Bundesgerichtshof
Urt. v. 09.06.1992, Az.: VI ZR 49/91
Schadensersatzpflicht eines Pferdehalters bei Überlassung des Pferdes aus Gefälligkeit; Haftungsfreistellung des Tierhalters bei Risikoübernahme des Reiters von über einen gewöhnlichen Ritt hinausgehende Gefahren; Auferlegung des Entlastungsbeweises für das Mitverschulden des Verletzten bei Gefälligkeitsüberlassung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 09.06.1992
- Aktenzeichen
- VI ZR 49/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1992, 16108
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Krefeld
- OLG Düsseldorf - 18.10.1990
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHWarn 1992, 382-386
- DAR 1993, 208-209 (Kurzinformation)
- JR 1993, 506-509
- JuS 1993, 73 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1992, 1032-1033 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1992, 2474-2476 (Volltext mit amtl. LS)
- VersR 1992, 1145-1148 (Volltext mit red. LS)
Prozessführer
Angelika R., H., T.
Prozessgegner
Regina Ho., S. T.
Amtlicher Leitsatz
- a)
Der Halter eines Reitpferdes kann dem Reiter, der sich beim Sturz vom Pferd verletzt, auch dann nach § 833 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er dem Verletzten das Pferd aus Gefälligkeit überlassen hat.
- b)
In einem solchen Fall kann es die Interessenlage gebieten, dem Verletzten gegenüber dem Vorwurf des Mitverschuldens nach § 254 BGB den Entlastungsbeweis entsprechend § 834 BGB aufzuerlegen.
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 1992
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Steffen und
die Richter Dr. Lepa, Dr. v. Gerlach, Dr. Müller und Dr. Dressler
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. Oktober 1990 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien trafen sich am 24. Oktober 1983 in der Reitanlage M. in T., wo beide seit längerem ihr Reitpferd untergestellt hatten. Sie waren aufgrund ihrer gemeinsamen Zugehörigkeit zum Reitstall sportkameradschaftlich verbunden, wenn nicht gar befreundet. Die Klägerin - eine erfahrene Reiterin - konnte an diesem Tage ihr Pony wegen einer Verletzung nicht reiten. Die Beklagte stellte ihr deshalb ihr eigenes Pferd zur Verfügung, damit sie es in der folgenden Reitstunde unter der Leitung eines Reitlehrers reiten konnte. Da das Pferd lustlos ging, forderte der Reitlehrer die Klägerin auf, die Gerte einzusetzen. Nach einem Gerteneinsatz buckelte das Pferd und warf die Klägerin ab. Dabei zog sie sich nicht unerhebliche Verletzungen zu.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten den Ersatz ihrer materiellen Schäden in Höhe von 98.340,28 DM abzüglich bereits erhaltenen Krankengeldes, die Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 30.000,00 DM sowie die Feststellung, daß die Beklagte ihr zum Ersatz allen weiteren nach dem 31. August 1988 entstehenden materiellen und immateriellen Schadens verpflichtet sei, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen seien. Die Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in OLGZ 91, 84 veröffentlicht ist, verneint Ansprüche der Klägerin auf vertraglicher Grundlage, weil beide Parteien bei Übergabe und Übernahme ohne Rechtsbindungswillen gehandelt hätten. Beide hätten sich gegenseitig einen Gefallen erweisen wollen; die Beklagte habe zum Reiten keine Lust gehabt, die Klägerin habe ihr eigenes Pferd nicht reiten können.
Ansprüche aus § 833 BGB hält das Berufungsgericht nicht für gerechtfertigt, weil der Reitunfall nicht mehr vom Schutzzweck der Tierhalterhaftung erfaßt werde. Das Gesetz gehe davon aus, daß sich der Geschädigte außerhalb der Gefahrensphäre befinde, während sich die Klägerin freiwillig in die von dem Pferd ausgehende Gefahr hineinbegeben habe.
