Schuldner kann Beweisaufnahme über seinen „center of main interest“ nicht verhindern

Schuldner kann Beweisaufnahme über seinen „center of main interest“ nicht verhindern
17.10.2013227 Mal gelesen
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist gegen die Anordnung des Insolvenzgerichts, ein Sachverständigengutachten darüber zu erheben, in welchem Staat sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners befindet, die sofortige Beschwere regelmäßig nicht statthaft.

Nach der Europäischen Insolvenzverordnung sind für die Eröffnung von Insolvenzverfahren die Gerichte am Ort des "Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen" (Comi) des Schuldners zuständig, die für die gesamte Europäische Union verbindlich über ihre Zuständigkeit befinden. Klar, dass es Schuldner gibt, die eine Verfahrenseröffnung in Deutschland vermeiden wollen und dazulegen versuchen, dass sie schon jahrelang nicht in Deutschland, sondern woanders, zum Beispiel im Vereinigten Königreich ihren "Mittelpunkt" hätten.

 

Eine Gläubigerin hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners beim Amtsgericht Aachen beantragt und ausgeführt, der Schuldner halte sich im Gerichtsbezirk auf. Der Schuldner ist dem Antrag entgegengetreten und behauptet, er habe den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen bereits seit Jahren in Nordirland.

Das Insolvenzgericht hat zur Aufklärung am 2. September 2011 die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage angeordnet, in welchem Land sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners befindet und ob in einem anderen Mitgliedstaat bereits ein Hauptinsolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet wurde. Dabei hat es den Sachverständigen ermächtigt, Auskünfte über die schuldnerischen Vermögenverhältnisse, die für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit von Bedeutung sind, bei Dritten einzuholen.

Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht als unzulässig verworfen, die Rechtsbeschwerde aber wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt der Schuldner die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse.

 

Der Bundesgerichtshof wies die Rechtsbeschwerde als unstatthaft zurück.

Gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts sei die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn sie durch das Beschwerdegericht zugelassen worden ist. Dies gelte aber nur, wenn die angefochtene Entscheidung der Anfechtung unterliege; ist die Entscheidung unanfechtbar, ändert sich hieran durch die Zulassung der Rechtsbeschwerde nichts.

Die Beschwerde war nicht statthaft, denn Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde vorsehe. Das Rechtsmittel des Schuldners richtet sich gegen die Bestellung des Sachverständigen sowie die ihm eingeräumten Befugnisse und damit gegen Maßnahmen des Insolvenzgerichts im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht. Für die Entscheidung über den Insolvenzantrag lediglich vorbereitende richterliche Anordnungen sehe die Insolvenzordnung kein Rechtsmittel vor; sie sind nicht beschwerdefähig.

Die Anordnung eines Sachverständigengutachtens im Eröffnungsverfahren zur Beurteilung der Voraussetzungen der Verfahrenseröffnung liege nicht außerhalb der Befugnisse des Insolvenzgerichts. Soweit der Auftrag allgemein gehalten ist und den Sachverständigen nicht zu Maßnahmen ermächtigt, die in Grundrechte des Schuldners eingreifen, gilt dies auch dann, wenn die Pflicht zur Amtsermittlung noch nicht eingreife

Maßnahmen der Amtsermittlung gehören zu den Befugnissen des angegangenen Gerichts zur Klärung seiner internationalen Zuständigkeit. Da die Europäische Insolvenzverordnung nur die internationale Zuständigkeit für ein Hauptinsolvenzverfahren festlege und nicht das Verfahrensrecht des angerufenen Gerichts regelt, bestimmt sich das Verfahrensrecht nach dem Recht des angerufenen Gerichts.

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Fazit: Nicht immer ist es einem Schuldner möglich, sich der deutschen Insolvenz-Gerichtsbarkeit zu entziehen. Wenn man als Gläubiger auf der Hut ist und genügend Material über den wahren Wohnsitz des Schuldners gesammelt hat, kann man mit anwaltlicher Hilfe das Insolvenzgericht dazu bewegen, ein Verfahren über einen Schulder zu eröffnen, der angeblich außerhalb Deutschlands wohnt.

(Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.07.2012; IX ZB 6/12

Vorinstanz: Landgericht Aachen, Beschluss vom 28.12.2011; 6 T 115/11

Amtsgericht Aachen, Beschluss vom 26.08.2011; 91 IN 218/11)

 

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