Sexuelle Übergriffe auf einen Schüler - zu den Pflichten von Erziehungspersonal

Schaden, Versicherung und Haftpflicht
04.02.20101191 Mal gelesen
Ein körperbehinderter Schüler wurde über einen Zeitraum von etwa einem Jahr von einem Mitschüler und Mitbewohner des der beklagten Privatschule angegliederten Internats etwa 60 mal sexuell missbraucht. Den zuständigen Erziehern und Psychologen ist nach dem Urteil des LG Heidelberg bzgl. des Nichterkennens der schweren Traumatisierung kein Vorwurf zu machen.

Urteil Landgericht Heidelberg vom 22.09.2009, Aktenzeichen 2 O 96/07

Zum Sachverhalt:
 
Der körperbehinderte Kläger war Schüler einer Privatschule (Beklagte) und bewohnte das der Schule angegliederte Internat (Außenwohngruppe). In diese Außenwohngruppe wurde auch ein anderer Schüler verlegt. Dieser war wegen eines sexuellen Übergriffs auf eine Schülerin auffällig geworden. Die Außenwohngruppe wurde von 3 verschiedenen Erziehern und einen Psychologen betreut.
 
Anfang des Jahres 2004 kam es nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Kläger zu massiven sexuellen Übergriffen seitens des bereits auffällig gewordenen Mitschülers. Es handelte sich um mindestens 60 schwere sexuelle Übergriffe, wobei auch der Tatbestand der Vergewaltigung verwirklicht wurde.
 
Mitte des Jahres 2005 wurden diese Vorfälle bekannt. Die Mutter des Klägers erstattete Strafanzeige und die beklagte Privatschule verwies den entspr. Schüler von der Schule.
 
Den Erziehern war hinsichtlich der beiden Schüler bekannt, dass der misshandelnde Schüler selbst bereits Opfer eines Sexualübergriffs geworden war. Zudem war das sexualisierte Verhalten des Schülers aufgefallen, da er oft über seine sexuellen Phantasien sprach. Bekannt war auch, dass das Opfer von den Erziehern die Schlüssel für sein Zimmer verlangte, weil er nachts vom Schüler X besucht würde.
 
Zu den Folgen:
 
Das Versorgungsamt erkannte eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40% wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung an. Der Kläger wurde stationäre wegen seiner Aggressivität mit einem Neuroleptikum behandelt.
 
Außergerichtlich geforderte 100.000,- EUR Schmerzensgeld zuzüglich einer Schmerzensgeldrente wurden von der Beklagten zurückgewiesen und lediglich ein Betrag von 20.000,- EUR angeboten.
 
Das Gericht wies die Klage schließlich wegen des fehlenden Nachweises eines Verschuldens seitens der beklagten Privatschule zurück. Das Gericht begründet dies im Wesentlichen damit, dass es dem Kläger nicht gelungen sei, eine Pflichtverletzung der Schule nachzuweisen. Zwar gehöre es zu den vertraglichen Pflichten der Beklagten, Schäden von ihren Schülern abzuwenden und auch im Internatsbereich eine sichere Umgebung zu schaffen.
 
Nach dem erstellten Sachverständigengutachten ging das Gericht davon aus, dass es sich vorliegend um einen sehr speziellen Fall handelte, der von "einfachen" Erziehern und Psychologen nicht feststellbar gewesen sei. Vielmehr seien Anzeichen der vorliegenden Art nur von geschulten Fachleuten erkennbar. Zu berücksichtigen sei, dass es sich vorliegend nicht um ein Heim für sexuell auffällige Delinquenten handelte und von daher die primäre Aufgabe der Erzieher darin bestand die Kinder pädagogisch zu betreuen.
 
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