Das Berufungsgericht erkennt allerdings an, daß die Tierhalterhaftung des § 833 BGB nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch dem Reiter zugute komme. Doch habe der Bundesgerichtshof bisher nicht die Frage entschieden, ob die Gefährdungshaftung auch bei Übergabe eines Pferdes aus reiner Gefälligkeit eingreife. Übertrage man die in § 8 a StVG enthaltene Regelung auf die Tierhalterhaftung, ergäbe sich folgende Lösung: Der Pferdehalter hafte in der Regel bei entgeltlicher Überlassung, bei unentgeltlicher nur dann, wenn er ein besonderes Interesses daran habe, daß sein Pferd geritten werde. Im Streitfall liege der Reitunfall nicht mehr im Schutzbereich des § 833 BGB, weil die Übergabe des Pferdes nicht entgeltlich geschehen sei und die Beklagte kein besonderes Interesse am Reiten ihres Pferdes gehabt habe. Vielmehr habe es sich um einen vereinzelten Gefälligkeitsritt und damit um einen Vorgang sportkameradschaftlicher Art gehandelt.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht Stand. Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht die Tierhalterhaftung der Beklagten aus § 833 BGB verneint hat.
Die Klägerin ist durch das Reitpferd, dessen Halterin die Beklagte war, an Körper und Gesundheit beschädigt worden. Damit sind, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, die Haftungsvoraussetzungen des § 833 BGB gegeben. Nach Lage der Dinge ist auch davon auszugehen, daß sich in dem Reitunfall die spezifische Tiergefahr verwirklicht hat. Daran ändert nichts die Tatsache, daß die Klägerin, um der Lustlosigkeit des Pferdes entgegen zu wirken, die Reitgerte eingesetzt und das Pferd darauf mit Buckeln und Abwerfen reagiert hat. Denn auch die Reaktion des Tieres auf menschliche Steuerung und die daraus resultierende Gefährdung hat ihren Grund in der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens, für die der Halter den Geschädigten nach § 833 BGB schadlos halten soll (vgl. BGHZ 67, 129, 132; Senatsurteil vom 19. November 1991 - VI ZR 69/91 - VersR 1992, 371). Hat der Reiter durch vorwerfbare Fehler dazu beigetragen, daß ihn das Pferd abwirft, kann das allenfalls als Mitverschulden über § 254 BGB berücksichtigt werden (Senatsurteil vom 24. Juni 1986 - VI ZR 202/85 - VersR 1986, 1206, 1207 - dazu unten III.).
1.
Im übrigen vermag sich der Senat der Auffassung des Berufungsgerichts, der Reitunfall falle nicht mehr unter den Schutzzweck des § 833 BGB, nicht anzuschließen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß die Gefährdungshaftung des Tierhalters aus § 833 BGB grundsätzlich auch dem Reiter auf dem Pferd zugute kommt (Urteile vom 13. November 1973 - VI ZR 152/73 - VersR 1974, 356; vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - VersR 1977, 864, 865; vom 12. Januar 1982 - VI ZR 188/80 - VersR 1982, 366, 367; vom 19. Januar 1982 - VI ZR 132/79 - VersR 1982, 348; vom 24. Januar 1984 - VI ZR 61/82 - VersR 1984, 286, 287; vom 24. Juni 1986 aaO; vom 19. Januar 1988 - VI ZR 188/87 - VersR 1988, 609). Eine Haftungsfreistellung des Tierhalters gegenüber dem Reiter hat der Senat unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur anerkannt, wenn der Reiter im Einzelfall Risiken übernommen hat, die über die gewöhnlich mit einem Ritt verbundene Gefahr hinausgehen (z.B. Zureiten, Dressurreiten, Springen). An dieser Auffassung hält der Senat nach Überprüfung fest. Der vorliegende Fall gibt keinen Anlaß, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen.
2.
Die damit grundsätzlich gegebene Gefährdungshaftung des Tierhalters entfällt im Streitfall nicht deshalb, weil die Überlassung des Pferdes an die Klägerin auf Gefälligkeit beruhte.
a)
Keinesfalls läßt sich eine generelle Haftungsfreistellung, wie es das Berufungsgericht tut und was die Revision mit Recht beanstandet, mit einer Übertragung der für Insassen von Kraftfahrzeugen in § 8 a StVG getroffenen Regelung begründen. Zu vergleichen ist der Reiter, der die Herrschaft über das Pferd übernommen hat und der insoweit an der Aktualisierung der Tiergefahr besonders teilnimmt, ohnehin eher mit dem Fahrer eines Kraftfahrzeuges, für den nicht § 8 a StVG gilt, sondern dem gegenüber nach § 8 StVG ganz allgemein die Gefährdungshaftung des Halters ausgeschlossen ist. Aber auch § 8 StVG kann nicht entsprechend auf den Reiter angewandt werden, denn er stellt ebenso wie § 8 a StVG eine Ausnahmevorschrift dar, die eng auszulegen ist (Senatsurteile vom 7. Juli 1956 - VI ZR 157/55 - VersR 1956, 640 und vom 3. Dezember 1991 - VI ZR 378/90 - VersR 1992, 437) und deren Regelungsgehalt auch nicht auf vergleichbare Sachverhalte anderer Gefährdungshaftungen übertragen werden kann. Die Gefährdungshaftungen enthalten für die einzelnen Haftungsbereiche im Hinblick auf die Besonderheiten der jeweiligen Materie und ihrer Entstehungsgeschichte je eigenständige und in sich abgeschlossene Regelungen, die nur aus ihrem jeweiligen Zusammenhang heraus verstanden und angewendet werden können und demgemäß einer entsprechenden Anwendung auf andere Gefährdungshaftungen nicht zugänglich sind.
