Kontrollrecht des Vertreters gestärkt

Soziales und Sozialversicherung
27.08.2007967 Mal gelesen

Im Interesse des "Bürokratieabbaus auf Vertriebsebene" forderte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, das Recht auf Buchauszug abzuschaffen. Zum harten Kern der Buchaus-zugsverweigerer zählt ein Versicherer aus Köln, der sich standhaft geweigert hatte, einen Buchaus-zug zu erstellen. Der Erfolg blieb ihm beim Bundesgerichtshof versagt.

Das Recht, einen Buchauszug verlangen zu können, ist in § 87 c Abs. 2 HGB geregelt. Diese Norm entspricht Art. 12 Absatz 2 der "Richtlinie des Rates der EG vom 18. Dezember 1986 zur Koordinie-rung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter" (86/653/EWG).

Der Buchauszug soll nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Instanzgerich-te dem Handelsvertreter die Möglichkeit geben, die ihm erteilten Provisionsabrechnungen zu überprü-fen und so über die ihm zustehenden Provisionsansprüche Klarheit zu gewinnen. Daraus folgt zum Beispiel, dass der Handelsvertreter allein zur Berechnung seines Ausgleichsanspruchs keinen Buch-auszug verlangen kann.

Mit seiner Entscheidung vom 20.09.2006 setzte der Bundesgerichtshof seine Rechtssprechung zum Buchauszug konsequent fort.
Der beklagte Versicherer hatte seinem Vertreter wegen angeblicher Provisionsreiterei außerordentlich gekündigt. Der Vertreter verlangte darauf die Erstellung eines Buchauszuges. Während des Beste-hens des Vertragsverhältnisses hatte der Vertreter im Abstand von 14 Tagen so genannte Kontoaus-züge erhalten. Darin waren provisionsrelevanten Geschäftsvorfälle verzeichnet. Es fehlten allerdings die Angaben von Stornierungsgründen und die ergriffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen. Zusätz-lich erhielt der Vertreter alle drei Wochen Mahnlisten, auf denen Verträge mit Prämienrückständen verzeichnet waren. Ein Agenturinformationssystem lieferte ihm taggenau Einblick über den jeweiligen Vertragsstand.
Der Agenturvertrag enthielt eine Klausel, nach der die übermittelten Kontoauszüge als anerkannt gel-ten sollten, wenn der Vertreter ihnen nicht innerhalb von 4 Wochen nach Erhalt widerspräche. Dar-über hinaus verpflichtete er sich, am Ende eines Kalenderhalbjahres ein ausdrückliches Saldoaner-kenntnis durch Unterzeichnung der letzten Abrechnung abzugeben. Für den Fall des Unterbleibens ohne Angebe von Gründen sollte der Saldo als stillschweigend anerkannt gelten.
Der Versicherer führte an, dass er den Buchauszugsanspruch des Vertreters bereits während des Bestehens des Vertragsverhältnisses sukzessive erfüllt habe. Spätestens infolge der Bereitstellung des Agenturinformationssystems sei der Buchauszugsanspruch erloschen, weil die Erstellung eines Buchauszugs mit Hilfe des Systems auf Knopfdruck möglich sei. Im Übrigen sei die Geltendmachung des Rechts auf Buchauszug rechtsmissbräuchlich. Der Vertreter verfolge sachfremde Ziele, weil es ihm nur darum gehe, Druck auf den Versicherer auszuüben, nicht jedoch seine Provisionsabrechnun-gen zu kontrollieren.
Während das Landgericht der Argumentation des Versicherers gefolgt war, verurteilte das Oberlan-desgericht den Versicherer zur Erstellung des Buchauszugs. Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Entscheidung vollumfänglich.
Grundsätzlich ist es laut Begründung des Bundesgerichtshofs zwar möglich, dass der Buchauszug während des laufenden Agenturvertrags erfüllt wird, aber nicht im vorliegenden Fall. Der Unternehmer sei verpflichtet, dem Vertreter eine geordnete und übersichtliche Darstellung aller provisionsrelevan-ten Daten zu verschaffen. Der Vertreter müsse sich nicht darauf verweisen lassen, die ihm übersand-ten Unterlagen selbst chronologisch zu ordnen und aufzubewahren, um sich daraus die für die Nach-prüfung der Provisionsrechnungen erforderlichen Informationen zusammenzusuchen.
Auch ein Agenturinformationssystem, das jeweils nur den aktuellen Vertragsstand wiedergebe, könne einen Buchauszug nicht ersetzen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Vertreter sich mit Hilfe des Systems allenfalls einen Überblick verschaffen könne, indem er die Daten fixiere und sammle. Dies verlange das Gesetz aber nicht. Selbst dann, wenn ein Agenturinformationssystem die Erstellung eines Buchauszuges ermögliche, ersetze es den Buchauszug nicht, wenn der Vertreter seit Vertrags-beendigung nicht mehr über das System verfügen könne. Erst recht könne ein Versicherer dem Be-gehren des Vertreters auf Erteilung des Buchauszuges nicht eine Klausel entgegenhalten, nach der die Abrechnung als anerkannt gelte, sofern der Vertreter ihr nicht widersprochen habe. Ein Einver-ständnis mit der erteilten Abrechnung, das den Buchauszug entfallen lasse, könne im Allgemeinen nicht aus einem untätigen Verhalten des Vertreters gefolgert werden. Es bedürfe vielmehr einer aus-drücklichen Erklärung.
Ein Verzicht auf weitere Ansprüche könne auch nicht in einer jahrelangen stillschweigenden Hinnah-me von Provisionsabrechnungen des Versicherers gesehen werden. An diesem Grundsatz ändere auch eine gegenteilige vertragliche Regelung nichts, weil sie die zwingenden gesetzlichen Kontroll-rechte des Vertreters beschränke. Der Annahme eines sich ständig wiederholenden Anerkenntnisses durch Schweigen auf die Provisionsabrechnungen stünden die dem Schutz des Vertreters dienenden zwingenden gesetzlichen Vorschriften des Handelsvertreterrechts entgegen. Die Regelung des Agen-turvertrages nötige den Vertreter in unzulässiger Weise, Abrechnungen des Unternehmers ständig zu widersprechen.
Auch sehr hohe Kosten auf Seiten des Versicherers für die Erstellung eines Buchauszuges könnten sich jedenfalls nicht zu Lasten des seine Ansprüche verfolgenden Vertreters auswirken. Erst recht könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Geltendmachung eines Buchauszuges rechts-missbräuchlich sei.

Ansprechpartner für das Vertriebsrecht: Rechtsanwalt Heiko Wenzel.