Geringes Einkommen - bekomme ich einen Pflichtverteidiger ?

Strafrecht und Justizvollzug
22.07.2008 2720 Mal gelesen
 
Anders als häufig angenommen wird oder in amerikanischen Spielfilmen gezeigt, ist das Recht eines Beschuldigten auf einen Pflichtverteidiger nicht von seinem Einkommen abhängig. Die finanzielle Situation spielt im Strafverfahren, anders als im Zivilrecht, keinerlei Rolle.
Die Strafprozessordnung besagt, dass ein Beschuldigter in bestimmten vom Gesetz geregelten Fällen ein Recht auf die Beiordnung eines Pflichtverteidigers hat: 
Die Mitwirkung eines Verteidigers am Verfahren wird vom Gesetz als notwendig angesehen, wenn dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird oder die Hauptverhandlung bereits in der ersten Instanz vor einem Landgericht stattfindet. Hier soll sichergestellt werden, dass ein Beschuldigter bei einem schwerwiegenden Vorwurf einen Verteidiger an seiner Seite hat und nicht auf sich alleine gestellt ist.
Auch wenn ersichtlich ist, dass ein Beschuldigter sich selbst nicht verteidigen kann, soll ihm ein Verteidiger gestellt werden. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Beschuldigte aufgrund seines jugendlichen Alters oder seines Gesundheitszustandes nicht in der Lage ist, sich im ausreichenden Maß selbst zu verteidigen. Die Notwendigkeit der Beiordnung eines Verteidigers kann sich auch aus einer schwierigen Rechtslage ergeben oder aus der Notwendigkeit der Akteneinsicht in die Strafakte, in der sich z.B. ein Gutachten eines Sachverständigen befindet.
Die Einzelheiten sind in §140 der Strafprozessordnung geregelt.
Auch Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert das Recht auf einen Verteidiger.
Der Beschuldigte kann bei Gericht einen Antrag stellen, dass ihm ein Verteidiger als Pflichtverteidiger beigeordnet wird. Hierbei besteht freie Anwaltswahl. Der Beschuldigte darf den Verteidiger seines Vertrauens als seinen Pflichtverteidiger vorschlagen. Dem wird das Gericht in der Regel auch nachkommen.
Der Pflichtverteidiger rechnet seine Gebühren mit der Staatskasse ab, diese sind geringer als die Gebühren eines Wahlverteidigers. Daher hat der Pflichtverteidiger das Recht, von seinem Mandanten zusätzlich einen bestimmten Betrag als Honorar zu fordern. Er kann sich jedoch auch auf die Pflichtverteidigergebühren beschränken.
Der Beschuldigte wird jedoch nach Abschluss des Verfahrens im Falle einer Verurteilung dazu verpflichtet, die Kosten und Auslagen des Verfahrens zu tragen. Hierzu gehören auch die Kosten für den Pflichtverteidiger.
Durch die Beiordnung eines Pflichtverteidigers wird der Beschuldigte also nicht von den Kosten für seine Verteidigung völlig freigestellt, er trägt trotz Beiordnung des Pflichtverteidigers immer noch ein, wenn auch geringeres Risiko, für seine Verteidigung selbst finanziell gerade stehen zu müssen.
Ob diese Regelung im Sinne von Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention ist, scheint fraglich. In Artikel 6 Abs. 3 der Konvention ist nämlich ausdrücklich von einem unentgeltlichen Beistand eines Verteidigers die Rede. Die Rechtsprechung in Deutschland hat sich jedoch auf den Standpunkt gestellt, dass die Pflicht des verurteilten Beschuldigten zur Tragung der Pflichtverteidigerkosten mit Artikel 6 der Menschenrechtskonvention vereinbar ist.