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Ehewohnung - Scheidung

 Normen 

§ 1568a BGB

 Information 

1. Allgemein

Zur Sicherung einer zweckmäßigen und gerechten Zuweisung soll grundsätzlich derjenige Ehegatte die Ehewohnung behalten, der unter Berücksichtigung dieser Umstände stärker auf sie angewiesen ist. Ergänzend wird auf andere Billigkeitsgründe abgestellt. Das kann nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/10798) insbesondere in den Fällen Bedeutung erlangen, in denen keine Kinder vorhanden sind und sich nicht feststellen lässt, ob ein Ehegatte stärker als der andere auf die Ehewohnung angewiesen ist. In diesen Fällen kommt es darauf an, ob ein Ehegatte aufgrund anderer Umstände ein besonderes und schützenswertes Interesse an der Wohnung hat, weil er beispielsweise in ihr aufgewachsen ist.

2. Anspruchsvoraussetzungen in den verschiedenen Ausgangslagen

2.1 Ehewohnung ist Mietwohnung

Gemäß § 1568a BGB kann ein Ehegatte anlässlich einer Scheidung verlangen, dass ihm der andere die Ehewohnung bei Vorliegen einer der folgenden Voraussetzungen überlässt:

  • Der Ehegatte ist auf die Nutzung unter Berücksichtigung des Wohls der im Haushalt lebenden Kinder und der Lebensverhältnisse der Ehegatten in stärkerem Maße angewiesen.

    oder

  • Die Überlassung entspricht aus anderen Gründen der Billigkeit.

2.2 Ehewohnung ist Dienstwohnung des Anspruchgegners

Eine Ausnahme von dem Überlassungsanspruch besteht gemäß § 1568a Absatz 4 BGB: Danach ist der Überlassungsanspruch ausgeschlossen, wenn es sich um eine dem anderen Ehegatten zustehende Dienst- oder Arbeitswohnung handelt.

Die Überlassung kann jedoch auch hier beansprucht werden, wenn der Vermieter einverstanden ist oder eine schwere Härte vorliegt. Eine schwere Härte kann nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/10798) z.B. vorliegen, wenn der die Wohnung beanspruchende Ehegatte psychisch schwer krank ist und die mit dem Fortzug veranlasste Veränderung seiner Lebensumwelt sich negativ auf seinen Gesundheitszustand auswirken würde. Das Gleiche gilt, wenn die Wohnung für diesen Ehegatten behindertengerecht umgebaut wurde.

2.3 Anspruchsgegner besitzt ein dingliches Recht an der Ehewohnung

Sofern einem der Ehegatten ein Eigentumsrecht an dem Grundstück zusteht, kann die Überlassung gemäß § 1568a Absatz 2 BGB als zusätzliche Voraussetzung nur verlangt werden, um eine unbillige Härte abzuwenden.

Dies gilt auch dann "wenn der dinglich berechtigte Ehegatte (hier: Eigentümer) dem anderen Ehegatten im Zuge der Trennung die Ehewohnung zunächst überlassen hat und erst nach Rechtskraft der Scheidung die Überlassung an sich selbst verlangt" (OLG Düsseldorf, 18.05.2018 - 8 UF 175/17).

Dabei haben die Richter eine Einkommenslosigkeit und die Schwerbehinderung (GdB 60) noch nicht als außergewöhnlich schwere Beeinträchtigung anerkannt.

3. Rechtsfolge des Überlassungsanspruchs

Der Ehegatte tritt gemäß § 1568a Absatz 3 BGB zum Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung über die Überlassung an den Vermieter bzw. mit Rechtskraft des gerichtlichen Urteils im Wohnungszuweisungsverfahren (§ 209 FamFG) in den Mietvertrag ein bzw. wird alleiniger Mieter.

Der Ehegatte kann gemäß § 1568a Absatz 5 BGB die Begründung eines Mietverhältnisses verlangen. Dies gilt auch dann, wenn die Ehewohnung im Eigentum der Eltern bzw. Schwiegereltern steht.

Gemäß § 1568a Abs. 6 BGB erlischt der Anspruch auf Eintritt in ein Mietverhältnis oder auf seine Begründung ein Jahr nach Rechtskraft der Endentscheidung in der Scheidungssache, wenn er nicht vorher rechtshängig gemacht worden ist.

Nicht abschließend geklärt war, ob ein auf § 1568a Abs. 1 BGB gestützter Klageantrag ausscheidet, wenn Einigkeit der Ehegatten darüber besteht, dass ein Ehegatte die Ehewohnung allein weiternutzt, es aber mangels Mitwirkung des anderen Ehepartners weder zu einer gemeinsamen Mitteilung an den Vermieter noch zu einer einvernehmlichen dreiseitigen Abänderung des Mietvertrages kommt. Mit der Entscheidung OLG Hamburg 03.12.2020 - 12 UF 131/20 wurde die Klagebefugnis des Ehegatten auch in diesen Fällen bejaht.

Der Mietvertrag schützt den berechtigten Ehegatten bei Verkauf der Ehewohnung bzw. einer Teilungsversteigerung.

Der Mietvertrag soll sich nach den ortsüblichen Bedingungen richten. Kommt eine Einigung über die Miethöhe nicht zustande, kann der Vermieter eine angemessene Miete, im Zweifel die ortsübliche Vergleichsmiete (ergibt sich aus dem Mietspiegel) verlangen.

Bei Vorliegen der in § 1568a Absatz 5 BGB genannten Voraussetzungen kann der Vermieter eine Befristung des Mietverhältnisses verlangen.

Dem Vermieter steht das besondere Kündigungsrecht gemäß § 563 Absatz 4 BGB zu.

Aufgrund dieses kombinierten Rechtsschutzziels kann einem Antrag auf Überlassung der Wohnung in einer Ehewohnungssache gemäß § 200 Abs. 1 Nr. 2 FamFG nicht das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden und stattdessen auf ein anderes Verfahren verwiesen werden, mit dem er sein Ziel nur indirekt, durch eigene weitere Zwischenschritte und nicht verlässlich erreichen kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung aufgrund des Ablaufs der Jahresfrist des § 1568a Abs. 6 BGB das Rechtsschutzziel nicht mehr mit einem Antrag auf Mitwirkung an einer Mitteilung gegenüber dem Vermieter gemäß § 1568a Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB erreicht werden kann.

 Siehe auch 

EU-Gewaltschutzverfahren

Scheidung - Gemeinsame Schulden

Scheidung - Miteigentum

Schutz vor Gewalt in der Wohnung

Wohnungszuweisung

Blank: Die Zuweisung der Ehewohnung anlässlich der Scheidung. Mietrechtliche Anmerkungen zu § 1568a BGB; Wohnungswirtschaft und Mietrecht - WoM 2009, 555

Erbarth: Die Ansprüche auf Überlassung der Ehewohnung zur Alleinnutzung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2019, 1169

Erbarth: Die Vergütung für die Benutzung der Ehewohnung ab Rechtskraft der Endentscheidung in der Ehewohnungssache nach Einfügung von § 1568a BGB; Familie und Recht - FuR 2011, 13 sowie 2010, 670 und 606

Finger: Zuweisung der Ehewohnung anlässlich der Ehescheidung nach § 1568a BGB; Familien-Rechts-Berater - FamRB 2018, 119

Götsche: Probleme um die Ehewohnung. Zugleich Anmerkung zu BGH, B. v. 28.09.2016 - XII ZB 487/15; Familie und Recht - FuR 2018, 503

Götz: Die Ehewohnung nach der Scheidung; Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht - NZM 2010, 383