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Verdienstausfallschaden

Normen

§ 842 BGB

Information

1 Allgemein

Gemäß § 842 BGB erstreckt sich bei einer Körperverletzung die Verpflichtung zum Schadensersatz auf die (Vermögens-) Nachteile, die der Verletzte durch die Aufhebung oder Minderung seiner Erwerbsfähigkeit erleidet. Dabei kommt der Arbeitskraft als solcher allerdings kein Vermögenswert zu. Aus diesem Grunde entsteht demjenigen, der nur von seinem Vermögen oder seiner Rente lebt, arbeitsunwillig oder arbeitslos ist, ohne Arbeitslosengeld beanspruchen zu können, allein durch den Verlust seiner Arbeitsfähigkeit noch kein ersatzpflichtiger Schaden.

Die Ersatzpflicht greift jedoch ein, wenn durch die Beeinträchtigung der Arbeitskraft des Verletzten in dessen Vermögen ein konkreter Schaden entstanden ist. Ein solcher liegt nicht nur in dem Verlust von Arbeitseinkommen bzw. dem nach der Entgeltfortzahlung geringerem Krankengeld; der Erwerbsschaden umfasst vielmehr alle wirtschaftlichen Beeinträchtigungen, die der Geschädigte erleidet, weil und soweit er seine Arbeitskraft verletzungsbedingt nicht verwerten kann, die also der Mangel der vollen Einsatzfähigkeit seiner Person mit sich bringt (BGH 25.06.2013 - VI ZR 128/12).

Jedoch sind zulasten des Geschädigten ersparte berufsbedingte Aufwendungen abzuziehen (OLG München 26.03.2019 - 24 U 2290/18):

"Zwar sind grundsätzlich im Weg der Vorteilsausgleichung berufsbedingten Aufwendungen in Höhe von 10 % des Nettoeinkommens abzuziehen, wenn keine besonderen, vom Geschädigten vorzutragende (und ggfs. zu beweisende) Umstände vorliegen, aus denen sich niedrigere Aufwendungen ergeben."

2 Verdienstausfall eines Selbstständigen

Der BGH hat zum Verdienstausfallschaden eines Selbstständigen folgende Grundsätze aufgestellt:

"...bedarf es daher bei selbständig Tätigen zur Beantwortung der Frage, ob diese einen Verdienstausfallschaden erlitten haben, der Prüfung, wie sich das von ihnen betriebene Unternehmen ohne den Unfall voraussichtlich entwickelt hätte. Für die Grundlagen der danach erforderlichen Prognose des erzielbaren Gewinns ist nicht auf den Zeitpunkt des Schadensereignisses, sondern auf denjenigen der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (...). Dabei kommen dem Geschädigten die Darlegungs- und Beweiserleichterungen nach § 252 BGB, § 287 ZPO zugute. Diese Erleichterungen ändern nichts daran, dass es im Rahmen der notwendigen Prognose des entgangenen Gewinns im Sinn des § 252 Satz 2 BGB ebenso wie für die Ermittlung des Erwerbsschadens nach § 287 ZPO konkreter Anknüpfungstatsachen bedarf, die der Geschädigte darlegen und zur Überzeugung des Gerichts nachweisen muss. Dabei wird es in der Regel erforderlich und angebracht sein, an die Geschäftsentwicklung und die Geschäftsergebnisse in den letzten Jahren vor dem Unfall anzuknüpfen (...) An die schwierige Darlegung der hypothetischen Entwicklung des Geschäftsbetriebs eines Selbständigen dürfen aber keine zu strengen Maßstäbe angelegt werden (...). Die Klage darf nicht wegen lückenhaften Vortrags zur Schadensentstehung und Schadenshöhe abgewiesen werden, solange greifbare Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung vorhanden sind" (BGH 19.09.2017 - VI ZR 530/16).

3 Hypothetische Einkommensentwicklung beim Erwerbsschaden

Erfasst der Schaden auch die berufliche Einkommensentwicklung des Geschädigten, so ist gemäß § 252 S. 2 BGB auch dieser Schaden zu ersetzen. Die Bemessung des Erwerbsschadens bei dieser hypothetischen Einkommensentwicklung ist nach der Entscheidung BGH 09.11.2010 - VI ZR 300/08 wie folgt vorzunehmen:

"Ist die voraussichtliche berufliche Entwicklung eines Geschädigten ohne das Schadensereignis zu beurteilen, muss der Geschädigte nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zwar soweit wie möglich konkrete Anhaltspunkte für die erforderliche Prognose dartun. Doch dürfen insoweit keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (...). Dies gilt insbesondere dann, wenn das haftungsauslösende Ereignis den Geschädigten zu einem Zeitpunkt getroffen hat, als er noch in der Ausbildung oder am Anfang seiner beruflichen Entwicklung stand und deshalb noch keine Erfolge in der von ihm angestrebten Tätigkeit nachweisen konnte (...). Soweit sich keine Anhaltspunkte ergeben, die überwiegend für einen Erfolg oder einen Misserfolg sprechen, liegt es nahe, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von einem voraussichtlich durchschnittlichen Erfolg des Geschädigten in seiner Tätigkeit auszugehen und auf dieser Grundlage die weitere Prognose der entgangenen Einnahmen anzustellen und den Schaden gemäß § 287 ZPO zu schätzen; verbleibenden Risiken kann durch gewisse Abschläge Rechnung getragen werden."