Der Regelung in §§ 8 und 8 a StVG liegt auch kein allgemeiner, übertragungsfähiger Rechtsgedanke zugrunde. Diese Ausschlußbestimmungen sind vielmehr das Ergebnis einer eher von zufälligen Entscheidungen geprägten Gesetzesgeschichte, die aus den Vorläufern der heutigen Vorschriften erkennbar ist: Während der "Entwurf eines Gesetzes über die Haftpflicht für den bei dem Betriebe von Kraftfahrzeugen entstehenden Schaden" von 1906 noch darauf abstellte, daß im Falle der Personenbeförderung der Verletzte "die Gefahr freiwillig übernommen" habe, waren für die Haftungsausschlüsse nach dem "Entwurf eines Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen" von 1909 im wesentlichen wirtschaftliche Überlegungen maßgebend (Verhandlungen des Reichstages, 11. Legislaturperiode, Stenographische Berichte 1905/1906, 4. Anlageband Nr. 264 S. 3245, 3247; XII. Legislaturperiode, Stenographische Berichte Bd. 248 Nr. 988 S. 5593, 5596; vgl. auch Hohloch VersR 1979, 199, 206 f.). Erst das Änderungsgesetz vom 7. November 1939 (RGBl I S. 2223) erstreckte im Hinblick auf die wachsende Bedeutung des Kraftfahrzeugverkehrs die Gefährdungshaftung des Halters auf die Insassen von Kraftfahrzeugen im Falle entgeltlicher Beförderung (Amtliche Begründung DJ 1939, 1771, 1772). Schon diese besondere Entstehungsgeschichte steht einer Übertragung des § 8 a StVG auf die Tierhalterhaftung, der ein gesetzlich festgeschriebener Haftungsausschluß fremd ist, von vornherein entgegen (zur Ablehnung einer analogen Anwendung dieser Vorschrift auf die Gefährdungshaftung nach dem LuftVG vgl. OLG Karlsruhe VersR 1969, 287). Abgesehen davon ist eine Ausrichtung an der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit der Tierüberlassung in Anlehnung an § 8 a StVG auch deshalb verfehlt, weil diese Regelung nur für die Beförderung von Kraftfahrzeuginsassen, nicht aber für den dem Reiter eher vergleichbaren Fahrer eines Kraftfahrzeuges gilt.
b)
Auch sonst kommt eine Haftungsfreistellung des Tierhalters aus dem Gesichtspunkt der Gefälligkeit nicht in Betracht.
Gefälligkeiten, denen das Fehlen eines Rechtsbindungswillens eigen ist, haben zunächst zur Folge, daß vertragliche Ansprüche zwischen den Beteiligten ausgeschlossen sind (vgl. BGHZ 21, 102, 106 f.). Deliktische Ansprüche, die im Zusammenhang mit Gefälligkeitserweisen entstehen, bleiben dagegen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unberührt (BGHZ 30, 40, 46; 43, 72, 76; 76, 32, 34 f. [BGH 27.11.1979 - VI ZR 267/78]; Senatsurteile vom 26. Oktober 1965 - VI ZR 102/64 - VersR 1966, 41; vom 14. Februar 1978 - VI ZR 216/76 - VersR 1978, 625; vom 15. Januar 1980 - VI ZR 191/78 - VersR 1980, 384). Das hat seinen Grund darin, daß nicht ohne weiteres angenommen werden kann, daß jemand, dem eine Gefälligkeit erwiesen wird, auf Schadensersatzansprüche wegen schuldhafter Herbeiführung von Körperverletzungen, insbesondere bei der Verletzung von Schutzpflichten im Straßenverkehr verzichtet. Die Annahme einer stillschweigend vereinbarten Haftungsbeschränkung im Wege ergänzender Vertragsauslegung stellt eine künstliche Rechtskonstruktion dar, denn sie geht von einem Haftungsverzicht aus, an den bei Abschluß der Vereinbarung niemand gedacht hat und der infolgedessen auf einer Willensfiktion beruht (vgl. BGHZ 34, 355, 361; 41, 79, 81; 43, 72, 76; Urteil vom 26. Oktober 1966 aaO). Eine solche Haftungsbeschränkung hat der Senat stets nur beim Hinzutreten besonderer Umstände gelten lassen (BHGZ 30, 40, 46; 76, 32, 35; Urteile vom 14. Februar 1978 und vom 15. Januar 1980 jeweils aaO).
