Rechtswörterbuch

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach Themen im Rechtswörtebuch zu suchen!

Sonderzahlungen - Rechtsbindung

 Normen 

Nicht gesetzlich geregelt

 Information 

Das Entstehen eines Anspruchs auf die Leistung einer Sonderzahlung bei Fehlen einer verbindlichen Rechtsgrundlage kann grundsätzlich durch die Vereinbarung eines Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalts umgangen werden:

Ein Freiwilligkeits- bzw. Widerrufsvorbehalt ist grundsätzlich von der Rechtsprechung anerkannt (so u.a. BAG 18.03.2009 - 10 AZR 289/08, BAG 26.09.2007 - 10 AZR 570/06). Nach der Entscheidung BAG 24.10.2007 - 10 AZR 825/06 können die Vorbehalte zudem auch wirksam in einem Formulararbeitsvertrag enthalten sein. Aber: Die Rechtsprechung hat an die Wirksamkeit gemäß dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen hohe Ansprüche gestellt:

  • Freiwilligkeits- bzw. Widerrufsvorbehalte müssen dem Transparenzgebot entsprechen (BAG 30.07.2008 - 10 AZR 606/07).

    Wenn Sonderleistungen des Arbeitgebers in einem Formulararbeitsvertrag nach Voraussetzungen und Höhe präzise festgelegt werden, legt dies das Bestehen eines vertraglichen Anspruchs nahe. In der Kombination eines solchen vertraglichen Anspruchs mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt liegt regelmäßig ein zur Unwirksamkeit des Vorbehalts führender Verstoß gegen das Transparenzgebot (BAG 20.02.2013 10 AZR 177/12).

  • Mit dem Urteil BAG 20.02.2013 - 10 AZR 177/12 wurde die folgende Klausel für unwirksam erklärt:

    "Die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen (Weihnachtsgratifikation, Urlaubsgeld, Vermögenswirksame Leistungen) erfolgt in jedem Einzelfall freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft."

  • Eine Klausel in einem Arbeitsvertrag, mit der dem Arbeitgeber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zur Entscheidung über die Höhe einer jährlichen Zuwendung vorbehalten wird, widerspricht nicht dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, insbesondere wenn es sich um eine Gratifikation handelt, die nach dem Arbeitsvertrag keinen Entgeltcharakter hat. Die Entscheidung über die Leistungsgewährung ist jedoch nach den Grundsätzen des billigen Ermessens zu treffen (BAG 16.01.2013 - 10 AZR 26/12).

    Als zulässig wurde die folgende Formulierung anerkannt (BAG 23.08.2017 - 10 AZR 376/16):

    "Das monatliche Bruttogehalt - zahlbar am 1. des folgenden Monats - beträgt 2.200,00 DM. Zusätzlich zum Grundgehalt wird - nach Ablauf der Probezeit - als freiwillige Leistung - eine Weihnachtsgratifikation gezahlt, deren Höhe jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekanntgegeben wird und deren Höhe derzeit ein volles Monatsgehalt nicht übersteigt. Sofern das Arbeitsverhältnis vor dem 01. April eines Jahres begonnen hat, soll auf die vorstehende Gratifikation im Juni dieses Jahres ein Vorschuß in Höhe von bis zu einem halben Monatsgehalt gezahlt werden. Sofern zwischen Beginn des Arbeitsverhältnisses und dem 30. November eines Jahres weniger als 11 Monate liegen, beträgt die Gratifikation 1/12 für jeden Monat des Arbeitsverhältnisses."

  • Aber: Eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die es dem Arbeitgeber erlaubt, nach Ablauf eines Geschäftsjahres die versprochene Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen zu unterlassen, hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 BGB nicht stand. Es würde eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellen, wenn der Arbeitgeber von der Leistungsbestimmung für ein bestimmtes Geschäftsjahr absehen dürfte, obwohl der Arbeitnehmer in diesem Geschäftsjahr seine Arbeitsleistung erbracht hat und die Leistung auch Teil der Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers war (BAG 03.08.2016 - 10 AZR 710/14).

