Höhere Bußgelder für Radfaher: In Wirklichkeit nur ein Nebenschauplatz

Höhere Bußgelder für Radfaher: In Wirklichkeit nur ein Nebenschauplatz
01.04.2013485 Mal gelesen
Es geht seit Wochen durch die Medien: Bußgelder auch für Radfahrer werden erhöht. Unberücksichtigt bleibt in dieser Diskussion, dass in der Praxis Routinekontrollen - zumindest in Berlin- höchst selten vorkommen. Wichtiger: "Kavaliersdelikte" führen zur Haftung des Radfahrers bei Unfällen...

Vorab: Es geht nicht darum zu begatellisieren, dass die Anhebung der Bußgelder wohl zumindest teilweise der Aufbesserung der öffentlichen Haushalte dient.

Für mich stellt sich in den 15 Jahren meiner verkehrsrechtlichen Tätigkeit ein ganz anderes Problem als vorrangig dar.

Vermeidet man die nicht ganz ungefährliche Überquerung  einer Kreuzung,um den Radweg auf der rechten Seite zu erreichen, weil man dort ohnedies nach einem Block wieder die Straßenseite wechseln müssste, um nach links abzubiegen, mutet dies kaum wie ein Vergehen an. Vielmehr scheint es eine vernünftige Entscheidung zu sein.

Gleiches gilt, wenn man sich vom Radweg auf eine Kreuzung zukommend dafür entscheidet, im Kreuzugsbereich in den von PKW-Fahrern besser beachteten Bereichs des Fußgängerüberganges zu rollern und dort die Straße zu queren.

Oder aber auch, wenn man in den durch parkende Autos zudem noch sehr engen, historisch mit Koppsteinpflaster versehenen Berliner Nebenstraßen gleich auf dem ohnedies meist leeren Fußweg fährt.

Doch in allen drei Fällen ergibt sich im Falle eines Unfalls mindestens eine Haftungsteilung.

Ein PKW-Fahrer ist aus zwei Gründen fein raus: Zum Einen wird er selten ernsthaft  verletzt, während der Radfahrer häufig schwere Verletzungen erleidet. Zum Anderen hat der PKW-Fahrer eine Kfz-Haftpflichtversicherung im Hintergrund, die für den ihm zuzurechnenden Schaden aufkommt und im Übrigen auch Schadensersatzforderungen der Unfallgegner minimiert bzw. sogar "abwimmelt" .

Die Vielzahl der verunfallenden Radfahrer hat keine Haftpflichtversicherung, weil es anders als bei Kraftfahrzeugen keine entsprechende Versicherungspflicht gibt. Im Fall eines Unfalles muss der Radfahrer den Schaden des Unfallgegners aus eigener Tasche bezahlen.

In der Praxis bedeutet dies Folgedes:

Rechenbeispiel 1:

Gehen wir von einer Quote (Haftungsteilung) von 50:50 aus:

Der Radfahrer erhält für den Schaden an seinem Rad 50% der Reparaturkosten in Höhe von 200,00 € (also 100,00 €), an Schmerzensgeld erhält er nach zähem Ringen für schmerzhafte Prellungen mit einer kleinen Platzwunde am Bein 50% von 500,00 € (also 250,00 €). Hierfür kommt die Haftpflichtversicherung des PKW-Halters auf und zahlt dementsprechend 350,00 €.

Der PKW hat einen Schaden von 1.500,00 € weil die Front beschädigt wurde, ein Teil ausgetauscht und die Haube neu lackiert werden musste. Hiervon muss der nicht privat haftpflichtversicherte Radfahrer 50%, also 750,00 € tragen.  

Noch dramatischer stellen sich jedoch die leider ebenfalls nicht seltenen Unfälle zwischen Radfahrern und Kindern auf Gehwegen dar.

Ein typischer Fall war jener eines aus menschlich nachvollziehbaren Gründen auf dem Gehweg und zudem entgegen der Fahrtrichtung in normaler Geschwindigkeit fahrenden Mandanten. Aus einer Einfahrt flitze ein Kind heraus und kollidierte mit ihm.

