Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in der Betriebsprüfung: Wann dürfen Säumniszuschläge für die Vergangenheit nicht erhoben werden?

Staat und Verwaltung
18.05.200810445 Mal gelesen

Säumniszuschläge auf Sozialversicherungsbeiträge können teuer werden. Sie sind für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis in Höhe von 1% des rückständigen auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Bei Betriebsprüfungen ist es nicht selten, dass Nachforderungen für die Vergangenheit erhoben werden. Weil Beitragsansprüche erst in vier Jahren (bei vorsätzlich vorenthaltenen Beiträgen sogar erst in dreißig Jahren) nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind, verjähren (§ 25 Abs. 1 SGB IV) stellt sich häufig die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen mit der Nachforderung auch Säumniszuschläge gefordert werden dürfen.

Rechtsgrundlage für die Erhebung von Säumniszuschlägen ist § 24 Abs. 1 SGB IV. Danach entsteht die Verpflichtung, Säumniszuschläge zu zahlen, durch Gesetz. Eine Ausnahme regelt § 24 Abs. 2 SGB IV für den Fall, dass eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird. In diesem Fall ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Wann aber kann man von unverschuldeter Unkenntnis sprechen?

Zu der genannten Vorschrift gibt es bislang wenig Rechtsprechung. Das Bundessozialgericht hat in Urteilen vom 26.01.2005 (B 12 KR 3/04 R) und 30.03.2000 (B 12 KR 14/99 R) folgende Grundsätze aufgestellt: Vorsatz verlangt das Bewußtsein und den Willen, die Abführung der fälligen Beiträge zu unterlassen. Es reicht aus, wenn der Schuldner seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz). Fahrlässigkeit genügt jedoch nicht. Der Vorsatz muß anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner durch Sachverhaltsaufklärung individuell festgestellt werden. Die Feststellungslast (Beweislast) trifft im Zweifel den Versicherungsträger.

Von Vorsatz kann man regelmäßig ausgehen, wenn für das gesamte typische Arbeitsentgelt (zB bei "Schwarzarbeit") überhaupt keine Beiträge entrichtet werden. Vorsatz liegt auch nahe, wenn Beiträge für verbreitete "Nebenleistungen" zum Arbeitsentgelt nicht gezahlt werden und zwischen steuerrechtlicher und beitragsrechtlicher Behandlung eine bekannte oder ohne weiteres erkennbare Übereinstimmung besteht. Demgegenüber muß der Vorsatz bei wenig verbreiteten Nebenleistungen, bei denen die Steuer- und die Beitragspflicht in komplizierten Vorschriften geregelt sind und nicht voll übereinstimmen, eingehend geprüft und festgestellt werden. Fehler bei der Beitragsentrichtung dürften in diesen Fällen nicht selten nur auf fahrlässiger Rechtsunkenntnis beruhen, zumal wenn es sich um kleine Betriebe handelt, bei denen der Arbeitgeber die Beitragsberechnung ohne Fachpersonal selbst vornimmt. Zum Vorsatz aber gehört auch in diesen Fällen, daß es der Arbeitgeber zumindest für möglich hält, daß bestimmte Zuwendungen an die Arbeitnehmer dem Grunde nach beitragspflichtiges Arbeitsentgelt und, sofern noch nicht geschehen, Beiträge und die Umlage zu zahlen sind. Hingegen braucht die genaue Beitragshöhe nicht vom Vorsatz umfaßt zu sein.