    Bei einer Verknüpfung von Freiwilligkeitsvorbehalt und Widerrufsvorbehalt in einem Arbeitsvertrag wird für den Arbeitnehmer nicht hinreichend deutlich, dass trotz mehrfacher, ohne weitere Vorbehalte erfolgender Sonderzahlungen ein Rechtsbindungswille des Arbeitgebers für die Zukunft ausgeschlossen bleiben soll (BAG 08.12.2010 - 10 AZR 671/09). Nach den Entscheidungen BAG 14.09.2011 - 10 AZR 526/10 und LAG Hamm 11.11.2011 - 19 Sa 858/11 führt eine Kombination der Freiwilligkeitsklausel mit einem Widerrufsvorbehalt zu einer Unwirksamkeit der Klauseln.

  • Wird die Zahlung eines 13. Gehalts im Arbeitsvertrag als "freiwillige Leistung" bezeichnet, so genügt dieser Hinweis für sich genommen nicht, um einen Anspruch auf die Leistung auszuschließen. Es wird vielmehr ein unbedingter Anspruch auf die Zahlung erworben (BAG 17.04.2013 10 AZR 281/12).

  • Darüber hinaus benachteiligt ein Freiwilligkeitsvorbehalt den Arbeitnehmer unangemessen, wenn er dem Arbeitgeber das Recht zubilligt, trotz Abschluss einer vergütungsorientierten Zielvereinbarung nach Ablauf der Beurteilungsperiode frei darüber zu entscheiden, ob eine Vergütungszahlung erfolgt oder nicht. Mit Abschluss einer Zielvereinbarung, die Vergütungsbezug hat, setzt der Arbeitgeber Leistungsanreize für den Arbeitnehmer und bestimmt damit, wie aus seiner Sicht die Arbeitsleistung in einer bestimmten Periode durch den Arbeitnehmer optimal erbracht werden soll (BAG 19.03.2014 - 10 AZR 622/13).

 Siehe auch 

Allgemeine Gleichbehandlung - Arbeitsrecht

Betriebliche Übung

Gleichbehandlungsgrundsatz

Ruhen des Arbeitsverhältnisses

Tantieme

BAG 10.12.2008 - 10 AZR 15/08 (Bestehen des Arbeitsverhältnisses als Voraussetzung des Anspruchs)

BAG 26.01.2005 - 10 AZR 215/04 (Verpflichtung zur Zahlung des Weihnachtsgeldes bei Zugehörigkeit zum Betrieb)

BAG 06.10.1993 - 10 AZR 477/92

BAG 25.04.1991 - 6 AZR 532/89

Diepold: Sonderzahlungen wirksam regeln: Freiwilligkeit und Widerruf; Arbeit und Arbeitsrecht - AuA 2013, 85

Klauze: Alle Jahre wieder: Das Weihnachtsgeld; Arbeit und Arbeitsrecht - AuA 2008, 712

Lakies: Begrenzte Vertragsfreiheit bei der Gewährung von Sonderzahlungen; Der Betrieb - DB 2014, 659

Liebers/Hoefs: Formularbuch Arbeitsrecht; 7. Auflage 2023

Lingemann/Otte: Bonuszahlungen und Freiwilligkeitsvorbehalt - Die Gewichte verschieben sich; Neue Juristische Wochenschrift 2014, 2400

Reinecke: Ausgleichszahlung oder Maßregelung? Die BAG-Rechtsprechung zu freiwilligen Lohnerhöhungen und Sonderzahlungen nach einverständlicher Verschlechterung der Arbeitsbedingungen; Der Betrieb - DB 2013, 120

Salamon: Bestandsabhängige Vergütungsgestaltung. Grenzen und Gestaltungen der Einbindung von Sonderzahlungen in das Synallagma; Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht - NZA 2013, 590