Schutz vor Gewalt in der Wohnung
Landesrechtliche Gewaltschutzgesetze
1 Allgemein
Rechtsgrundlage eines allgemeinen Schutzes vor Gewalttaten und Nachstellungen ist das Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen.
Das Gesetz beinhaltet ausschließlich verfahrensrechtliche Regelungen. Inhalt ist die Durchsetzung von Abwehransprüchen gegen Gewalt, Drohung und Nachstellungen. Voraussetzung ist das Vorliegen eines Unterlassungsanspruchs zum Schutz der in § 1 Abs. 1 S. 3 GewSchG genannten Rechtsgüter (OLG Brandenburg 20.05.2016 – 13 UF 15/16).
Daneben bestehen folgende weitere, hier nicht dargestellte Anspruchsgrundlagen:
Gemäß § 1361b Abs. 2 BGB kann durch eine richterliche Entscheidung die gesamte Ehewohnung einem Ehegatten überlassen werden, wenn dieser von dem anderen Ehegatten widerrechtlich und vorsätzlich am Körper, an der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung verletzt wurde oder mit einer solchen Verletzung oder der Verletzung des Lebens gedroht wurde. Siehe insofern den Beitrag »Ehewohnung«.
Daneben bestehen in einigen Bundesländern landesrechtliche Gewaltschutzvorschriften, z.B. in Nordrhein-Westfalen § 34a PolG NRW, nach denen der Ausspruch einer Wohnungsverweisung und eines (zeitlich befristeten) Rückkehrverbots möglich ist.
Die folgenden Ausführungen beziehen sich nur auf das Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen.
2 Anwendbarkeit
Das Gesetz ist anwendbar, wenn
eine Person den Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer Person vorsätzlich und widerrechtlich verletzt hat,
eine Person einer anderen Person mit der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit widerrechtlich droht,
eine Person widerrechtlich und vorsätzlich in die Wohnung einer anderen Person oder deren befriedetes Besitztum eingedrungen ist,
eine Person einer anderen Person gegen deren ausdrücklichen Willen wiederholt nachstellt oder
sie unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln verfolgt.
Gemäß § 3 GewSchG ist das Gesetz nicht anwendbar bei Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen im Verhältnis zu den Eltern und sorgeberechtigten Personen. Rechtsgrundlage des Schutzes ist in diesen Fällen § 1666 Abs. 3 Nrn. 3 und 4 BGB.
3 Schutzmaßnahmen
3.1 Allgemeine Maßnahmen
Das Gericht kann gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 GewSchG zum Schutz der verletzten Person u.a. folgende Maßnahmen anordnen:
Verbot des Betretens der Wohnung der verletzten Person
Verbot des Aufenthalts in einem bestimmten Umkreis der Wohnung
Verbot des Aufsuchens bestimmter Orte, an denen sich die verletzte Person regelmäßig aufhält
Verbot der Kontaktaufnahme zur verletzten Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln
Verbot des Herbeiführens von Zusammentreffen mit der verletzten Person
3.2 Überlassung der Wohnung
Daneben kann gemäß § 2 GewSchG die verletzte Person verlangen, dass ihr die im Zeitpunkt der Tat gemeinsam mit dem Täter genutzte Wohnung zur alleinigen Benutzung überlassen wird.
Die Dauer der Überlassung ist zu befristen, wenn
der verletzten Person gemeinsam mit dem Täter das Eigentum, das Erbbaurecht oder der Nießbrauch an dem Grundstück, auf dem sich die Wohnung befindet, zusteht oder
die Wohnung von beiden gemeinsam gemietet wurde.
Die Überlassung ist auf sechs Monate zu befristen, wenn
dem Täter das Eigentum, das Erbbaurecht oder der Nießbrauch an dem Grundstück, auf dem sich die Wohnung befindet, allein oder gemeinsam mit einem Dritten zusteht oder
er die Wohnung allein oder gemeinsam mit einem Dritten gemietet hat.
Die Befristung kann um höchstens weitere sechs Monate verlängert werden, wenn die verletzte Person keinen anderen angemessenen Wohnraum zu zumutbaren Bedingungen finden konnte und überwiegende Belange des Täters oder des Dritten nicht entgegenstehen.
4 Zuständigkeit
Das Verfahren ist gemäß § 111 Nr. 6 FamFG eine Familiensache.
Es kann gemäß § 49 FamFG eine einstweilige Anordnung erlassen werden.
5 Sanktion
Die Verletzung einer vollstreckbaren Anordnung kann gemäß § 4 GewSchG mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden.
Unterlassungstitel sind gemäß § 890 ZPO durch die Verhängung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft zu vollstrecken, wobei zuvor eine entsprechende Androhung zu erfolgen hat. Dabei muss die Androhung entweder in dem die Unterlassungsanordnung treffenden Beschluss oder in einem besonderen Beschluss erfolgen. Es ist nicht ausreichend, dass die Androhung in einem gerichtlichen Vergleich (Prozess) geregelt ist (OLG Saarbrücken 04.03.2013 – 6 WF 27/13).
6 Leistungen der Sozialen Entschädigung
Bei Vorliegen der Voraussetzungen haben die Opfer Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialen Entschädigungsrecht.
7 Streitwert
Der Gebührenstreitwert für die Beantragung einer einstweiligen Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz ist nach der Entscheidung OLG Saarbrücken 20.08.2007 – 5 W 175/07 mit 500,00 EUR anzusetzen.
8 EU-weiter Schutz
Siehe insofern den Beitrag »EU-Gewaltschutzverfahren«.