Welchen Betrag bekäme der Selbständige, wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre?

Welchen Betrag bekäme der Selbständige, wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre?
02.10.2013502 Mal gelesen
Ein Beschluss des Bundesgerichtshofes zeigt, dass es einer sorgfältigen Untersuchung bedarf, bevor man einem selbständigen Schuldner vorwerfen kann, er habe nicht die Zahlungen an den Treuhänder geleistet, die er in einem angesessenen Dienstverhältnis hätte leisten können.

Nach der Insolvenzordnung obliegt es einem selbständig tätigen Schuldner, die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Doch um welchen Betrag handelt es sich hierbei?

 

Über das Vermögen des Schuldners wurde auf seinen Antrag am 7. Juli 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 15. April 2005 wurde ihm die Restschuldbefreiung angekündigt. Am 30. Juni 2005 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben.

Von Juli 2005 bis Juni 2009 leistete der Schuldner, der während der Wohlverhaltensphase selbständig tätig war, unregelmäßig Zahlungen an den Treuhänder in Höhe von insgesamt 1.890 €. In seinen jährlichen Ausschüttungsberichten errechnete dieser unter Zugrundelegung eines fiktiven monatlichen Nettoeinkommens in Höhe von 1.427,64 € für den oben angegebenen Zeitraum einen Fehlbetrag von 12.721,20 €.

Ein Gläubiger beantragte die Restschuldbefreiungsversagung. Das Insolvenzgericht erteilte die Restschuldbefreiung. Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers versagte das Landgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung. Der Schuldner erhob Rechtsbeschwerde.

 

Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung des Landgerichts auf und wies die Sache an das Landgericht zurück.

Maßgebend für den vom Schuldner an den Treuhänder abzuführenden Betrag sei allein, wie viel der Schuldner in einem angemessenen Dienstverhältnis hätte verdienen können. Hätte er so viel verdienen können, dass der Pfändungsfreibetrag überstiegen wäre, hätte er den Differenzbetrag an den Treuhänder abführen müssen. Lag dieser Betrag höher als der tatsächlich abgeführte Betrag, stellt die Nichtabführung in Höhe der Differenz die Obliegenheitsverletzung dar.

Die Feststellungen des Landgerichts geben dafür nichts her. Insbesondere ergäbe sich aus den Feststellungen des Landgerichts nicht, welches Dienstverhältnis der Schuldner hätte eingehen können und was er hätte dort verdienen können. Festgestellt sei lediglich, dass in Berlin in der fraglichen Zeit ein Geschäftsführer eines Lebensmittelgeschäfts mit bis zu fünf Angestellten einen Tariflohn von monatlich netto 1.427,64 € hätte verdienen können. Nicht festgestellt sei jedoch, dass dem Schuldner nach Ausbildung und beruflichen Werdegang diese Tätigkeit möglich gewesen wäre. Dies muss das Landgericht nun nachholen.

Stellt das Landgericht fest, dass der Schuldner aus einem angemessenen Dienstverhältnis einen höheren Abführungsbetrag hätte erwirtschaften können, muss sich der Schuldner von dem Vorwurf entlasten, seine Obliegenheiten schuldhaft verletzt zu haben. Es entschuldigt ihn nicht, wenn er mit seinem Geschäft nicht so viel erwirtschaftet haben sollte, dass er monatlich den ermittelten zusätzlichen Betrag an den Treuhänder hätte abführen können.

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Will man als Gläubiger eines selbständigen Schuldners demselben die Restschuldbefreiung absprechen, bedarf ein geplanter Versagungsantrag sorgfältiger Vorbereitung, die ohne Hilfe eines in Insolvenzsachen versierten Anwalts nicht zu leisten ist. Es müssen umfangreiche Untersuchungen darüber angestellt werden, welche angestellte Tätigkeit der Schuldner nach seinen Fähigkeiten ausüben und welches Einkommen er erwirtschaften könnte.

(Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.01.2013; IX ZB 98/11

Vorinstanz: Landgericht Berlin, Beschluss vom 08.02.2011; 85 T 284/09

Amtsgericht Berlin-Spandau, Beschluss vom 17.11.2009; 38 IK 03)

 

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