Im Winter wird der Gang vor die Haustür oft zur rutschigen Angelegenheit. Bei entsprechenden Witterungsverhältnissen bildet sich auf Gehwegen, Straßen und Plätzen schnell gefährliches Glatteis. Selbst bei Anwendung der gebotenen Vorsicht kann es da zu Stürzen kommen, die unter Umständen schlimmere Folgen als "blaue Flecken" nach sich ziehen. In solchen Fällen stellt sich dann schadensrechtlich die Frage, ob der Sturz auf eine Verletzung der Streupflicht zurück zu führen ist und wer dafür haftet.
Die Streupflicht ist eine konkrete Form der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht. Innerhalb geschlossener Ortschaften ist grundsätzlich die Gemeinde streupflichtig. Für Gehwege hingegen ist grundsätzlich der Eigentümer streupflichtig, an dessen Grundstück der Gehweg grenzt (Anlieger). In Berlin ergibt sich die Streupflicht aus dem Straßenreinigungsgesetz (StrReinG) in Verbindung mit den Straßenreinigungsverzeichnissen. In Brandenburg gilt das Brandenburgische Straßengesetz (BbgStrG) in Verbindung mit der Straßenreinigungssatzung. Das Brandenburgische Oberlandesgericht führte in seiner Entscheidung vom 3. Juni 2008 (Az. 2 U 8/07) aus: "Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht richten sich jedoch immer nach den Umständen des Einzelfalls. Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs. Die Räum- und Streupflicht besteht daher nicht uneingeschränkt. Sie steht vielmehr unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, wobei es auch auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt." Für Bereiche außerhalb geschlossener Ortschaften besteht grundsätzlich keine Streupflicht. Der Winterdienst hat auch zeitliche Grenzen. Maßgeblich für Beginn und Ende der Streupflicht ist neben dem Eintritt der Gefährdungslage (mit angemessener Reaktionszeit) das Einsetzen des üblichen Tagesverkehrs. Streumaßnahmen müssen danach morgens so rechtzeitig durchgeführt werden, dass auch der vor dem allgemeinen Tagesverkehr liegende Hauptberufsverkehr geschützt wird (Brandenburgisches Oberlandesgericht vom 18. Januar 2007, Az. 5 U 86/06). In der Regel ist daher werktags zwischen 7 und 20 Uhr, am Wochenende zwischen 9 und 20 Uhr zu streuen.
Bei Glätteunfällen besteht die erste Schwierigkeit darin, den Streupflichtigen zu identifizieren. Im Prozess muss dann bewiesen werden, dass die Streupflicht verletzt wurde. Diese besteht nach dem o.g. nicht unbegrenzt. Für den Unfall selbst bedarf es in der Regel eines Zeugen. Im Ergebnis ist die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen bei Glätteunfällen also mit vielen Unwägbarkeiten verbunden. Im "Fall des Falles" sollten sie sich daher an eine auf Schadensrecht spezialisierte Kanzlei wenden.
Rechtsanwältin Nadine Jokiel
Laux Rechtsanwälte