Täglich "Personen auf der Fahrbahn" der Autobahn - Gedanken des Verkehrsanwaltes

Strafrecht und Justizvollzug
19.06.20084153 Mal gelesen

In den letzten Tagen warnte der berliner Verkehrsfunk täglich vor Fußgängern auf Autobahnen im Berliner Umland. Jeder weiß, dass es ausdrücklich untersagt ist, zu Fuß oder gar mit dem Fahrrad oder Mofa auf der Autobahn unterwegs zu sein.
Die Grundlagen dazu finden sich in § 18 der StVO, Abs. 1 und 9:
§18 Autobahnen und Kraftfahrstraßen
(1) Autobahnen (Zeichen 330) und Kraftfahrstraßen (Zeichen 331) dürfen nur mit Kraftfahrzeugen benutzt werden, deren durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit mehr als 60 km/h beträgt; werden Anhänger mitgeführt, gilt das gleiche auch für diese. Fahrzeug und Ladung dürfen zusammen nicht höher als 4 m und nicht breiter als 2,55 m sein. Kühlfahrzeuge dürfen nicht breiter als 2,6 m sein.
(9) Fußgänger dürfen Autobahnen nicht betreten. Kraftfahrstraßen dürfen sie nur an Kreuzungen, Einmündungen oder sonstigen dafür vorgesehenen Stellen überschreiten; sonst ist jedes Betreten verboten.
Das Betretungsverbot für Autobahnen dient in erster Linie dem Schutz des fließenden Verkehrs vor den von den Fußgängern ausgehenden Gefahren. In der Gesetzesauslegung gibt es bestimmte Situationen, in denen das Fahrzeug verlassen werden darf: So natürlich nach einem Unfall - aber mit einer den Erfordernissen der Verkehrssituation gebotenen Sorgfalt. Die Verantwortung für diese liegt beim Fußgänger. Polizisten, Autobahndirektionsangestellte und Arbeiter der Autobahnmeisterei müssen bisweilen aus dienstlichen Gründen die Autobahn betreten. Etwas andere Regeln gelten für Baustellen an der Autobahn, wo mit dem Auftreten von Fußgängern gerechnet werden muss.
Eine Mandantin berichtete mir unlängst, wie sie als Ärztin - aber auf einer Privatfahrt- vor Jahren über die 6 Spuren einer Autobahn zu einem Verkehrsunfall eilte. Nachdem sie das Mögliche getan hatte war es ihr lange gar nicht möglich, das eigene Fahrzeug zu erreichen, weil der Verkehr so schnell und dicht vorbeiraste. Erst da erkannte sie, in welche Gefahr sie sich gebracht hatte. Es steht jedoch im Raum, dass im Jahr 42 Personen alleine auf Autobahnparkplätzen und Raststätten als Fußgänger ums Leben kommen, die Zahl der Toten an der Fahrbahn ist nicht bekannt, da keine entsprechende Statistik geführt wird. Das Problem ergibt sich daraus, dass den Passagieren eines PKWs beim Verlassen des Fahrzeugs das Gefühl dafür fehlt, dass die nachfolgenden Fahrzeuge im Ernstfall einen Anhalteweg von über 200 Metern haben.


Welche juristischen Folgen hat das Betreten der Autobahn als Fußgänger?
Die "Strafen" aus dem Bußgeldkatalog sind recht mit 20 Euro bei Verstoß gegen die Mindestgeschwindigkeit und 10 Euro für "als Fußgänger Autobahn betreten oder Kraftfahrstraße an dafür nicht vorgesehener Stelle betreten" sehr moderat.
Ist ein Fußgänger gezwungen, ausnahmsweise die Autobahn zu betreten, hat er wiederum höchste Sorgfalt walten zu lassen, selbst wenn er sich auf der Standspur befindet. Ohne diese Sorgfalt und einen "rechtfertigenden Grund" wird bei einem Zusammenstoß dem Fußgänger "grobes Eigenverschulden" zugeschrieben werden. Dies hat dann empfindliche Folgen hinsichtlich Schmerzensgeld, Schadenersatz usw. Aus Sicht des Fahrers ist der Unfall dann ein unabwendbares Ereignis durch höhere Gewalt. (StVG §7 (2)).(OLG Hamm 13 U 263/91, Revision abgewiesen vom BGH VI ZR 218/92; LG MÜNCHEN I , Urteil vom 11.05.2001 - 17 O 21876/00). Auch das Verharren als Anhalter auf dem Seitenstreifen mit herausgestrecktem Arm stellt so eine leichtfertige Selbstgefährdung dar (OLG MÜNCHEN , Urteil vom 26.02.1991 - 5 U 3907/90, Revision vom BGH nicht angenommen VI ZR 160/91. Selbst dem Passagier, der seinen PKW auf dem rechten Seitenstreifen abstellt und an der rechen Seitenlinie verharrt, wurde bereits eine Mitschuld von 25% zugeschrieben (OLG Hamm, Urteil vom 06.09.2000 - 13 U 106/00).
 

Wir wissen nicht, was die Fußgänger, die in den letzten Tagen auf den Autobahnen im Berliner Umland unterwegs waren, auf die Autobahn trieb. Uns liegt es jedoch am Herzen, Ihnen hier die Empfehlungen der Autobahnpolizei bei einem Unfall vorzustellen:
1. Halten Sie nie im unmittelbaren Bereich einer Unfallstelle
2. Schalten Sie beim Erkennen einer gefährlichen Situation auf der Straße die Warnblinkanlage ein, beobachten Sie ständig den rückwärtigen Verkehr und fahren nach rechts auf den Seitenstreifen
3. Bringen Sie Ihre Fahrzeuginsassen hinter den Schutzplanken in Sicherheit
4. Vergewissern Sie sich ständig, ob sich weitere Fahrzeuge der Unfallstelle oder Ihrem Anhalteort nähern
5. Rechnen Sie damit, dass Sie von weiteren Fahrzeugführern nicht gesehen werden ( schlechte Witterungsverhältnisse oder Dunkelheit )
6. Halten Sie sich selbst einen kurzen Fluchtweg hinter die Schutzplanken bereit
7. Wenn notwendig warnen Sie den nachfolgenden Verkehr NUR aus einer sicheren Position heraus
8. Die Gefahr kommt auf Autobahnen/ Schnellstraßen meistens aus dem nachfolgenden Verkehr heraus, richten Sie daher Ihre Aufmerksamkeit immer nach hinten
9. Werden Sie auf der Autobahn zum Fußgänger, behalten Sie die Ruhe ( vor allem bei Unfällen) handeln Sie umsichtig und seien Sie sich immer der Gefahr bewusst
10. Koordinieren Sie Hilfe und erforderliche Maßnahmen unter Beachtung ihrer eigenen Sicherheit
Eigensicherung geht vor, begeben Sie sich nicht arglos in Lebensgefahr!