Bei der Auswahl der Messstellen wurden diesmal sogar die Wünsche von Bürgern berücksichtigt, die einem Aufruf des NRW-Innenministeriums gefolgt waren und ihre liebsten Plätze für die Aufstellung von Blitzgeräten nennen durften.
Angesichts der Tatsache, dass die Kontrolldichte in den vergangenen Jahren ohnehin stetig angestiegen ist - zweifellos auch aus fiskalischen Erwägungen, denn viele Blitzer sind für die klammen Gemeinde- und Kreiskassen schließlich eine äußerst rentable Einrichtung - stellt sich durchaus die Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer Aktion wie dem "Blitz-Marathon". Freilich wird der Veranstalter nicht müde zu betonen, dass sie der Verkehrssicherheit diene. Ein Effekt, der schwer zu belegen sein dürfte. Verkehrserziehung funktioniert schlecht über Bußgelder. Denn diese führen selten zur Einsicht. Daher wäre es sinnvoller in Aufklärung zu investieren.
Längst nicht jeder Fahrer, der beim Blitz-Marathon auffällt, verdient es als Raser abgestempelt zu werden. Aber es ist auch kein Betroffener der geballten Kontrollaktion der Staatsmacht rechtlos ausgeliefert.
Anspruch auf ordnungsgemäß gewonnene Messdaten
Nach der der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) hat jeder Betroffene im Bußgeldverfahren den Anspruch, nur auf Grund ordnungsgemäß gewonnener Messdaten belangt zu werden. Es handelt sich um einen Rechtsanspruch mit Verfassungsrang. Daher muss kein Bürger das ihm drohende oder gegen ihn verhängte Bußgeld einfach stillschweigend hinnehmen. Vielmehr hat jeder Bürger die Möglichkeit von seinen Verfahrensrechten Gebrauch zu machen und die Rechtmäßigkeit des gegen ihn erhobenen Vorwurfs zu überprüfen. Gegen einen Bußgeldbescheid kann innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung Einspruch eingelegt werden. Jeder Rechtsanwalt hat die Möglichkeit für den Betroffenen Einsicht in die Verfahrensunterlagen zu nehmen, die Ordnungsgemäßheit der Geschwindigkeitsmessung zu überprüfen und Messung gegebenenfalls durch konkrete Beanstandungen anzugreifen. Auf der Rechtsfolgenseite ist im Falle der Verhängung eines Fahrverbotes zudem zu beachten, dass ein solches angesichts des auch für das Bußgeldverfahren geltenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nur angeordnet werden darf, wenn die Folgen des Fahrverbotes den Betroffenen nicht in seiner beruflichen bzw. wirtschaftlichen Existenz bedrohen.
Messgeräte müssen exakt gemäß der Gebrauchsanweisung bedient werden
Insbesondere müssen bei Geschwindigkeitsmessungen im Straßenverkehr die Vorschriften des Eichgesetzes, der Eichordnung und die Zulassungsvorschriften der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt (PTB)für Geschwindigkeitsmessgeräte eingehalten werden, damit die Messdaten "ordnungsgemäß" im Sinne der Rechtsprechung des BGH gewonnen wurden. Die Messungen müssen von qualifiziertem Messpersonal durchgeführt werden. Nach § 74 Nr. 11 EichO handelt ordnungswidrig im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 4 EichG, wer vorsätzlich oder fahrlässig ein Messgerät entgegen § 6 Abs. 1 Nr. 1 EichO aufstellt, anschließt, handhabt oder wartet. Diese Ordnungswidrigkeit kann sogar mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro sanktioniert werden. Jeder Hersteller eines für die Durchführung amtlicher Geschwindigkeitsmessungen eingesetzten Messgeräts muss diesem eine Gebrauchsanweisung beigeben. Änderungen der Gebrauchsanweisungen unterliegen der Genehmigung durch die PTB und sind allen Geräte-Betreibern mitzuteilen.
Stellt sich bei der Überprüfung des Messvorgangs heraus, dass die Geschwindigkeitsmessung nicht gemäß der Hersteller-Bedienungsanleitung und von qualifiziertem Messpersonal durchgeführt wurde, liegt kein standardisiertes Messverfahren vor und es kann nicht mehr ohne Weiteres von der Richtigkeit der vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung ausgegangen werden. Es ist dann von einer fehlerhaften Messung auszugehen, die einem Beweisverwertungsverbot unterliegt. Ob für das konkrete Geschwindigkeitsmessgerät bei der Messung des Betroffenen die Gebrauchsanweisung des Geräteherstellers eingehalten wurde, wird der Verteidiger ggf. durch einen Sachverständigen klären lassen diesbezügliche Zweifel durch Beweisanträge ins Verfahren einführen.
Auch die konkreten Umstände der Durchführung einer Messung können Zweifel zu Tage fördern
Auch beim Anvisieren eines Fahrzeugs in größerer Entfernung mittels Laserpistole ist die Zuordnung nicht immer gewährleistet. Aufgrund der Aufweitung des Laserstrahls kann bereits ab Entfernungen von 300 m unter Umständen nicht ausgeschlossen werden, dass der Messwert von einem anderen Fahrzeug verursacht wird, das sich rechts oder links, vor oder hinter dem anvisierten befindet. Bei einspurigen Fahrzeugen sind schon Messungen ab 100 m unsicher. Messungen mit dem Lasergerät Riegl FG 21 sind nicht standardisiert, wenn zugunsten des Betroffenen davon auszugehen ist, dass er während eines Überholvorgangs mit einem Seitenabstand von nur 60cm von einem anderen Motorrad überholt wurde, so dass keine eindeutige Zuordnung des Messwertes möglich ist.
Mit formellen Einwänden zum Erfolg
Neben Einwänden gegen das Messverfahren können auch formelle Einwände zum Erfolg führen. So sind rund 20 Prozent der Bußgeldbescheide fehlerhaft, weil bei deren Erlass die Frist für die Verfolgungsverjährung bereits abgelaufen war. Diese beträgt nur drei Monate, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist. Wenn die Polizeibeamten dem Betroffenen eröffnen, dass gegen ihn ein Bußgeldverfahren eingeleitet worden ist, gilt dies bereits als Erste Vernehmung.
Praxistipp für Betroffene
- Sofern Sie angehalten werden, lassen Sie sich an Ort und Stelle dass Messergebnis zeigen.
- Dokumentieren Sie nach Möglichkeit die Messeinrichtung, die Messstelle und ggf. die Anhaltestelle mit Fotos.
- Beharren Sie auf Ihr Schweigerecht. Bleiben Sie stets höflich aber unverbindlich. Wenn Sie dokumentieren, tun Sie dies, ohne die Beamten bei der Ausführung der Messung zu behindern. Möchte ein Beamter Ihnen das Fotografieren untersagen, verlangen Sie dessen Namen und Dienststelle.
- Machen Sie niemals Angaben zur Sachen. Geben Sie den Vorwurf nicht zu und beharren Sie auf Ihr Schweigerecht. Äußern Sie sich überhaupt niemals zum Vorwurf. Auch nicht dazu, ob Sie der Fahrer waren. Machen Sie bezüglich eines Vorwurfs konsequent von Ihrem Schweigerecht Gebrauch.
- Senden Sie einen Anhörungsbogen nicht zurück und konsultieren Sie stattdessen einen in Verkehrsordnungswidrigkeiten erfahrenen Rechtsanwalt.
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Der Verfasser, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Christian Demuth, Düsseldorf, ist auf die Verteidigung von Betroffenen in Verkehrsstraf- und Bußgeldverfahren spezialisert - bundesweit. Weitere Infos unter www.cd-recht.de