betreffende Entbindung des Klägers von Aufgaben in der Krankenversorgung (UA S. 38). Auf beide Zusammenhänge bezieht sich die aufgeworfene Frage. Eine grundsätzliche Bedeutung kommt ihr hier wie dort nicht zu.

21

Das Verbot des Formenmissbrauchs ist eine Ausprägung des in § 242 BGB statuierten, auch im öffentlichen Recht geltenden allgemeinen Rechtsgrundsatzes von Treu und Glauben (Urteile vom 26. März 2003 - BVerwG 6 C 24.02 -Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 50 S. 21 und vom 28. April 2009 - BVerwG 2 A 8.08 - Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 55 Rn. 18). Ob dieser Grundsatz als solcher des revisiblen Bundesrechts oder als solcher des nicht revisiblen Landesrechts angewandt wird, hängt davon ab, ob er zur Ergänzung von Bundesrecht oder Landesrecht herangezogen wird (Urteile vom 14. April 1978 - BVerwG 4 C 6.76 - BVerwGE 55, 337 <339> = Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 90 S. 19 und vom 17. Februar 1984 - BVerwG 7 C 67.82 - BVerwGE 69, 46 <48> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 195 S. 180, Beschluss vom 1. April 2004 - BVerwG 4 B 17.04 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 21 S. 6).

22

Hier hat sich der Verwaltungsgerichtshof allein auf dem Gebiet des nach § 137 Abs. 1 VwGO irrevisiblen Landesrechts bewegt, indem er auf das Verbot des Formenmissbrauchs im Zusammenhang mit einer seiner Einschätzung nach drohenden Umgehung der für eine Abberufung des Klägers als Abteilungsleiter geltenden landesrechtlichen Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG BW abgestellt hat. Die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der von dem Beklagten aufgeworfenen Frage scheitert daher insofern bereits daran, dass sie in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig ist. Ob unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 127 Nr. 2 BRRG etwas anderes gilt, soweit das Berufungsgericht das Verbot des Formenmissbrauchs als Sperre gegen eine Umgehung von Zuständigkeiten des (Landes-) Beamtenrechts im Hinblick auf die vollständige Entbindung des Klägers von Aufgaben in der Krankenversorgung benannt hat, kann offen bleiben. In dieser Hinsicht kommt der in Rede stehenden Frage jedenfalls deshalb keine Grundsatzbedeutung zu, weil sie einer allgemein gültigen, über den Einzelfall hinausweisenden Beantwortung nicht zugänglich ist. Denn nach dem insoweit zu Grunde zu legenden Ansatz des Verwaltungsgerichtshofs kommt es entscheidend darauf an, in welchem Umfang im Zusammenhang mit der Kündigung eine Entziehung der amtsangemessenen Aufgaben beabsichtigt und verwirklicht wird. Dies hängt von den konkreten Umständen des jeweiligen Falles ab.

23

c) Schließlich sieht der Beklagte im Zusammenhang mit dem Einvernehmen der Medizinischen Fakultät der Universität im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG BW die Fragen als grundsätzlich bedeutsam an,

ob § 45 Abs. 1 Nr. 5 und/ oder § 58 LVwVfG auf die Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages analog anwendbar sind,

ob das nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG BW erforderliche Einvernehmen der Medizinischen Fakultät rückwirkend erteilt werden kann,

ob der Erteilung des Einvernehmens durch die Medizinischen Fakultät nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG BW eine Abwägung der zu berücksichtigenden Belange vorausgehen muss und ob dies voraussetzt, dass die Beschlussvorlage eindeutig erkennen lässt, auf welche Maßnahmen sich das Einvernehmen beziehen soll,

und ob dann, wenn die Beschlussvorlage nicht eindeutig erkennen lässt, auf welche konkreten Organisationsmaßnahmen sich das Einvernehmen beziehen soll, eine Dokumentation der wesentlichen Erwägungen der Einvernehmenserteilung im Sinne einer schriftlichen Fixierung erforderlich ist.

24

Diese Fragen zeigen allesamt keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Sie lassen, ohne dass es darauf ankommt, inwieweit sie ungeachtet ihrer landesrechtlichen Anknüpfung durch die bundesverfassungsrechtliche Norm des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unterfangen sind, in einem Revisionsverfahren eine Klärung jedenfalls deshalb nicht erwarten, weil sie für das angefochtene Urteil nicht entscheidungserheblich gewesen sind.

25

Die Fragen betreffen sämtlich den Begründungsstrang des berufungsgerichtlichen Urteils, der die Unwirksamkeit der Kündigung vom 24./25. Januar 2008 aus dem Fehlen des Einvernehmens der Medizinischen Fakultät der Universität nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG BW herleitet. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich für dieses Ergebnis jedoch selbständig tragend auch auf den Begründungsstrang der umfassenden und von dem Beklagten unter Überschreitung seiner Zuständigkeit vorgenommenen Entbindung des Klägers von Aufgaben in der Krankenversorgung gestützt (ausdrücklich: UA S. 18, 35).

26

Gegen den letztgenannten Begründungsstrang hat der Beklagte - wie dargelegt - keinen durchgreifenden Revisionszulassungsgrund ins Feld geführt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Revision gegen ein Urteil, das - wie hier - auf mehrere, je selbständig tragende Begründungen gestützt ist, nur zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (Beschlüsse vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4 und vom 18. August 2010 - BVerwG 6 B 24.10 -[...] Rn. 2).

27

3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG und nimmt die von den Beteiligten nicht angegriffene Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichtshofs auf.

Neumann

Dr. Möller

Hahn

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