Ersatz der Reparaturkosten bei Kfz-Unfall - ein Überblick

Schaden, Versicherung und Haftpflicht
04.11.20096402 Mal gelesen
Der Umfang der Schadensersatzpflicht bei einem Kfz-Unfall ist immer wieder Gegenstand von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH). Im folgenden werden die Grundsätze dieser Rechtsprechung zusammengefasst.

Der Geschädigte eines Kfz-Unfalls kann frei entscheiden, ob er sein Fahrzeug selbst, durch eine Vertragswerkstatt oder gar nicht repariert. Erfolgt keine Reparatur oder sind die tatsächlich angefallenen Kosten geringer als die üblichen Reparaturkosten, stellt sich die Frage, in welchem Umfang der Geschädigte Schadensersatz verlangen kann. Ich hatte diesen Artikel bereits Anfang 2007 veröffentlicht - neuere Urteile des BGH geben Anlass zu einer Aktualisierung:

Zunächst sind in einem ersten Schritt die Reparaturkosten, der Wiederbeschaffungswert (= Marktwert des Kfz vor dem Unfall) sowie der Restwert des verunfallten Kfz zu ermitteln. Dies geschieht in der Regel durch einen Sachverständigen, den der Geschädigte frei wählen darf. Je nach Höhe der Positionen kommt es in einem weiteren Schritt dann darauf an, ob der Wagen repariert wird. Folgende Konstellationen sind möglich:

1. Reparaturkosten höher als 130% des Wiederbeschaffungswerts

Sind die Reparaturkosten nach dem vom Geschädigten einzuholenden Sachverständigengutachten höher als 130% des Wiederbeschaffungswerts, erhält der Geschädigte lediglich den Wiederbeschaffungswert und muss sich den Restwert des verunfallten Kfz hierauf anrechnen lassen. 
Die 130%-Grenze ist sozusagen die Schallmauer: liegen die Reparaturkosten laut Sachverständigengutachten mehr als 30% über dem Wiederbeschaffungswert, kann der Geschädigte nicht allein deshalb auf Reparaturkostenbasis abrechnen, weil infolge einer Rabattgewährung der Rechnungsendbetrag die 130%-Grenze nicht überschreitet (BGH VI ZR 79/10).
Nach neuerer Rechtsprechung (BGH VI ZR 231/09) gilt allerdings eine Ausnahme für den Fall, dass es dem Geschädigte gelingt, das Kfz - ggfls. mit eigener Arbeit bzw. unter Verwendung von Alt-Teilen - fachgerecht und den Vorgaben des Sachverständigen zu reparieren: wenn die insoweit entstehenden Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, muss der Schädiger diese ersetzen. Er kann den Geschädigten dann also nicht auf eine Abrechnung "Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert" verweisen.

2. Reparaturkosten zwischen 100% und 130% des Wiederbeschaffungswerts

Der Geschädigte erhält die vollen Reparaturkosten nur dann ersetzt, wenn er das Fahrzeug reparieren lässt und es - nach neuerer Rechtsprechung: für mehr als 6 Monate (BGH, VersR 2008, 937; 2008, 134, 135; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 3.3.2008, I-1 W 6/08) - weiter nutzt. 
Tut er dies nicht, erhält er den Wiederbeschaffungswert und muss sich einen etwaigen Restwert für das verunfallte Fahrzeug anrechnen lassen.

3. Reparaturkosten zwischen Wiederbeschaffungswert und Differenz "Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert"

Bei Reparatur des Kfz erhält der Geschädigte die vollen Reparaturkosten ersetzt, unabhängig davon, ob er das Fahrzeug danach noch nutzt oder weiterverkauft (BGH, Urt. v. 05.12.2006, AZ: VI ZR 77/06). 
Nach einem weiteren Urteil des BGH (Urt. v. 23.05.2006, Az.: VI ZR 192/05) erhält der Geschädigte die Reparaturkosten aber auch dann, wenn er das Fahrzeug - ggfls. unrepariert - für mindestens 6 Monate weiternutzt. Im letzteren Falle kann er den im Sachverständigengutachten oder Kostenvoranschlag ausgewiesenen Nettobetrag der Reparaturkosten verlangen.

4. Reparaturkosten geringer als Differenz "Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert"

Der Geschädigte erhält die Reparaturkosten ersetzt - bei Reparatur voll, ansonsten grundsätzlich nur den Nettobetrag. Noch nicht endgültig geklärt ist, ob der Geschädigte den Bruttobetrag der Reparaturkosten verlangen kann, wenn er den Unfallwagen gar nicht repariert, sondern eine Ersatzbeschaffung zu einem Preis oberhalb der Brutto-Reparaturkosten durchführt. Hierzu hat der BGH jüngst (Urt. v. 22.09.2009, VI 312/08) entschieden: dem Geschädigten steht jedenfalls dann kein Anspruch auf Ersatz des Umsatzsteuerbetrags aus den Reparaturkosten zu, wenn bei der Ersatzbeschaffung keine Umsatzsteuer angefallen ist. Ob dies anders zu beurteilen ist, wenn bei der Ersatzbeschaffung eine Umsatzsteuer anfällt, bleibt offen.

Dr. Finzel, Rechtsanwalt / Fachanwalt für Versicherungsrecht