"In diesem Rahmen kommt nicht nur der Frage Bedeutung zu, ob auch ohne das konkrete Schadensereignis beim Verletzten eine entsprechende gesundheitliche Entwicklung mit vergleichbaren beeinträchtigenden Auswirkungen zum Tragen gekommen wäre; es ist vielmehr auch das Risiko in die Betrachtung miteinzubeziehen, das durch die bereits vorhandene Erkrankung für die künftige berufliche Situation des Geschädigten bestanden hat (...). Dementsprechend ist eine Verdienstausfallrente auf die voraussichtliche Dauer der Erwerbstätigkeit des Geschädigten, wie sie sich ohne das haftungsbegründende Ereignis gestaltet hätte, zu begrenzen; hierbei sind Anhaltspunkte für eine vom gesetzlich vorgesehenen Normalfall abweichende voraussichtliche Entwicklung zu berücksichtigen" (BGH 31.05.2016 - VI ZR 305/15).

Mit dem Urteil BGH 05.10.2010 - VI ZR 186/08 hat der BGH Grundsätze zur hypothetischen Einkommensentwicklung bei der Schädigung eines Kindes aufgestellt:

"Trifft das Schadensereignis ein jüngeres Kind, über dessen berufliche Zukunft aufgrund des eigenen Entwicklungsstands zum Schadenszeitpunkt noch keine zuverlässige Aussage möglich ist, darf es dem Geschädigten nicht zum Nachteil gereichen, dass die Beurteilung des hypothetischen Verlaufs mit nicht zu beseitigenden erheblichen Unsicherheiten behaftet ist. (...) Zutreffend werden deshalb in solchen Fällen auch der Beruf, die Vor- und Weiterbildung der Eltern, ihre Qualifikation in der Berufstätigkeit, die beruflichen Pläne für das Kind sowie schulische und berufliche Entwicklungen von Geschwistern herangezogen (...). Ergeben sich aufgrund der tatsächlichen Entwicklung des Kindes zwischen dem Zeitpunkt der Schädigung und dem Zeitpunkt der Schadensermittlung (weitere) Anhaltspunkte für seine Begabungen und Fähigkeiten und die Art der möglichen Erwerbstätigkeit ohne den Schadensfall, ist auch dies bei der Prognose zu berücksichtigen und von einem dem entsprechenden normalen beruflichen Werdegang auszugehen. (...) Ergeben sich keine Anhaltspunkte, die überwiegend für einen Erfolg oder einen Misserfolg sprechen, dann liegt es nahe, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von einem voraussichtlich durchschnittlichen Erfolg des Geschädigten in seiner Tätigkeit auszugehen und auf dieser Grundlage die weitere Prognose der entgangenen Einnahmen anzustellen und den Schaden gemäß § 287 ZPO zu schätzen."

Das OLG Rostock hat ausgeführt, dass bei einem jungen Menschen ohne bisherige Berufsausbildung nicht davon ausgegangen werden kann, dass er nicht alle Möglichkeiten für eine gewinnbringende Erwerbstätigkeit genutzt hätte (OLG Rostock 11.06.2021 - 5 U 55/17).

4 Bezug von Arbeitslosengeld

Ein Vermögensschaden entsteht auch demjenigen, der den Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld oder Bürgergeld verliert, weil er verletzungsbedingt erwerbsunfähig geworden ist (BGH 25.06.2013 - VI ZR 128/12).

5 Steuerschaden

Der BGH hat unter teilweiser Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (BAG 28.04.1970 - VI ZR 193/68) zu der Übernahmepflicht eines Steuerschadens wie folgt Stellung genommen:

"Ein erwerbstätiger verheirateter Geschädigter, der mit seinem Ehegatten zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wird, kann von dem Schädiger, der ihm neben dem entgangenen Nettoverdienst die darauf anfallenden Steuern zu ersetzen hat, den Einkommensteuerbetrag ersetzt verlangen, der sich auf der Grundlage der Zusammenveranlagung ergibt" (BGH 08.06.2021 - VI ZR 924/20).

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