Diese für die Haftung aus unerlaubter Handlung entwickelten Grundsätze gelten auch für die Gefährdungshaftung nach § 833 BGB. Auch insoweit kann weder das kameradschaftliche Verhältnis zwischen den Beteiligten noch die Tatsache, daß beide sich gegenseitig einen Gefallen erweisen wollten, die Annahme eines stillschweigend vereinbarten Ausschlusses der Gefährdungshaftung rechtfertigen. Das gilt insbesondere dann, wenn, wie hier, hinter dem Tierhalter eine Versicherung steht, denn ein Haftungsverzicht, der lediglich den Versicherer entlastet, entspricht in der Regel nicht dem Willen der Beteiligten und ihrem wohlverstandenen Interesse (vgl. BGHZ 39, 156, 158 [BGH 05.03.1963 - VI ZR 123/62]; 63, 51, 59 [BGH 10.07.1974 - IV ZR 212/72]; BGH, Urteile vom 26. Oktober 1965 aaO; vom 15. Januar 1980 a.a.O. und vom 24. Juni 1986 aaO).
c)
Auch der Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist nicht geeignet, eine generelle Haftungsfreistellung des Tierhalters, der einem anderen gefälligkeitshalber sein Pferd überläßt, zu begründen. Die Unentgeltlichkeit der Überlassung und der mit einer Gefälligkeit verbundene Altruismus lassen für sich allein die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 833 BGB nicht als treuwidrig oder gar als rechtsmißbräuchlich erscheinen. Dazu bedarf es vielmehr des Hinzutretens besonderer Umstände, die im Einzelfall dem Schadensersatzbegehren des Geschädigten ein treuwidriges Gepräge geben (vgl. Senatsurteile vom 14. Februar 1978 aaO; vom 18. Dezember 1979 - VI ZR 52/78 - VersR 1980, 426, 427; vom 15. Januar 1980 aaO). Das kann etwa dann der Fall sein, wenn die Gewährung der Gefälligkeit im besonderen Interesse des Geschädigten lag und dieser sich deshalb einem ausdrücklichen Ansinnen eines Haftungsverzichtes, wäre es an ihn gestellt worden, billigerweise nicht hätte verschließen können (vgl. BGHZ 9, 273, 278 [BGH 22.04.1953 - II ZR 143/52]; Senatsurteil vom 18. Dezember 1979 aaO). Im Streitfall sind derartige Umstände nicht festgestellt und auch nicht erkennbar. Dann aber muß es dabei bleiben, daß mit einer Gefälligkeit nicht automatisch eine Haftungsbegrenzung oder ein Ausschluß der Gefährdungshaftung verbunden ist.
d)
Ein Ausschluß der Tierhalterhaftung ergibt sich auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 599 BGB.
