Grundsätzlich ist eine kreditgebende Bank hinsichtlich eines Wissensvorsprungs nur dann verpflichtet, den Kreditnehmer bei Kreditvergabe über die sittenwidrige Überteuerung der zu finanzierenden Immobilie aufzuklären, wenn sie positive Kenntnis davon hat, dass der Kaufpreis knapp doppelt so hoch ist wie ihr Verkehrswert. Ausnahmsweise steht die bloße Erkennbarkeit der positiven Kenntnis gleich, wenn sich die sittenwidrige Überteuerung einem zuständigen Bankmitarbeiter nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen musste.
Der Sachverhalt:
Die Kläger waren im Jahr 1993 von einem Vermittler geworben worden, ohne Eigenkapital eine Eigentumswohnung zum Kaufpreis von 129.250 DM zu Steuersparzwecken zu erwerben. Zur Finanzierung des Kaufpreises unterzeichneten die Kläger den Entwurf eine Darlehensvertrags der Beklagten in Höhe von 129.000 DM und einer einprozentigen Tilgung pro Jahr.
Der Beklagten lagen zum Zeitpunkt der Kreditentscheidung Unterlagen vor, wonach sich das 1952 erstellte Objekt an einer breiten Hauptstraße mit Verkehrslärmbeeinträchtigung befand. Der genauere Umfang von Renovierungsarbeiten war der Beklagten nicht bekannt. Der tatsächliche Wert des Objekts betrug aber 63.500 DM. Sie erhöhte darauf die Tilgungsrate auf fünf Prozent, einigte sich am Ende aber mit den Klägern auf drei Prozent.
Nachdem die Kläger 2003 nicht mehr für die Raten aufkommen konnten, betrieb die Beklagte aus der Grundschuldbestellungsurkunde die Zwangsversteigerung der finanzierten Eigentumswohnung. Wegen des Restbetrags von 25.720,40 Euro betrieb sie die Zwangsvollstreckung in das persönliche Vermögen der Kläger.
Das LG wies die Vollstreckungsgegenklage ab. Auf die Berufung der Kläger hob das OLG die Entscheidung auf und gab der Klage statt. Gleichzeitig wies es die Hilfswiderklage der Beklagten auf Zahlung des Restbetrags ab. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Kläger können dem Darlehensrückzahlungsanspruch der Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht durch die Beklagte entgegenhalten.
Zwar ist eine kreditgebende Bank bei steuersparenden Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Geschäft nur unter ganz besonderen Voraussetzungen verpflichtet. Sie darf regelmäßig davon ausgehen, dass die Kunden entweder über die notwendigen Kenntnisse oder Erfahrungen verfügen oder sich jedenfalls der Hilfe von Fachleuten bedient haben. Ein besonderer Umstand kann aber vorliegen, wenn die Bank in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann.
Eine Aufklärungspflicht der Bank über die Unangemessenheit des Kaufpreises unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Wissensvorsprungs liegt ausnahmsweise bei einen sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers vor. Von einer solchen ist auszugehen, wenn der Verkaufspreis - wie hier - knapp doppelt so hoch ist wie der Verkehrswert der Wohnung.
Zwar ist grundsätzlich positive Kenntnis der Bank von der sittenwidrigen Überteuerung des Kaufobjekts erforderlich, die nicht einfach vermutet werden kann. Ausnahmsweise steht die bloße Erkennbarkeit sittenwidriger Überteuerung der positiven Kenntnis aber gleich, wenn sich diese einem zuständigen Bankmitarbeiter nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen musste. Er ist dann nach Treu und Glauben nicht berechtigt, seine Augen vor solchen Tatsachen zu verschließen. Und so lag hier der Fall.
Das nachträgliche ungewöhnliche Verlangen nach unüblich hohen Tilgungen pro Jahr durch die Beklagte ist ein wichtiges Indiz dafür, dass sie die Immobilie in hohem Maße nicht als werthaltig ansah. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass sie die sich aufdrängende Erkenntnis einer sittenwidrigen Überteuerung ignorierte und nur versuchte, durch einen ungewöhnlich hohen Tilgungssatz das durch die völlig unzureichende Werthaltigkeit der Immobile bedingte Kreditausfallrisiko zu verringern.
Quelle: www.bundesgerichtshof.de
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