Widerspruch und Widerruf von Kapitallebensversicherungen

Widerspruch und Widerruf von Kapitallebensversicherungen
14.03.2017251 Mal gelesen
In der jüngeren Vergangenheit war in den Medien immer wieder der Widerruf von Lebensversicherungen ein Thema. Auslöser hierfür waren mehrere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, der Versicherungsnehmern eine neue Rückabwicklungsmöglichkeit an die Hand gibt.

Die Widerrufsmöglichkeit im Rahmen der Lebensversicherung

Unter dem Begriff Lebensversicherung werden alle Versicherungen verstanden, die Risiken wie Tod oder Invalidität absichern sowie solche, die der privaten Altersvorsorge dienen. Lebensversicherungen erfreuen sich in Deutschland großer Beliebtheit. 2004 etwa bestanden national 95 Millionen Verträge mit einer Kapitalanlage von 618 Milliarden Euro. Da wundert es nicht, dass die oben genannten Entscheidungen für solches Aufsehen sorgen. Hinzu kommt, dass viele Versicherungsnehmer mit ihren Verträgen ohnehin unzufrieden waren, da die Renditeentwicklungen oft weit hinter den Vorhergesagten zurückblieben. Die vorhandene Kündigungsmöglichkeit war aufgrund des damit verbundenen hohen finanziellen Aufwands keine wirkliche Alternative, in Frage kam häufig nur ein Verkauf oder eine Beleihung der Versicherung. Durch die unverhoffte Widerrufsmöglichkeit ergeben sich nun plötzlich ganz andere Handlungsspielräume.

Die Grundlagen des Widerrufsrechts

Das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen ist grundsätzlich im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. § 355 BGB bestimmt: "Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat". Die Widerrufsfrist beträgt hierbei nach Absatz 2 der Vorschrift 14 Tage. Erforderlich aber ist eine Widerrufsbelehrung, die den Verbraucher über sein Widerrufsrecht aufklärt und die, abhängig vom Einzelfall, an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist. Kommt der Unternehmer seiner Pflicht zu einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung nicht oder nicht vollständig nach, beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen und der Verbraucher kann sich auch nach Ablauf der 14 Tage noch von dem Vertrag lösen. Genau hier setzen die Entscheidungen des BGH an.

Denn der BGH ist in mehreren Entscheidungen (u.a. mit Urteil vom 7. Mai 2014, Aktenzeichen: IV ZR 76/11 und den Urteilen vom 29. Juli 2015, Aktenzeichen: IV ZR 384/14 und IV ZR 448/14) zu der Auffassung gelangt, dass viele Versicherungsnehmer, insbesondere die, die ihre Lebensversicherung zwischen dem 29. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 abgeschlossen haben, ihre Versicherung auch heute noch widerrufen können.

Die Belehrungen zum Widerrufsrecht

Den Urteilen liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Bei Lebensversicherungen in Deutschland, die in dem zuvor genannten Zeitraum geschlossen wurden, galt der Vertrag auch dann als abgeschlossen, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen oder eine Verbraucherinformation erst nach der Antragstellung von dem Versicherer übersandt wurden. Die Widerrufsfrist betrug dann regulär 14 Tage, bei Lebensversicherungen ab dem 8. Dezember 2004 30 Tage. Für den Beginn der Frist mussten dem Versicherungsnehmer jedoch die vollständigen Vertragsunterlagen vorliegen. Des Weiteren musste er von dem Versicherer bei Übergabe des Versicherungsscheins schriftlich und in eindeutiger Form über das Widerrufsrecht sowie den entsprechenden Fristbeginn und die entsprechende Dauer belehrt worden sein.

Nach der damals gültigen Fassung des Versicherungsvertragsgesetzes erlosch das Widerrufsrecht jedoch nach einem Jahr, selbst wenn der Versicherer gar nicht oder nicht ordentlich belehrt hatte. Diese Regelung hat der BGH nun für europarechtswidrig erklärt und wendet sie deshalb nicht mehr auf Lebensversicherungsverträge an. Damit hat der Versicherungsnehmer ein "ewiges Widerrufsrecht", wenn er keine beziehungsweise keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung oder unvollständige Unterlagen erhalten hat.

Das "ewige Widerrufsrecht" dürfte mittlerweile vom Bundesverfassungsgericht als bestätigt gelten. Denn die Karlsruher Richter nahmen die Verfassungsbeschwerden der AachenMünchener Lebensversicherung gegen die zuvor ausgeführten Entscheidungen des BGH nicht zur Entscheidung an und führten aus, der BGH habe davon ausgehen dürfen, dass der Gesetzgeber die europarechtlichen Vorgaben für Lebensversicherungen ordnungsgemäß in deutsches Recht umsetzen wollte. Die Jahresfrist für Widerrufe wäre mit diesem Ziel nicht vereinbar gewesen. Daher entspreche es dem Willen des Gesetzgebers, die Frist auf andere Versicherungen als Lebensversicherungen zu beschränken, wie es der BGH getan habe. Die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung seien nicht überschritten.

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