Das Berufungsgericht stellt ausdrücklich fest, daß die Parteien bei der Übergabe und Übernahme des Pferdes ohne den Willen zu einer rechtlichen Bindung handelten und demgemäß keinen Leihvertrag gemäß § 598 BGB abschlossen. In Betracht kommt daher allenfalls eine entsprechende Anwendung der für die vertragliche Leihe vorgesehenen Haftungsbeschränkung.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß die gesetzliche Beschränkung der Vertragshaftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit auch auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung durchschlägt mit der Folge, daß wegen derselben Handlung nach Deliktsrecht keine strengere Haftung stattfindet (RGZ 66, 363; 88, 317; BGHZ 46, 140, 145; 46, 313, 316; 55, 392, 396; 93, 23, 29) [BGH 20.11.1984 - IVa ZR 104/83]. Damit entfällt nicht nur eine Haftung für leichte Fahrlässigkeit, sondern auch die Gefährdungshaftung nach § 833 BGB (Senatsurteil vom 14. Juli 1977 aaO). Diese Ausstrahlung gilt jedoch nur für Fälle echter Anspruchskonkurrenz, also in Fällen, in denen vertragliche und deliktische Ansprüche nebeneinander bestehen. Ob die Haftungsbeschränkung auch bei der außervertraglichen Gefälligkeitsleihe zum Zuge kommt, hat der Senat in der vorgenannten Entscheidung vom 14. Juli 1977 offengelassen. Diese Frage wird im Schrifttum unterschiedlich beantwortet (für eine analoge Anwendung des § 599 BGB treten zum Beispiel ein: Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht 15. Aufl. § 27, 6; Hoffmann AcP 167, 394, 396, 406 m.w.N. in Fn. 70; Medicus, Bürgerliches Recht 14. Aufl. § 16 I 2 a Rdn. 369; Schwerdtner NJW 1971, 1673, 1675; Staudinger/Reuter, BGB 12. Aufl., Vorbemerkung zu §§ 598 ff. Rdn. 9; verneinend dagegen Erman/Schopp, BGB, 8. Aufl. Vorbemerkung vor § 598 Rdn. 2; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Bd. II Besonderer Teil 1. Halbband 13. Aufl. S. 294; MüKomm./Kollhosser, 2. Aufl. § 599 Rdn. 6; RGRK/Gelhaar 12. Aufl., Rdn. 7 vor § 598 und § 599 Rdn. 1).
Der Senat schließt sich der eine analoge Anwendung ablehnenden Meinung an. Bei den Regelungen über die vertragliche Leihe handelt es sich um ein vom Gesetzgeber besonders ausgeformtes Vertragsverhältnis, das einen beiderseitigen Verpflichtungswillen der Beteiligten voraussetzt, welcher für jeden Vertragsschließenden Rechte und Pflichten begründet und ausformt. Im Rahmen dieser Vertragsgestaltung stellt die Einschränkung des vertraglichen Haftungsmaßstabes ein Äquivalent für die Unentgeltlichkeit der Gebrauchsüberlassung dar. Die Haftungseinschränkung kann nicht isoliert auf das Deliktsverhältnis übertragen werden, dem dieser Äquivalenzgedanke fremd ist. In Fällen, in denen es an einem Vertragsverhältnis gemäß § 598 ff. BGB fehlt, muß es danach bei der Haftungsverteilung bleiben, wie sie das Deliktsrecht einschließlich der Tierhalterhaftung nach § 833 BGB vorsieht.
III.
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht über die Höhe der geltend gemachten Schäden entscheiden kann.
Dabei wird das Berufungsgericht auch über ein eventuelles Mitverschulden der Klägerin im Rahmen des § 254 BGB zu befinden haben. Ein zum Schaden führender Verursachungsbeitrag der Klägerin könnte darin liegen, daß sie sich auf ein fremdes Pferd, dessen Eigenschaften sie möglicherweise nicht genau kannte, gesetzt, und daß sie gegen das Tier, um dessen Lustlosigkeit zu überwinden, die Reitgerte eingesetzt hat. Dabei können über § 254 BGB freilich nur vorwerfbare Fehler beim Reiten berücksichtigt werden (Senatsurteil vom 24. Juni 1986 a.a.O. S. 1207). Die Mitverschuldensprüfung muß sich insoweit an dem Haftungsmaßstab des § 834 BGB orientieren. Danach muß derjenige, der die Obhut über ein Tier übernommen hat, die Vermutung gegen sich gelten lassen, daß ihn ein Verschulden trifft und dieses Verschulden für den Schaden ursächlich geworden ist. Tierhüter im Sinne dieser Vorschrift kann auch der Reiter sein (Senatsurteil vom 30. September 1986 - VI ZR 161/85 - VersR 1987, 198, 200) [BGH 30.09.1986 - VI ZR 161/85]. Im Streitfall hat allerdings die Klägerin die Aufsicht über das Pferd der Beklagten nicht durch Vertrag übernommen, wie es § 834 BGB voraussetzt, sondern im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses. Indes gebietet es die hinsichtlich der Einfluß- und Aufklärungsmöglichkeiten der Klägerin vergleichbare Interessenlage hier, zum Zwecke der Begrenzung der Tierhalterhaftung der Beklagten die Beweislastregeln des § 834 BGB gegenüber dem Vorwurf des Mitverschuldens entsprechend anzuwenden. Es obliegt infolgedessen der Klägerin, die Verschuldens- und Verursachungsvermutung zu widerlegen.
Dr. Lepa
Dr. v. Gerlach
Dr. Müller
Dr. Dressler