In diesem Fall fiel die Quote 100%  zu Lasten des Radfahrers aus - denn ein erwachsener Radfahrer darf grundsätzlich nicht auf dem Gehweg fahren und haftet daher auch grundsätzlich alleine. Zudem wäre das Kind ohnedies nicht haftbar zu machen gewesen, weil es zu jung war.

Der Radfahrer verletzte sich leicht und hatte Schmerzen. Aufgrund einer kurzen Arbeitsunfähigkeit erlitt er einen kleinen Erwerbsschaden. Das Rad wurde beschädigt.

Das Kind wurde von einem RTW in die nächste Klinik gebracht, dort untersucht und über Nacht zur Beobachtung dort behalten, um am nächsten Tag in bester Gesundheit entlassen zu werden.

Hieraus ergibt sich folgendes Rechenbeispiel:

Dem Radfahrer entstand ein Schaden von 160,00 € (Erwerbsschaden), 40,00  € (Hose), 150,00  € (Fahrrad). Für die erlittene Verletzung hätte er eigentlich einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Da er alleine haftet, erhält er aber nichts.

Die Eltern des Kindes machten einen Sachschaden von 40,00 € (Texitilien) und 1.200.00 € (Schmerzensgeld wegen Prellungen und Gehirnerschhütterung) geltend. Mit den weiteren Forderungen für den RTW-Transport und die Behandlung in der Klinik sowie ggf. einer weiteren Forderung von Seiten des Arbeitgebers der Mutter und der Krankenkasse für zwei unfallbedingte Betreuungstage ist zu rechnen.

Ganz abgesehen davon, dass die Schmerzensgeldforderungen in solchen Fällen häufig - wie auch in diesem Fall - völlig überzogen sind, muss der Radfahrer trotzdem mit unfallbedingten Forderungen der Gegenseite in Höhe von deutlich über 2.000,00 € rechnen. Unter Umständen beauftragt die Familie des Kindes einen Anwalt, welcher dann ebenfalls vom mutmaßlichen Unfallverursacher bezahlt werden muss.

Was heißt das für Sie?

- Im Falle eines Unfalls wiegen kleine Ordnungswidrigkeiten - für die die Bußgelder gerade erhöht wurden - plötzlich sehr schwer.

- Soweit Sie können, achten Sie schon am Unfallort darauf, dass Ihnen nicht irgendein Vergehen untergejubelt wird.

- Achten Sie darauf, dass in der Aussage nicht Fahrbahn und Fußweg bzw. Radweg /Radfahrerfurt durcheinandergehen (z.B. weil Ihr Rad durch den Anstoß des Pkw vom Radweg auf die Fußgängerfurt geschoben wurde oder nach dem Unfall das Fahrrad vom PKW-Fahrer oder von hilfsbereiten Passanten auf den Gehweg geschoben wurde).

- Wenn Sie das Rad über einen Fußgängerweg geschoben haben, sollten Sie dies deutlich sagen, und nicht nur "ich bin über den Fußgängerüberweg"...

- Wenn Sie Zeugen sehen, sprechen Sie diese an und notieren Sie Namen und Kontaktdaten, zusätzlich zur Polizei!

- Wenn sich der Unfall bei Dunkelheit ereignete, dann zeigen Sie noch vor Ort, dass die Beleuchtung Ihres Fahrrades funktioniert und der Dynamo am Reifen aufliegt.

- Im Zweifel - gerade wenn Sie unter Schock stehen - sagen Sie gar nichts. Schreiben Sie sofort ein Gedächtnisprotokoll. Behalten Sie dieses für sich. Suchen Sie sich einen Fachanwalt für Verkehrsrecht. Der nimmt erst einmal Akteneinsicht.

- Ohne Rehtsschutz: Bei der Wahl Ihres Anwaltes achten Sie darauf, dass er Ihnen ein faires Angebot macht, welches die Akteneinsicht und eine Beratung umfasst.

- Wenden Sie sich an einen Fachanwalt für Verkehrsrecht, der auch die Schmerzensgeld / Personenschaden- Seite schwerpunktmäßig mit abdeckt (und nicht vor allem Verteidigung in Straf- und Bußgeldverfahren anbietet), denn er muss die "Kniffe" kennen und bei gegnerischen Forderungen ggf. gegenhalten können.

- Fahren Sie vorsichtig und mit Vergnügen - und bald wieder ohne Schnee!!